VG Köln verneint Einladung in TV-Wahlsendung: Sahra Wagenknecht nicht in der ARD-"Wahla­rena"

06.02.2025

Das VG Köln hat entschieden, dass BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht nicht zur ARD-"Wahlarena" zur Bundestagswahl 2025 eingeladen werden musste. Das spezielle Format dürfe der Sender auf aussichtsreiche Kanzlerkandidaten beschränken.

Die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 rückt näher und mit ihr die ARD-Sendung "Wahlarena" (Ausstrahlung für den 17. Februar geplant), bei der sich die Spitzenkandidaten der großen Parteien den Fragen der Bürger stellen. Es ist ein deutschlandweit bekanntes Format im ersten Programm, das das politische Geschehen auf die Bühne holt. 

Doch nicht alle Kandidaten dürfen daran teilnehmen: Sahra Wagenknecht, Spitzenkandidatin des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), muss auf eine Einladung verzichten. Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat entschieden, dass das BSW keinen Anspruch auf Teilnahme an der Sendung hat. Es lehnte einen entsprechenden Eilantrag der Partei ab (Beschl. v. 05.02.2024, Az. 6 L 81/25). Der WDR als federführende Landesrundfunkanstalt der ARD hatte sich entschieden, nur die Spitzenkandidaten der vier umfragestärksten Parteien – CDU/CSU, AfD, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – einzuladen.

Chancengleichheit vs. Rundfunkfreiheit

Im Zentrum der Entscheidung stehen zwei grundrechtliche Prinzipien: die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien (Art. 21 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG). Die ARD als öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist durch die Rundfunkfreiheit vor staatlicher Einflussnahme geschützt. Sie sichert den Rundfunkanstalten außerdem die Freiheit, ihre Programme inhaltlich und personell zu gestalten. So steht es dem federführenden WDR grundsätzlich zu, die Kandidaten für die "Wahlarena" selbst zu bestimmen und nach eigenen Kriterien auszuwählen.

Jedoch gibt es für diese Rundfunkfreiheit auch Schranken, die in den Vorschriften der Verfassung und den allgemeinen Gesetzen festgelegt sind und von der ARD zu beachten sind. Denn auch wenn die ARD prinzipiell das Recht auf Programmgestaltung gemäß der Rundfunkfreiheit hat, sind die öffentlich-rechtlichen Sender im Unterschied zu privaten Medien gleichzeitig durch andere Grundrechte gebunden. Eine wichtige Schranke stellt in diesem Zusammenhang der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien dar. Dieser besagt, dass alle politischen Parteien im Wahlkampf gleich behandelt werden müssen, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Der Grundsatz der Chancengleichheit ist aber nicht absolut gewährleistet, sondern abgestuft. Das bedeutet, dass etablierte, bedeutsamere Parteien in der Regel mehr Berücksichtigung finden, kleinere Parteien jedoch nicht völlig benachteiligt werden dürfen, insbesondere nicht in wichtigen Sendungen, die eine hohe Bedeutung für die politische Meinungsbildung haben.

BSW nicht so bedeutend wie der Rest

Das VG Köln entschied nun, dass der WDR bei der Auswahl der Teilnehmer nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen habe. Der Sender hat die Einladung nach Ansicht des VG zu Recht auf die vier größten Parteien beschränkt, die in den regelmäßigen Umfragen die höchsten Stimmenanteile erwarten können. Dabei verweist das Gericht darauf, dass die "Wahlarena" eine spezielle Sendung sei, die eine zeitlich begrenzte Plattform biete, um den Bürgern eine möglichst direkte und klare Auseinandersetzung mit den relevantesten Parteien zu ermöglichen. Aufgrund der knappen Zeitressourcen, die in einer solchen Sendung zur Verfügung stehen, sei es vertretbar, dass der WDR nur die Spitzenkandidaten derjenigen Parteien einlädt, die in den Umfragen konstant zweistellige Werte erreichen – ein Auswahlkriterium, das sich nach der aktuellen politischen Realität richte, so das VG.

Dabei stellte das VG klar, dass dem BSW gegenwärtig keine den eingeladenen Parteien vergleichbare Bedeutung zukomme. Mit Blick auf die aktuellen Umfragewerte wiesen die eingeladenen Parteien eine deutlich bessere Ausgangslage auf, die es rechtfertige, überhaupt von einer Chance auf eine künftige Kanzlerschaft auszugehen, während dies bei den kleineren Parteien mit einem deutlich niedrigeren Ausgangsniveau – der FDP, der Linken und dem BSW – nicht der Fall sei, so das Gericht. "Sie kämpfen primär darum, überhaupt in den Bundestag einzuziehen und nicht darum, den nächsten Kanzler zu stellen", heißt es in der Entscheidung.

Das VG verweist außerdem darauf, dass das BSW durch die öffentlich-rechtlichen Sender nicht vollständig vom öffentlichen Diskurs ausgeschlossen wurde, da die Partei bereits in anderen Sendungen ausreichend Plattform erhalten habe, um ihre Positionen darzustellen. Laut VG wird der Anspruch auf Chancengleichheit nicht durch die Teilnahme an einer bestimmten Sendung, sondern durch die Gesamtberücksichtigung der Partei im Programmspektrum der Rundfunkanstalten gewahrt. Entsprechend habe das BSW keinen Anspruch, gezielt in die ARD-"Wahlarena" eingeladen zu werden.

Ähnlicher Fall in Süddeutschland: SWR muss BSW einladen

Während der WDR das BSW von der ARD-"Wahlarena" ausschließen darf, sieht die Sache beim Südwestrundfunk (SWR) derweil anders aus. Der SWR plant für den 12. Februar 2025 zwei regionale "Wahlarena"-Sendungen – eine in Baden-Württemberg und eine in Rheinland-Pfalz –, die zeitgleich in den jeweiligen Regionalfenstern des dritten Programms ausgestrahlt werden sollen. Ursprünglich wurden die Spitzenkandidaten von CDU, SPD, Grünen, FDP und AfD eingeladen, nicht aber die des BSW.

Das BSW sah sich durch diese Auswahl benachteiligt und zog vor Gericht. Sowohl das VG Stuttgart als auch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschieden zugunsten der Partei und wiesen die Beschwerde des SWR zurück (VGH, Beschl. v. 05.02.2025, Az. 1 S 164/25). 

In der Abwägung zwischen der Rundfunkfreiheit des SWR und dem Grundrecht des BSW auf Chancengleichheit kamen die Richter nun anders als das VG Köln zu dem Schluss, dass der Ausschluss in diesem Fall zu Unrecht erfolgt sei. Besonders kritisch betrachtete der VGH nämlich die ungleiche Behandlung von BSW und FDP: Trotz ähnlich schlechter Umfragewerte war die FDP eingeladen worden, das BSW hingegen nicht – eine Ungleichbehandlung, die die Wahlchancen des BSW erheblich verschlechtern könne, so das VGH. Da die FDP eingeladen sei, müsse der SWR auch das BSW einladen.

xp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Köln verneint Einladung in TV-Wahlsendung: . In: Legal Tribune Online, 06.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56533 (abgerufen am: 17.03.2025 )

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