Der Streit um das nächtliche Verweilverbot am Brüsseler Platz in Köln geht weiter: Das Verwaltungsgericht Köln hat im Eilverfahren entschieden, dass die Allgemeinverfügung voraussichtlich rechtswidrig ist.
Sommerabend, Kölner Altbaukulisse, ein paar Leute sitzen plaudernd auf dem Brüsseler Platz – klingt harmlos, war der Stadt Köln aber offenbar zu laut. Um die Anwohner zu schützen, verhängte sie kurzerhand ein nächtliches Verweilverbot: Freitage, Samstage und Feiertagsnächte zwischen 22 Uhr und 6 Uhr sollte niemand mehr auf dem Platz oder angrenzenden Straßen verweilen dürfen. Selbst ein stilles Dastehen war untersagt.
Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat diese Maßnahme nun im Eilverfahren vorerst kassiert – allerdings nur für diejenigen, die dagegen geklagt haben. Alle anderen bleiben (vorerst) vom Verbot betroffen (Beschl. v. 23.04.2025, Az. 9 L 404/25, 9 L 598/25, 9 L 686/25).
Die Stadt, der Platz und der Lärm
Der Brüsseler Platz liegt im trendigen Belgischen Viertel in Köln, das vor allem für seine Cafés, Bars und eine lebendige, pulsierende Atmosphäre bekannt ist. Besonders an den Wochenenden strömen dort zahlreiche Menschen hin, was die Anwohner zunehmend als problematisch empfanden. Denn immer wieder kam es zu nächtlichen Lärmbelästigungen, die im Laufe der Jahre ein ernstes Thema für die Bewohner des Viertels wurden.
Im Jahr 2023 stellte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen fest, dass die nächtliche Lärmbelastung rund um den Brüsseler Platz eine Gesundheitsgefahr darstellen könne. In seiner Entscheidung führte das OVG an, dass die Stadt Köln Maßnahmen ergreifen müsse, um den Lärm zu mindern und die Nachtruhe zu gewährleisten. Auf dieser Grundlage verhängte die Stadt Köln im Februar 2025 eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), die es untersagte, sich vom 7. Februar bis zum 31. Juli 2025 zwischen 22 und 6 Uhr auf dem Brüsseler Platz und den angrenzenden Straßen aufzuhalten – auch dann, wenn man lediglich still dasteht oder in kleinen Gruppen spricht.
Zur Begründung führte die Stadt Lärmmessungen an, die belegt hätten, dass selbst normale Gespräche mit mehreren Personen ausreichen könnten, um die zulässigen Grenzwerte zu überschreiten.
VG Köln: Verweilverbot ist nicht das mildeste Mittel
Gegen die Allgemeinverfügung klagten mehrere Anwohner und eine Gaststättenbetreiberin aus dem Viertel. Das VG Köln gab ihnen nun in einer vorläufigen Entscheidung recht: Das Verbot sei voraussichtlich rechtswidrig. Zentrale Kritik des Gerichts: Die Stadt habe nicht ausreichend geprüft, ob weniger einschneidende Maßnahmen ebenfalls zur Lärmreduzierung führen könnten.
Bereits das OVG NRW hatte 2023 auf Grundlage früherer Lärmmessungen – unter anderem aus dem Juli 2022 – betont, dass der nächtliche Lärm nicht durch bloßes Verweilen oder leise Unterhaltungen entstehe, sondern überwiegend durch punktuelle Pegelausschläge: lautes Rufen, Schreien oder das Klirren von Glasflaschen. Das VG Köln stellte nun klar, dass auch die von der Stadt vorgelegten neueren Messungen aus dem Jahr 2024 keine Angaben zur Lärmquelle enthalten und daher ebenfalls nicht belegen, dass bereits normale Gespräche Grenzwerte überschreiten würden. Vielmehr deute alles darauf hin, dass es sich weiterhin um vereinzelte Ausreißer handelt – nicht um eine gleichbleibende Überlastung durch bloße Anwesenheit.
Vor diesem Hintergrund sei das erlassene Verweilverbot unverhältnismäßig. Die Stadt habe mildere Mittel wie ein Alkoholverbot ohne hinreichende Prognose verworfen. Nach Auffassung der Kammer könne bereits ein solches, streng überwachtes Verbot die Attraktivität des Brüsseler Platzes für die sogenannte "Partyszene" so weit senken, dass mit relevanten Ruhestörungen nicht mehr zu rechnen sei. Erst wenn sich zeige, dass ein Alkoholverbot samt flankierender Maßnahmen nicht ausreiche, könne über ein Verweilverbot überhaupt ernsthaft nachgedacht werden, so das VG.
Und jetzt? Zwischenstand im Eilverfahren – Hauptsache folgt
Die Entscheidung des VG Köln ist nicht endgültig, da sie im Rahmen eines sogenannten Eilverfahrens (§ 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) erging. In einem solchen Verfahren prüft das Gericht nicht die endgültige Rechtmäßigkeit der Maßnahme, sondern lediglich, ob sie vorläufig durchgesetzt werden kann. Das bedeutet, dass das Gericht nicht abschließend entschieden hat, ob das Verweilverbot insgesamt rechtmäßig ist.
Für die Kläger, die gegen das Verbot geklagt haben, bedeutet das allerdings, dass sie sich vorerst nicht an das Verbot halten müssen. Für alle anderen bleibt das nächtliche Verweilverbot bis auf Weiteres bestehen – es sei denn, die Stadt Köln hebt die Verfügung auf.
xp/LTO-Redaktion
Nur gucken, nicht bleiben: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57058 (abgerufen am: 22.05.2025 )
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