Die Bezeichnung des früheren Berliner Finanzsenators und eines Unternehmers als "ziemlich beste Freunde" stellt keine Tatsachenbehauptung dar, so das BVerfG. Die Verurteilung des Tagesspiegel zur Gegendarstellung verletzte die Pressefreiheit.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verurteilung des Tagesspiegels zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung im Streit mit dem früheren Berliner Finanzsenators Ulrich Nußbaum als verfassungswidrig erklärt. Die Zeitung sei dadurch in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit verletzt. Das geht aus einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss hervor (Beschl. v. 21.12.2016, Az. 1 BvR 1081/15).
Die Berliner Tageszeitung hatte im Januar 2015 über die Verkaufsbemühungen des Landes um einen seit Jahrzehnten leer stehenden Gebäudekomplex berichtet. Während der 34-geschossige Turm, der sog. Steglitzer Kreisel, Landeseigentum ist, befindet sich der Sockel mit Geschäften und einem Parkhaus im Eigentum eines Unternehmens. Der Tagesspiegel hatte spekuliert, dass sich der Verkauf wegen des angespannten Verhältnisses zwischen dem damaligen Berliner Finanzsenators und dem Chef dieses Unternehmens in die Länge ziehe. Nach der Zeitung sollen die beiden ehemals "ziemlich beste Freunde" gewesen sein, ihre Beziehung habe sich jedoch zu einer "herzlichen Abneigung" entwickelt.
Unter anderem gegen diese Äußerungen wehrte Ex-Senator Nußbaum sich vor dem Landgericht (LG) Berlin, das den Tagesspiegel zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung verurteilte. Das Kammergericht bestätigte die Entscheidung später.
BVerfG: "Ziemlich beste Freunde" ironische Meinungsäußerung
Diese Entscheidungen hoben die Karlsruher Richter nun auf. Sie sahen den Tagespiegel dadurch in seinem Recht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verletzt.
Die Äußerungen seien bereits keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Es handele sich vielmehr um ironische Meinungsäußerungen. Die Äußerungen enthielten zwar indirekt die Tatsachenbehauptung, dass sich die Parteien längere Zeit kennten, der Aussageschwerpunkt liege aber in der subjektiv geprägten Deutung ihres Verhältnisses.
Auch liege keine verdeckte Tatsachenbehauptung vor. Die an den Titel eines Films angelehnte Formulierung "ziemlich beste Freunde" und die Aussage, der Senator und der Investor seien "dicke" gewesen, enthielten keine eindeutige Sachaussage der Verfasser. Es sei offen, ob diese eine persönliche Beziehung meinten, oder ob sich die Aussage auf die geschäftliche Verbindung bezieht.
mgö/LTO-Redaktion
Streit um den Steglitzer Kreisel in Berlin: . In: Legal Tribune Online, 23.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22194 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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