LAG Rheinland-Pfalz verneint Entschädigungsanspruch nach AGG: Anwalt nicht durch Stel­len­aus­sch­rei­bung für "Berufs­ein­s­teiger" dis­kri­mi­niert

30.01.2025

Wie muss die Anforderung an Berufserfahrung in Stellenausschreibungen formuliert sein? Damit mussten sich die Arbeitsgerichte nach der Klage eines Anwalts nach dem AGG beschäftigen - er fühlte sich wegen seines Alters diskriminiert.

In der Formulierung "Du bist Berufseinsteiger oder besitzt bis ca. 6 Jahre Berufserfahrung" liegt keine Altersdiskriminierung älterer Bewerber. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz entschieden, damit ein erstinstanzliches Urteil abgeändert und die Klage folglich abgewiesen (Urt. v. 05.12.2024, Az. 5 SLa 81/24).

Konkret ging es um einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Altersdiskriminierung. Der klagende Rechtsanwalt bestand das erste Staatsexamen 1998 "vollbefriedigend" sowie zwei Jahre später das zweite Staatsexamen "befriedigend", sein Ausbildungsschwerpunkt lag dabei im Wirtschaftsrecht. 2023 bewarb er sich im Alter von 49 Jahren auf eine Stelle als "Syndikusrechtsanwalt (m/w/d) Wirtschaftsrecht". In vergleichbaren Positionen konnte er bereits mehrjährige Berufserfahrung in verschiedenen Banken und anderen Unternehmen aufweisen.

In der Stellenanzeige war unter der Überschrift "Dein Profil - Analytische Denkweise und Verhandlungsgeschick" der Unterpunkt "Du bist Berufseinsteiger oder besitzt bis ca. 6 Jahre Berufserfahrung" enthalten. Hierin sah der Rechtsanwalt eine Altersdiskriminierung und verlangte deshalb, nachdem er für seine Bewerbung eine Absage erhalten hatte, eine Entschädigung in Höhe von vier Monatsgehältern.

Fehlende "Lebenslaufstringenz" als Ablehnungsgrund

Dies lehnte das beklagte Unternehmen mit der Begründung ab, der Mann sei ausweislich seines Lebenslaufs aus drei seiner letzten vier Arbeitsverhältnisse innerhalb der ersten sechs Monate ausgeschieden. Folglich sei naheliegend, dass er entweder die Probe- bzw. Wartezeit nicht bestanden oder selbst kein wirkliches Interesse an einer langfristigen Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Unternehmen gehabt habe, so das Unternehmen.

Daraufhin erhob der Mann Klage, mit der er wegen Altersdiskriminierung eine Entschädigung verlangt. Die Ablehnung unter Berufung auf seine berufliche Historie sei eine erneute Altersdiskriminierung, denn ältere Bewerber hätten typischerweise bereits in mehreren und ggf. kürzeren Arbeitsverhältnissen gestanden, so der Mann.

Arbeitsgericht sieht Altersdiskriminierung

Das erstinstanzliche Arbeitsgericht gab der Klage statt und führte zur Begründung aus, der Mann habe Indizien im Sinne von § 22 AGG vorgetragen, aus denen auf eine Benachteiligung wegen seines Alters geschlossen werden könne. Auch das Abstellen des Unternehmens auf eine "Lebenslaufstringenz" ohne Bruchstellen benachteilige ältere Bewerber wie den klagenden Rechtsanwalt.

Im Berufungsverfahren macht das Unternehmen wiederum geltend, nicht gegen das Verbot der benachteiligenden Ausschreibung (§ 11 AGG) verstoßen zu haben, sodass auch nicht die Vermutung einer altersbezogenen Benachteiligung (§ 22 AGG) begründet sei. In der Stellenausschreibung sei gerade keine fixe Obergrenze der Berufserfahrung angegeben, sondern lediglich ein Circa-Wert, so das Unternehmen. Auch sei der Begriff "Berufseinsteiger", anders als das Arbeitsgericht meint, nicht gleichbedeutend mit dem Begriff "Berufsanfänger".

Argumentation des Arbeitgebers überzeugt LAG

Die Berufung des Unternehmens hatte schließlich Erfolg, das LAG änderte das erstinstanzliche Urteil ab und verneinte damit den Entschädigungsanspruch des Rechtsanwalts. Zwar sei eine Benachteiligung (§ 3 Abs. 1 AGG) durch die Zurückweisung der Bewerbung zu bejahen, da er damit eine ungünstigere Behandlung als die letztlich eingestellte Person erfahren habe. Jedoch hat er aus Sicht des LAG nicht dargetan, dass er die Benachteiligung wegen seines Lebensalters erfahren hat.

Anders als das Arbeitsgericht verneint das LAG also das Vorliegen von Indizien gemäß § 22 AGG, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen Kausalzusammenhang zwischen Absage und Lebensalter schließen lassen. Das LAG ist der Ansicht, "dass mit der Anforderung ‘Du bist Berufseinsteiger oder besitzt bis ca. 6 Jahre Berufserfahrung’ nicht lediglich und auch nicht insbesondere junge Bewerber angesprochen werden und zugleich ältere Personen ernsthaft davon abgehalten würden, ihre Bewerbung einzureichen. Vielmehr richtet sich diese Passage der Stellenanzeige an Bewerber jeden Alters". 

Das LAG folgt dabei insbesondere der Argumentation des Unternehmens, man habe lediglich einen Circa-Wert in der Stellenausschreibung verwendet. Vorausgegangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Altersdiskriminierung in Stellenausschreibungen lasse sich diesbezüglich nicht ohne weiteres übertragen.

Auch die Analyse des vom klagenden Anwalt vorgelegten Lebenslaufs stelle keine Altersdiskriminierung dar. Denn "Lücken im Lebenslauf oder auffällig kurze Beschäftigungszeiträume können bei Arbeitnehmern jeden Alters auftreten", so das Urteil. Abweichend vom erstinstanzlichen Urteil teilt das LAG somit nicht die Ansicht, dass eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters vorliegt, wenn ein Arbeitgeber einem Bewerber absagt, weil im beruflichen Werdegang kurze Beschäftigungszeiten und Lücken sichtbar geworden sind.

Im Ergebnis würden weder die Stellenanzeige noch das Auswahlverfahren der Beklagten die Vermutung einer altersbezogenen Benachteiligung des Klägers begründen, so das LAG abschließend in seinem Urteil. Die Revision wurde nicht zugelassen.

jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LAG Rheinland-Pfalz verneint Entschädigungsanspruch nach AGG: . In: Legal Tribune Online, 30.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56476 (abgerufen am: 07.02.2025 )

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