LAG muss erneut entscheiden: Streit um Ver­gü­tung von VW-Betriebs­räten geht weiter

20.03.2025

Seit Jahren sorgt die Höhe der Betriebsratsvergütungen im Volkswagen-Konzern für Verfahren vor den Arbeits- und Strafgerichten. Nun hat das Bundesarbeitsgericht erstmals entschieden. Der Fall geht damit zurück zur Vorinstanz.

Im Streit um gekürzte Vergütungen für freigestellte Betriebsräte im Volkswagen-Konzern hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem Unternehmen eine Beweispflicht auferlegt. Korrigiere ein Arbeitgeber eine vorgenommene Anhebung der Betriebsratsvergütungen wieder nach unten, habe er "darzulegen und zu beweisen, dass die Vergütungserhöhung fehlerhaft war", so die Senatsvorsitzende Kristina Schmidt am Mittwoch. In mehreren Verfahren hatte VW mit seinen Revisionen zumindest teilweise Erfolg, das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen muss jetzt erneut entscheiden (Urt. v. 20.03.2025, Az. 7 AZR 46/24, 7 AZR 159/24, 7 AZR 179/24, 7 AZR 181/24).

Der klagende Mann im Verfahren 7 AZR 46/24 ist seit über 40 Jahren bei VW beschäftigt und seit 2002 Mitglied des Betriebsrats. Seitdem gruppierte VW ihn zunächst unter Bezugnahme auf § 37 Abs. 4 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) mehrfach in höhere tarifvertragliche Entgeltstufen ein, zuletzt zum Jahresbeginn 2015 in die Stufe ES 20.

Einige Jahre vergingen, bis ein Urteil des Bundesgerichtshofs bei VW zu internen Überprüfungen der Vergütungen führte. Der 6. Strafsenat hatte Anfang 2023 Freisprüche für vier frühere VW-Personalmanager aufgehoben, denen vorgeworfen worden war, Betriebsräten zu hohe Gehälter bewilligt zu haben (Untreue, § 266 Strafgesetzbuch (StGB)). Damit hatte der BGH entgegen der Rechtsprechung des BAG entschieden, der Auffassung ist, dass einmal erhöhte Gehälter nicht einfach wieder gekürzt werden dürfen. VW kürzte trotzdem mehreren Betriebsräten die Gehälter, Dutzende zogen zur Klärung der Rechtslage vor die Arbeitsgerichte. Nach Angaben des Konzernbetriebsrates gingen bis auf lediglich vereinzelte Verfahren bisher alle Entscheidungen zugunsten der Betriebsräte aus.

Gesetzgeber änderte Vergütungsregeln, Strafverfahren laufen noch

Die Revisionen von VW – in diesem Verfahren von der Kanzlei Arqis (Düsseldorf) vertreten – waren nun teilweise erfolgreich, das BAG hob die Urteile teilweise auf. 

Anders als das LAG noch entschieden hatte, liegt die Beweis- und Darlegungslast für einen Anpassungsanspruch des Gehalts nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG laut BAG nicht beim Betriebsrat, sondern bei VW als Arbeitgeber. "Erst wenn die Beklagte die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsanpassung darzulegen und ggf. zu beweisen vermag, wird das Landesarbeitsgericht über die Zahlungsanträge aufgrund des hilfsweise erhobenen Anspruchs des Klägers infolge des Verbots einer Benachteiligung bei seiner beruflichen Entwicklung zu befinden haben", so das BAG. Zu klären sein wird dann auch, ob das Betriebsratsmitglied einen "fiktiven Beförderungsanspruch" gemäß § 78 S. 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat.

Ein Sprecher des Konzernbetriebsrates sagte nach der Urteilsverkündung, die mündliche Begründung des BAG lasse hoffen, dass endlich ein Schlusspunkt hinter die jahrelange Unsicherheit beim Thema Betriebsratsvergütung gesetzt werden könne – 98 Prozent der Betriebsratsmitglieder in der Volkswagen AG würden tariflich vergütet. "Die Volkswagen AG begrüßt, dass durch diese Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ein erster wichtiger Beitrag für die Klärung einer Vielzahl grundsätzlicher, bislang nicht durch das Bundesarbeitsgericht entschiedener Rechtsfragen in diesem komplexen Rechtsgebiet geleistet wird", erklärte eine Unternehmenssprecherin.

Für den klagenden Betriebsrat, der von Dr. Peter Abramowski und Dr. Oliver Nowak (Braunschweig) vertreten wird, geht es konkret um eine Gehaltskürzung von 639 Euro brutto monatlich. Eine abschließende höchstrichterliche Klärung in der Sache, die auch über den Fall VW hinaus mit Spannung erwartet wird, blieb mit der BAG-Entscheidung vom Mittwoch jedoch vorerst aus.

Zwischenzeitlich hat der Bund die Regeln für die Vergütung freigestellter Betriebsräte geändert und um klarstellende Regelungen ergänzt. Damit sollte laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Unsicherheit beseitigt werden, die nach dem BGH-Urteil entstanden war. Auch die Union lobte die Gesetzesänderung seinerzeit. Gleichwohl läuft gegen den Ex-VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh noch ein Strafverfahren wegen möglicherweise überhöhter Betriebsratsvergütungen.

jb/LTO-Redaktion 

mit Materialien der dpa

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

LAG muss erneut entscheiden: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56832 (abgerufen am: 19.04.2025 )

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