Ältere Menschen werden Opfer von Trickbetrügern: "Wider­liche Straf­taten, die mit voller Härte geahndet werden müssen"

von Hasso Suliak

25.11.2024

Enkeltricks, Schockanrufe und falsche Polizisten: Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) sorgt sich um die Sicherheit älterer Menschen in Deutschland. Am Donnerstag wird sich die Justizministerkonferenz daher mit dem Thema befassen.

"Antworten Sie bloß nicht auf dieses SMS!", rief vergangenen Sonntag im ICE von Frankfurt nach Berlin ein junger Mann seinem verdutzten Sitznachbarn zu, ein älterer Herr um die 80 Jahre.* 

Diesen hatte der junge Mann dabei beobachtet, wie er gerade dabei war, auf dem Handy auf eine offensichtliche Betrügernachricht zu reagieren. Nachdem er ihm die Warnung erläutert hatte, bedankte sich der Senior bei seinem jungen Sitznachbarn. Sein indiskretes Schielen aufs Handy hatte den alten Mann vielleicht davor bewahrt, Opfer einer Betrugsmasche zu werden.

Nicht alle haben indes so viel Glück wie der Senior im Zug: Enkeltricks, Schockanrufe, gefakte Hilferufe per SMS oder falsche Polizisten – es vergeht keine Woche, in der die Medien nicht über Fälle berichten, in denen Trickbetrüger versuchen, die nachlassende Konstitution älterer Menschen auszunutzen.

Vorgetäuschte Notsituationen

Am Wochenende etwa berichtete die Nachrichtenagentur dpa über zahlreiche Betrugsversuche an alten Menschen in Thüringen. Die Täter gaben sich als Polizeibeamte aus und warnten am Telefon vor angeblichen Diebesbanden, die unterwegs seien. Die Kriminellen gaukelten den Angerufenen vor, dass eingebrochen werden könnte, bei ihnen aber Geld und Wertsachen sicher seien. Eine 86 Jahre alte Frau aus Weimar tappte in die Falle und übergab einem falschen Polizisten Bargeld in Höhe eines fünfstelligen Betrags. 

In Berlin wird derzeit drei Männern vor dem Berliner Landgericht (LG) der Prozess gemacht. Auch sie sollen sich in mehreren Fällen als falsche Polizisten ausgegeben haben, um an Geld und Schmuck zu gelangen. Ihre Opfer: Menschen im Alter zwischen 83 und 88 Jahren. Die Angeklagten sollen als Mitglieder einer Bande agiert haben. Insgesamt knapp 44.000 Euro sowie Münzen und Schmuck seien erbeutet worden. Der Prozess gegen die Männer wird am 28. November fortgesetzt. 

Beschussvorschlag für JuMiKo

An diesem Tag werden sich in Berlin allerdings nicht nur das LG, sondern auch die Justizministerinnen und -minister der Länder mit den immer dreisteren Taten an älteren Menschen befassen. Den 16 Ressortchefs liegt auf ihrer Herbstkonferenz (JuMiKo) ein Beschlussvorschlag der Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) vor, der zum verstärkten Schutz älterer Menschen aufruft.

Ältere Menschen sind laut dem Papier bei den Kriminalitätsphänomenen der Trickbetrugs- und Trickdiebstahlstaten, aber auch der Aggressions- und Gewaltdelikte im Pflegebereich aufgrund ihrer Lebenssituation grundsätzlich stärker gefährdet als jüngere Menschen und bedürften daher eines besonderen Schutzes. Bei den Trickbetrügereien sei sämtlichen Varianten gemein, dass sie bewusst darauf angelegt sind, das Vertrauen und die Hilfsbereitschaft älterer Menschen in dem Bewusstsein ihrer altersbedingten Unterlegenheit auszunutzen. Die Erscheinungsformen der Taten seien vielfältig und die Vorgehensweise werde immer weiter optimiert und professionalisiert, heißt es in der JuMiKo-Vorlage, die LTO vorliegt. 

Nicht nur in Berlin, sondern deutschlandweit werde von den Tätern aktuell gerne die sogenannte Verkehrsunfalllegende genutzt. Dabei melde sich der Täter telefonisch, gibt sich als Angehöriger aus und erklärt gegenüber dem Opfer, er habe soeben bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet. "Im Verlauf des Telefonats übernimmt dann ein falscher Polizeibeamter, Staatsanwalt, Richter oder Rechtsanwalt das Gespräch und fordert die Zahlung einer Kaution, meist in Höhe von 50.000 bis 100.000 Euro, um eine drohende Inhaftierung des Angehörigen zu verhindern. Aus Sorge um die Angehörigen übergeben die Opfer das geforderte Bargeld an einen Abholer, der sich als Polizei- oder Gerichtsmitarbeiter ausgibt."  

"Enkeltrick immer noch weit verbreitet"

Besonders verbreitet ist laut Berlins JuMiKo-Antrag weiter der Betrugsklassiker an alten Menschen, besser bekannt als "Enkeltrick". Dabei gibt sich der Täter als Verwandter, meist als Enkel oder Neffe, aus, kontaktiert in dieser Rolle das Opfer und gibt wahrheitswidrig vor, in einer finanziellen Notlage zu sein. Er bittet das Opfer um eine größere Geldsumme und schickt oft einen "Freund" oder "Bekannten", um das Geld abzuholen. Das Opfer glaubt, einem Familienmitglied zu helfen, und übergibt sodann das Geld an die Betrüger. 

Eine weitere Variante sei, dass sich die Täter unter einem Vorwand Zutritt zur Wohnung der älteren Menschen verschaffen, indem sie sich beispielsweise als Handwerker ausgeben, aufgrund einer Notlage dringend telefonieren müssen oder um ein Glas Wasser bitten. In der Wohnung lenkt ein Täter das Opfer ab, während sich ein weiterer Täter unbemerkt in die Wohnung begibt und diese nach Wertgegenständen durchsucht. 

Aggressions- und Gewaltdelikte in der Pflege 

Berlins Justizsenatorin möchte am Donnerstag nun ihre Kolleginnen und Kollegen dazu bringen, den Schutz älterer Menschen zu intensivieren. Badenberg zu LTO: "Straftaten zum Nachteil älterer Menschen, etwa der Enkeltrick, sind widerlich und gehören mit der vollen Härte des Gesetzes geahndet. Wir sind es gerade Seniorinnen und Senioren schuldig, sie bestmöglich vor derartigen Taten zu schützen. Da die Gefahren vielseitig sind, müssen wir uns breit aufstellen. Deshalb ist es nötig, derartige Taten wissenschaftlich auszuwerten, um dann gezielt Strafvorschriften anpassen zu können."

Neben den Vermögensdelikten zulasten älterer Menschen weist Badenberg in ihrer JuMiKo-Initiative auf ein weiteres Deliktsfeld hin: Aggressions- und Gewaltdelikte in der Pflege. Auch in diesem Kriminalitätsbereich seien ältere Menschen überproportional gefährdet. "Aus der strafrechtlichen Praxis und auch aus der öffentlichen Berichterstattung werden immer wieder Fälle bekannt, in denen gegen pflegende Angehörige oder Pflegebedienstete in häuslicher sowie stationärer Pflege wegen Vernachlässigung, Misshandlung oder Gewalttaten zum Nachteil pflegebedürftiger älterer Menschen ermittelt wird", heißt es im Beschlussvorschlag. 

Sollte dieser am Donnerstag von den Justizressorts der Länder gebilligt werden, wären danach wohl auch die Familienminister der Länder in der Pflicht. Die Jugend- und Familienministerkonferenz soll sich der Thematik annehmen und auf eine wissenschaftliche "Studie zur Viktimisierungsanfälligkeit" älterer Menschen hinwirken, heißt es in Badenbergs Antrag. 

Ein Vorschlag, der durchaus Sinn macht. Denn angesichts der demografischen Entwicklung dürften Straftaten, bei denen die Täter speziell ältere Menschen ins Visier nehmen, in den nächsten Jahren weiter zunehmen.

*Anmerkung: Verfasser des Textes wurde am 17. November Zeuge des geschilderten Vorfalls im Zug.

Zitiervorschlag

Ältere Menschen werden Opfer von Trickbetrügern: . In: Legal Tribune Online, 25.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55949 (abgerufen am: 17.01.2025 )

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