Journalist Ahmet Sik festgenommen: Autorin Asli Erdogan aus U-Haft ent­lassen

29.12.2016

Die türkische Autorin Asli Erdogan wird aus der Untersuchungshaft entlassen, ihr droht aber weiter die lebenslang Frheitsstrafe. Noch am selben Tag nimmt die Polizei den Journalisten Ahmet Sik fest.

Im Prozess gegen die türkische Autorin Asli Erdogan hat ein Gericht die Entlassung der Angeklagten und von zwei weiteren Beschuldigten aus der Untersuchungshaft angeordnet. Gegen sie wurde am ersten Verhandlungstag eine Ausreisesperre verhängt. Ein weiterer Angeklagter bleibt nach dem Beschluss des Gerichts in Istanbul am Donnerstag in Untersuchungshaft. Den insgesamt neun Angeklagten wird unter anderem Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Ihnen droht lebenslange Haft. Die Organisation Human Rights Watch wirft der Türkei wegen des Prozesses ein "Missbrauch des Strafrechts auf Kosten der freien Meinungsäußerung" vor.

Hintergrund ist die Tätigkeit der Beschuldigten für die inzwischen geschlossene prokurdische Zeitung Özgür Gündem. Die türkischen Behörden sehen das Blatt als Sprachrohr der PKK. Asli Erdogan hatte unter anderem Kolumnen für die Zeitung geschrieben und saß in einem vor allem symbolischen Beratungsgremium des Blattes. Im August war die 1967 in Istanbul geborene, international bekannte Autorin bei einer Razzia gegen Özgür Gündem festgenommen worden. Der Prozess, bei dem der Andrang am Gerichtsgebäude am Donnerstag so groß war, dass der Richter nur einem Teil der Beobachter Zugang zur Verhandlung gewährte, soll am 2. Januar fortgesetzt werden.

Der prominente Autor und regierungskritische Journalist Ahmet Sik wurde am Donnerstag in Istanbul ebenfalls unter Terrorverdacht festgenommen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, Sik werde PKK-Propaganda und Beleidigung von Staatsorganen vorgeworfen. Grundlage seien Artikel in der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet und Twitter-Nachrichten Siks.

Oppostionspolitierk: Türkei ist "Hölle für Journalisten"

Baris Yarkadas, Abgeordneter der Oppositionspartei CHP, sagte, Sik sei für die ersten fünf Tage im Polizeigewahrsam der Kontakt zu einem Anwalt untersagt worden. Yarkadas hatte zuvor nach eigenen Angaben mit Sik gesprochen. Nach den derzeit geltenden Notstandsdekreten kann Festgenommenen fünf Tage lang der Kontakt zum Anwalt verboten werden. Sie können bis zu 30 Tage lang festgehalten werden, bevor sie einem Haftrichter vorgeführt werden müssen.

Sik gehört zu den prominentesten Kritikern der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Staatschef Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch Mitte Juli verantwortlich macht. Siks Buch "Die Armee des Imam" wurde 2011 noch vor der Veröffentlichung verboten, er selber saß ein Jahr in Untersuchungshaft. Sik kritisiert aber auch die jahrelange Förderung Gülens durch die Regierungspartei AKP und vor allem durch Erdogan bis zum öffentlichen Bruch 2013.

Den Prozess gegen Asli Erdogan und die anderen Angeklagten bezeichnete Yarkadas als "Skandal". Der Fall hätte nie vor Gericht gebracht werden dürfen, sagte er. "Die Türkei ist vollständig zur Hölle für Journalisten geworden."

 

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Journalist Ahmet Sik festgenommen: . In: Legal Tribune Online, 29.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21619 (abgerufen am: 05.12.2024 )

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