OLG Zweibrücken klärt Erbschaftsstreit: Oma war rei­cher als gedacht

10.12.2024

Schulden möchte niemand erben, ein Erbe kann man deshalb ausschlagen. Doch was, wenn sich später herausstellt, dass es statt Schulden viel Geld zu erben gab? Das OLG Zweibrücken entschied nun: Für eine Anfechtung ist relevant, warum man irrt.

Bei der Ausschlagung einer Erbschaft sollte man aufpassen: Ein rechtlich beachtlicher Irrtum, weswegen man die Ausschlagung nachträglich anfechten kann, liegt nur vor, wenn man über die Zusammensetzung des Nachlasses irrt. Wer nur über den Wert des Erbes irrt, also zum Beispiel glaubt, dass es nur Schulden zu erben gebe, kann die Ausschlagung eines Nachlasses nicht nachträglich anfechten. Das hat das Pfälzische Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken klargestellt (Beschl. v. 14.08.2024, Az. 8 W 102/23).

Die Erblasserin in diesem Fall war im stolzen Alter von 106 Jahren verstorben, ein Testament hinterließ sie nicht. Sie hatte zuletzt in einem Seniorenheim gelebt. Die Kosten zahlte die Kriegsopferfürsorgestelle, wobei die Leistungen als Darlehen gewährt wurden und durch eine Grundschuld am Haus der Frau abgesichert wurden. Die Frau überlebte ihren Ehemann, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind. Weitere Enkel- und Urenkelkinder waren nunmehr die gesetzlichen Erben.

Eine Enkelin schlug das Erbe gemäß §§ 1942 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus und gab dabei an, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei der Urenkel schlugen das Erbe dagegen nicht aus. Dann passierte etwas, was das ausschlagende Enkelkind sehr ärgerte: Das Haus der verstorbenen Oma wurde in der Folge verkauft. Der Erlös war so enorm, dass noch eine Menge Geld übrig blieb, nachdem das Darlehen der Kriegsopferfürsorgestelle beglichen worden war. Außerdem tauchte im Nachhinein noch ein Sparkonto der verstorbenen Oma auf, das ein vierstelliges Guthaben aufwies. 

So blieb nach dem Tod der Oma noch ein nettes Sümmchen übrig, obwohl die Enkelin dachte, dass es nur Schulden erben würde. Daraufhin erklärte das Enkelkind, welches das Erbe ausgeschlagen hatte, die Irrtumsanfechtung gemäß §§ 1954, 1955, 1957 BGB. Es stellte zugleich einen Antrag auf Erbscheinserteilung, wonach es als Erbin zu einem Viertel-Anteil ausgewiesen werden sollte.

Enkelin ist gar nicht Erbin geworden

Das Nachlassgericht hatte entschieden, dass die Enkelin das Ausschlagen des Erbes wirksam angefochten habe. Wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung sei der Erbschein wie von ihr beantragt zu erteilen. Gegen diesen Beschluss wendete sich dann aber einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Mit seiner Beschwerde hatte er nun Erfolg: Das OLG Zweibrücken entschied, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin, die das Erbe zunächst ausgeschlagen hatte, zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe.

Das OLG kommt zu dem Ergebnis, dass die Enkelin gar nicht Erbin geworden sei. Sie habe die Erbschaft wirksam ausgeschlagen und diese Ausschlagungserklärung später nicht wegen Irrtums wirksam anfechten können. Zwar bestand laut OLG ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses. So sei der Enkelin erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto mit einem vierstelligen Guthaben gehörte. Das sei aber nicht Grund für ihre Anfechtung gewesen, so der 8. Zivilsenat. Denn selbst wenn ihr das Konto bekannt gewesen wäre, so der Senat weiter, "hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabensbetrages gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert". Mit anderen Worten: Die Enkelin, die dachte, sie würde einen großen Haufen Schulden erben, hätte laut OLG das Erbe auch dann nicht angetreten, wenn sie von dem Sparkonto der Oma mit ein paar Tausend Euro gewusst hätte.

Die Enkelin berief sich weiter darauf, sie habe nicht ahnen können, dass der Erlös aus dem Hausverkauf genug Geld hergeben würde, um das Darlehen der Kriegsopferfürsorge zu begleichen. Dieser Irrtum beruht nach der Entscheidung des OLG allerdings lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung. Und wer nicht über die Zusammensetzung, sondern "nur" den Wert des Erbes irrt, könne nicht wirksam anfechten.

Im Ergebnis geht die Enkelin damit leer aus.

jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Zweibrücken klärt Erbschaftsstreit: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56071 (abgerufen am: 20.01.2025 )

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