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Teure Reise nach Mekka: Familie muss Bür­ger­geld an Job­center zurück­zahlen

26.04.2024

Mann betet in Richtung Mekka

Mekka ist eine Stadt in Saudi-Arabien und gilt als einer der heiligsten Orte im Islam. Sie ist das Ziel der Haddsch, der jährlichen muslimischen Pilgerreise, die Teil der fünf Säulen des Islam ist. Foto: stock.adobe/Jasmin Merdan

Eine Familie aus Berlin kümmert sich um eine Nachbarin und bekommt von ihr 65.250 Euro für eine Pilgerreise nach Mekka geschenkt. Ganze 22.600 Euro, die die Familie währenddessen vom Jobcenter erhält, muss sie nun an dieses zurückzahlen.

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Von Dezember 2019 bis Januar 2023 bezog eine Familie aus Berlin Bürgergeld. Rund 22.600 Euro gewehrte ihr das Jobcenter in dieser Zeit. Wenn man aber in der Zwischenzeit ein Geldgeschenk von rund 65.250 Euro erhält, ist man nicht mehr hilfebedürftig. Dass sie nun die gesamten Leistungen des Jobcenters zurückzahlen müssen, sei daher rechtens, entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg (Urt. v. 24.04.2024, Az. L 18 AS 684/22).

Regelmäßig kümmerte sich die Mutter einer Familie, die Bürgergeld bezog, um ihre pflegebedürftige Nachbarin. Als Dank dafür, überwies die inzwischen verstorbene Dame ihr 65.250 Euro. Dienen sollte das Geld dafür, die von der Familie lange ersehnte Reise nach Mekka zu ermöglichen. Anlass dazu, das Jobcenter von diesem großzügigen Geschenk in Kenntnis zu setzten, sah die Familie nicht – schließlich sei es der religiösen Familie sehnlichster Wunsch einmal nach Mekka zu reisen. Dass das Jobcenter davon etwas hätte wissen müssen, habe die Familie einfach nicht gewusst.

Ermittlungsverfahren bringt Stein ins Rollen

Anfang 2020 wurde das Jobcenter vom Landeskriminalamt im Rahmen eines laufenden Ermittlungsverfahrens gegen die Eltern über den Geldeingang in Höhe von 65.250 Euro informiert. Daraufhin nahm das Jobcenter sämtliche Bewilligungsbescheide zurück und forderte die Familie auf, ihnen die gesamten 22.600 Euro zu erstatten. Nach Ansicht des Jobcenters sei die Familie in dem Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen. Für den Anspruch auf Bürgergeld ist das allerdings zwingend erforderlich.

Das wollte die Familie jedoch nicht einfach so hinnehmen, schließlich habe sie das gesamte Geld bereits ausgegeben. Das Sozialgericht (SG) Berlin und auch das LSG konnte das jedoch nicht so ganz überzeugen.

Auch Bürgergeldempfänger dürfen Geschenke annehmen

Kriegt man als Bürgergeldempfänger etwas geschenkt, dann darf das Jobcenter dieses Geschenk nicht auf das Bürgergeld anrechnen, soweit dies für die Empfänger „grob unbillig“ wäre (§ 11a Abs. 5 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)). Heißt: Wenn es einen sinnvollen Zweck dahinter gäbe, dann dürfte man das Geld auch behalten.

Zwar stelle die Reise nach Mekka laut Gericht einen solchen Zweck dar, das ist jedoch insoweit unbeachtlich, als dass die Familie lediglich einen Vermögensfreibetrag in Höhe von 16.500 Euro in diesem Zeitraum hatte. Zieht man das von dem großzügigen Geldgeschenk ab, so blieben der Familie zu der Zeit noch ganze 48.750 Euro über. Dies reiche zur Bedarfsdeckung aus, so das LSG.

55.600 Euro für Mekka – in bar

Die Familie wandte hiergegen ein, dass sie die gesamten 65.250 Euro schon ausgegeben habe – und zwar bestimmungsgemäß. Die Reise nach Mekka habe die Familie 55.600 Euro gekostet. Darin enthalten seien neben den Aufwendungen für Flug, Schiff, Übernachtung und Verpflegung auch die Kosten für einen religiösen Guide, der sie begleitet habe. Belegen konnte die Familie dies aber nicht. Alles sei, wie es der Üblichkeit entspreche, in bar ohne Quittung bezahlt worden.

Für weitere 7.000 Euro habe sich die Mutter die Zähne machen lassen, weitere 3.000 Euro seien für die Tilgung von Schulden draufgegangen und einen Betrag will die Familie sogar gespendet haben – alles in Absprache mit der bereits verstorbenen Nachbarin.

Ganz so überzeugt war das LSG hiervon allerdings nicht. Die von den Klägern vorgetragene Behauptung, insgesamt rund 55.600 Euro für die Reise nach Mekka ausgegeben zu haben, sei weder belegt, noch entspreche es der Lebenserfahrung, eine Flugreise mit Kosten von mehr als 5.000 Euro in bar zu bezahlen, so das Gericht. Auch fehlten jegliche Angaben zum Zeitpunkt der Reise, die neben Flugtickets und Belegen über Hotelübernachtungen zum Beispiel auch durch Ein- und Ausreisestempel im Reisepass belegbar wären.

Die Revision hat das LSG nicht zugelassen. Vor dem Bundessozialgericht (BSG) kann die Familie aber noch auf die Zulassung der Revision hoffen.

xp/LTO-Redaktion

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Teure Reise nach Mekka: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54430 (abgerufen am: 13.06.2025 )

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