Nach der herrschenden Meinung sind behördliche Antworten auf Presseanfragen bloße Realakte. Ein OVG sieht das nun anders mit praxisrelevanten Folgen. Einige Stimmen sehen darin einen Angriff auf die Pressefreiheit. Zu Recht?
Prüfen Behörden einen presserechtlichen Auskunftsanspruch und lehnen ihn ab, liegt hierin ein Verwaltungsakt und kein bloßer Realakt. Das hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG) entschieden – entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht und herrschenden Literatur (Beschl. v. 17.10.2025, Az. 6 MB 28/25). Wird es damit für Journalisten und Medien schwieriger, Auskünfte gegen Behörden einzuklagen? Und überzeugt die Entscheidung des OVG dogmatisch?
Ausgangspunkt für den Beschluss ist eine Anfrage der Bild-Zeitung. Zu einem sexualstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren stellte die Zeitung konkrete Fragen an die Staatsanwaltschaft Flensburg und erbat presserechtliche Auskunft zu dem Verfahren. Die Beantwortung wurde jedoch seitens der Staatsanwaltschaft abgelehnt.
Dagegen ging die Zeitung bzw. die Axel Springer Deutschland GmbH, anwaltlich vertreten von der Berliner Kanzlei Partsch & Partner, gerichtlich vor und verklagte das Land Schleswig-Holstein. Das OVG entschied nun: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – mit dem die Staatsanwaltschaft im Eilverfahren zur Beantwortung verpflichtet würde – ist schon unzulässig.
Denn bei der Entscheidung über die Presseauskunft handele es sich um einen Verwaltungsakt, daher wäre in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren die Verpflichtungsklage die richtige Klageart. Dies führt nach den verwaltungsrechtlichen Vorschriften des Landes Schleswig-Holstein im Ergebnis dazu, dass nicht das Land, sondern die Staatsanwaltschaft direkt hätte verklagt werden müssen (§ 69 Abs. 2 Landesjustizgesetz (LJG)).
Im Grundsatz gilt: Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Klage im Hauptsacheverfahren gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, zu richten. Für die Leistungsklage ist dies zwar nicht direkt normiert. Es gilt aber nach dem Rechtsträgerprinzip das Gleiche.
Allerdings eröffnen die §§ 78 Abs. 1 Nr. 2, § 61 Nr. 3 VwGO den Ländern die Möglichkeit, zu bestimmen, dass speziell die Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nicht gegen das Land als Rechtsträger, sondern gegen diejenige Behörde zu richten ist, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Diese Vorschrift findet auf die allgemeine Leistungsklage keine entsprechende Anwendung. Bei solchen muss also auf jeden Fall das Land verklagt werden.
Das Land Schleswig-Holstein hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Es bestimmt in § 69 Abs. 2 LJG, dass Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gegen die Landesbehörde zu richten sind, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, im konkreten Fall die Staatsanwaltschaft. Geht es in einem Eilverfahren nach § 123 VwGO um einen Verwaltungsakt, gilt die Vorschrift entsprechend.
In der Praxis heißt das also: Man kann einen Prozess allein deswegen verlieren, weil man sich darüber geirrt hat, dass ein oder kein Verwaltungsakt vorliegt oder begehrt wird und entsprechend die falsche Rechtsperson verklagt hat.
Mit der Einordnung als Verwaltungsakt widerspricht das OVG der herrschenden Meinung, die eine Presseauskunft stets als bloßen Realakt, also schlicht hoheitliches Handeln einstuft (so wie Warnungen, Straßenreinigung) und keinen der Auskunft vorgelagerten Verwaltungsakt annimmt. Ein Verwaltungsakt ist im Gegensatz zum Realakt auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet, er begründet, ändert Rechte oder Pflichten oder hebt sie auf oder stellt sie fest (z.B. Baugenehmigung, Steuerbescheid).
Hoheitliche Maßnahme:
Der Verwaltungsakt setzt einseitiges Handeln im Über-/Unterordnungsverhältnis voraus; erfolgt das Handeln hingegen privatrechtlich und auf Augenhöhe, liegt ein Verwaltungsprivatrechtsgeschäft und damit kein Verwaltungsakt vor.
Behörde:
Die Entscheidung muss von einer Behörde im funktionellen Sinne ausgehen; fehlt diese Qualität und handelt die Verwaltung wie ein Privater, so ist das Ergebnis kein Verwaltungsakt, sondern schlichtes privatrechtliches Handeln.
Öffentlich-rechtliche Grundlage:
Der Verwaltungsakt muss auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ergehen; geschieht dies auf Grundlage des Privatrechts, ist der Zivilrechtsweg eröffnet und ein Verwaltungsakt scheidet aus.
Regelung:
Der Verwaltungsakt muss unmittelbar Rechte oder Pflichten begründen, ändern, aufheben oder verbindlich feststellen; fehlt diese Rechtsfolgenrichtung und handelt es sich nur um tatsächliches Verwaltungshandeln, liegt ein Realakt vor.
Einzelfall:
Die Maßnahme muss einen konkreten Lebenssachverhalt und bestimmte Betroffene betreffen; bei abstrakt-generellen Regelungen entsteht hingegen Rechtsnormcharakter (Verordnungen, Satzungen), nicht aber ein Verwaltungsakt.
Außenwirkung:
Der Verwaltungsakt muss nach außen, also gegenüber Rechtsträgern außerhalb der Verwaltung wirken; bleibt die Wirkung ausschließlich verwaltungsintern, handelt es sich um eine innerdienstliche Maßnahme, nicht um einen Verwaltungsakt.
Gravierende Folgen für die Pressefreiheit?
Der Vertreter von Axel-Springer Christoph Partsch sieht in der Einordnung der Auskunftsentscheidung als Verwaltungsakt eine gravierende Einschränkung der Pressefreiheit. Die zu Axel Springer gehörende Zeitung “Welt” titelt entsprechend: “Dieser Gerichtsbeschluss bedroht die Pressefreiheit”. Doch ist das so? Richtig ist, dass Axel Springer nun einen erneuten Anlauf nehmen und die Staatsanwaltschaft verklagen muss. Bei der nächsten Frage wüsste man im Verlag allerdings Bescheid und könnte direkt die Staatsanwaltschaft in Anspruch nehmen. Aber es geht um strukturelle Fragen:
Die Einordnung der Auskunftsentscheidung als Verwaltungsakt führt dazu, dass bei Auskunftsverweigerung im Hauptsacheverfahren regelmäßig ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist (§ 68 Abs. 1, Abs. 2 VwGO) und danach eine Verpflichtungsklage zu erheben ist (§ 74 Abs. 2 VwGO). Andernfalls wird die Auskunftsverweigerung bestandskräftig, kann also nicht mehr angefochten werden. Aus praktischer Sicht führt dies zu mehr Zeitaufwand und mehr Kosten für Journalisten und die Gefahr, dass bei zu langem Abwarten gar nicht mehr auf Auskunft geklagt werden kann.
Schaut man sich die Sache aber näher an, liegt jedenfalls eine massive Beschränkung der Pressefreiheit nicht nah. In der presserechtlichen Praxis können die allermeisten Rechtsstreitigkeiten im Eilverfahren entschieden werden. Dies kann weiter sofort nach § 123 VwGO angestrengt werden, also ohne ein Widerspruchsverfahren abzuwarten, wie das OVG hervorhebt. Es droht hier also keine zeitliche Verzögerung.
Wenn mangels gesteigertem öffentlichen Interesse und starkem Gegenwartsbezug gar kein Eilverfahren möglich ist, besteht allerdings noch eine zusätzliche Hürde. Reagiert eine Behörde gar nicht, ist eine Untätigkeitsklage zu erheben. Doch dafür verlangt § 75 VwGO prinzipiell drei Monate Zeitablauf. Doch das OVG verweist darauf, dass diese Drei-Monats-Frist wegen “besonderer Umstände” kürzer ausfallen kann und argumentiert, dass die Pressefreiheit kürzere Fristen ermögliche. Axel-Springer-Anwalt Christoph Partsch kann das aus seiner Praxis nicht nachvollziehen. Das Gegenteil sei der Fall, teils würden sogar längere Fristen verlangt. Er macht darauf aufmerksam, dass eine Behörde so den Beginn eines Gerichtsverfahren sogar um sechs Monate verzögern könne, wenn sie genau nach drei Monaten die Auskunft verweigert und dann weitere drei Monate abwartet, bis sie den Widerspruchsbescheid erlässt. Dies wäre fraglos eine erhebliche Verzögerung. Allerdings betrifft diese eben nur Verfahren, die per se ohnehin nicht als eilbedürftig eingestuft werden.
Schoch: Begründungserfordernis ist gut für Presse
Deutschlands führender Informationsrechtler Prof. Dr. Friedrich Schoch sieht im Gespräch mit LTO auch einen Vorteil, wenn die Behörde mit Verwaltungsakt entscheidet. Sie müsse ihre Entscheidung dann begründen (§ 39 VwVfG) und die Journalisten darüber aufklären, dass Rechtsbehelf (§ 37 Abs. 6 VwVfG) eingelegt werden können. Damit erhielten die Journalisten Rechtssicherheit und würden schriftlich fixierte Gründe für die Ablehnung der Auskunft erhalten.
Im Ergebnis schränkt der Beschluss des OVG die Pressefreiheit kaum ein. Er macht es formell etwas komplexer Auskünfte einzuklagen, die Rechtsschutzmöglichkeiten im Eilverfahren bleiben die gleichen. Im Regelfall der Auskunftsklage im Eilverfahren droht keine Verzögerung. Was für Journalisten und Medien allerdings nervig bleibt und Kosten verursacht, ist die Notwendigkeit ein paralleles Hauptsacheverfahren zu führen, um die Bestandskraft des Bescheids über die Auskunftsverweigerung zu verhindern. Dies als Bedrohung der Pressefreiheit zu brandmarken, ist etwas übertrieben. Warum Journalisten im Gegensatz zu Bürgern, die Eilrechtsschutz suchen, ein paralleles Hauptsacheverfahren prinzipiell erspart werden muss, ist nicht ersichtlich. Regelmäßig wird sich diese ohnehin mit der Entscheidung im Eilverfahren erledigen.
Viel problematischer ist, dass Verwaltungsgerichte auch in presserechtlichen Eilsachen in aller Regel viel zu lange brauchen, um überhaupt eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Presserechtliche Eilverfahren im Verwaltungsrecht dauern oft länger als Hauptsacheverfahren im Zivilrecht. Wenn nach Monaten Verfahrensdauer eine Auskunft erteilt wird, liegt die öffentliche Aufmerksamkeit oft längst bei einem anderen Thema. Hier muss dringend flächendeckend umgedacht werden.
Und die Dogmatik?
Bleibt noch die für Juristen interessante Frage, ob die Einordnung der Auskunftsentscheidung als Verwaltungsakt der Sache nach überzeugt. Das OVG begründet sie damit, dass die Auskunftsverweigerung der Staatsanwaltschaft im konkreten Fall eine vorherige Abwägung und Prüfung von § 4 Landespressegesetz (LPressG) erfordert und erkennen lässt – also der Vorschrift, die den Auskunftsanspruch auf Landesebene regelt. Die Auskunft selbst sei zwar ein Realakt, die vorgelagerte Einzelfallentscheidung aber ein Verwaltungsakt. Zwischen Presse und Staat läge auch kein “Gleichrangverhältnis”, sondern im konkreten Fall ein Über- und Unterordnungsverhältnis. Die Presse sei nicht Teil des Staates. Vielmehr appelliere sie mit ihrem Auskunftsbegehren an die staatliche Pflicht, die Wahrnehmung der Pressefreiheit zu gewährleisten, also Auskünfte zu erteilen.
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass bei einer verweigerten Auskunft einer Bundesbehörde die allgemeine Leistungsklage einschlägig ist, das heißt, das oberste deutsche Verwaltungsgericht geht gerade nicht von einem der Auskunft vorgelagerten Verwaltungsakt aus, sondern bloßem hoheitlichen Handeln (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 6 A 2.12, Rn. 15). Das OVG geht ausführlich auf die Rechtsprechung ein. Es kritisiert, dass das BVerwG für diese Ansicht keine rechtsdogmatische Begründung liefere. Allerdings widerspricht es dem BVerwG nicht, sondern sieht einen Unterschied darin, dass das BVerwG den Auskunftsanspruch gerade nicht auf eine Norm stützen könne.
Denn es gibt kein Bundespressegesetz und damit auch keine gesetzliche Regelung, die Auskünfte gegen Bundesbehörden regelt. Das BVerwG leitet den Auskunftsanspruch gegen Bundesbehörden unmittelbar aus der Pressefreiheit im Grundgesetz ab. Da die Bundesbehörden über das Auskunftsersuchen nicht anhand eines förmlichen Gesetzes entschieden, könne die Auskunft als schlichtes Hoheitshandeln behandelt werden, so das OVG. Bei Auskunftsersuchen gegen Landesbehörden gebe es aber eine gesetzliche Vorschrift mit ausführlichem Prüfprogramm. Die hierauf basierende Entscheidung, ob eine Auskunft erteilt werde, sei daher ein Verwaltungsakt.
Wahlfreiheit der Behörde
Der formelle Unterschied einer fehlenden ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage macht also für das OVG den entscheidenden Unterschied zwischen Realakt und Verwaltungsakt. Eine fragliche Abgrenzung, weil ja auch Bundesbehörden vorab prüfen müssen, ob die Auskunft erteilt werden kann oder muss. Hierbei gelten fast identische Maßstäbe, wie sie in den Landespressegesetzen ausdrücklich normiert sind.
Informationsrechtler Schoch überzeugt daher diese des OVG nicht, gibt ihm aber im Ergebnis recht. Er verweist auf den Grundsatz der Formenwahlfreiheit im Verwaltungsrecht. Wenn eine Behörde etwa eine einfache Presseanfrage sofort beantworte, handele es sich um einen Realakt. Wenn wie im Streitfall allerdings nach ausführlicher Prüfung durch Regelung entschieden wird, liege ein Verwaltungsakt vor. Diese Differenzierung hätte das OVG klarer machen müssen, so Schoch.
Das OVG argumentiert auch mit dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Dieses ermöglicht nicht nur der Presse, sondern jedem Bürger Auskünfte und Dokumente von Behörden zu verlangen. Im IFG ist ausdrücklich geregelt, dass Widerspruch und Verpflichtungsklage einschlägige Rechtsbehelfe gegen eine Auskunftsverweigerung sind. Nach Auffassung des OVG, geht damit auch das IFG von einem der Auskunft vorgelagerten Verwaltungsakt aus. Es sei nicht erkennbar, warum eine Presseauskunft eine andere Rechtsnatur haben sollte, als eine allgemeine Bürgerauskunft. Auch hier greift das OVG dogmatisch nach Auffassung von Schoch zu kurz, weil es auch nach dem IFG Realtakte gebe, gegen die man sich mit der Leistungsklage und nicht mit der Verpflichtungklage wehre.
Die Entscheidung des OVG ist also im konkreten Fall gut begründbar, auch wenn man sich gewünscht hätte, dass das OVG klarstellt, dass eine kurze Ja-Nein-Antwort eines Pressesprechers auf eine einfache Frage, noch kein Verwaltungsakt ist. Ob das OVG auch andere Gerichte und auch das BVerwG von seiner Argumentation überzeugen kann, bleibt abzuwarten.
Entscheidung über Presseauskunft soll Verwaltungsakt sein: . In: Legal Tribune Online, 27.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58449 (abgerufen am: 07.11.2025 )
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