Besonders schwere Straftaten können die Ausweisung eines EU-Ausländers auch dann rechtfertigen, wenn dieser bereits seit mehr als zehn Jahren in Deutschland lebt und dadurch ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland erworben hat. Dies entschied der EuGH am Dienstag und beantwortete damit eine entsprechende Anfrage des OVG in Münster.
Unionsbürger, die sich mindestens fünf Jahre ununterbrochen in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhalten, erwerben in der Regel ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in diesem Land. Eine Ausweisung kann danach nur noch aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden. Lebt der Unionsbürger bereits seit zehn Jahren in dem Land, darf die Ausweisung gar nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit verfügt werden.
Wann ein solcher "zwingender Grund" gegeben ist, wollte das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster nun vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) geklärt wissen.
Anlass der Anfrage war die Klage Italieners gegen die Androhung seiner Abschiebung. Der seit 1987 in Deutschland lebende Mann war im Jahr 2006 wegen sexuellen Missbrauchs, sexueller Nötigung und Vergewaltigung eines acht Jahre alten Mädchens zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Insbesondere wegen der Schwere der begangenen Taten und des Rückfallrisikos stellten die deutschen Behörden den Verlust des Rechts des Italieners auf Einreise und Aufenthalt in Deutschland fest.
Zu Recht, wie der EuGH nun urteilte. Eine Ausweisung aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit setze voraus, dass "das Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse des Aufnahmemitgliedstaates berührt".
Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben. Der sexuelle Missbrauch von Kindern sei als besonders schere Beeinträchtigung eines Grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen. Zudem stelle das persönliche Verhalten des vorliegend durch die Abschiebungsandrohung Betroffenen im Hinblick auf sein Rückfallrisiko auch eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr dar (Urt. v. 22.05.2012, Az. C-348/09).
mbr/LTO-Redaktion
EuGH zur Ausweisung straffälliger Unionsbürger: . In: Legal Tribune Online, 22.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6244 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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