Freispruch des LG Bremen: Doch keine Volks­ver­het­zung von Pastor Latzel

20.05.2022

Das AG Bremen verurteilte im Jahr 2020 den evangelischen Pastor Latzel wegen Volksverhetzung. Er äußerte sich abwertend über Homosexualität und Genderformen. Das LG hob dieses Urteil nun auf.

 

Das Landgericht (LG) Bremen hat den evangelischen Pastor Olaf Latzel vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen (Urt. v. 20.05.2022, Az. 51 Ns 225 Js 26577/20). Das Gericht hob damit im Berufungsverfahren ein Urteil des Amtsgerichts (AG) Bremen auf, welches den Geistlichen im November 2020 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von insgesamt 8.100 Euro (90 Tagessätze) verurteilt hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Hintergrund waren Äußerungen Latzels in einem Eheseminar, wo er unter anderem von "Genderdreck" und "Verbrechern" vom Christopher Street Day sprach. Im Prozess hatte ein Sachverständiger geäußert, dass Latzels Aussagen jedenfalls eine theologische Grundlage hätten. Das Gericht folgte mit seinem Urteil offenbar der Forderung der Verteidigung, die die Positionen des Pastors im Grundsatz von der Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt sah.

Update: Latzel sei es mit Äußerungen nicht um Personen gegangen

Das Landgericht sah keine Hinweise für eine Aufstachelung zum Hass und die Äußerungen Latzels vom Grundsatz der Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt.

Gleichwohl nannte Richter Hendrik Göhner die Wortwahl Latzels befremdlich. "Sie sind kein Beitrag, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, wo alle gut miteinander auskommen", sagte er. Latzel habe sich aber für die Äußerungen entschuldigt und mit seinen Aussagen nicht auf eine Bevölkerungsgruppe abgezielt. Vielmehr sei es ihm mit Blick auf die Gendertheorie um das soziologische Konzept und nicht etwa um Personen gegangen. 

Latzel, dessen Wortwahl in dem Seminar zwar archaisch anmute, argumentiere von der Bibel her, so der Richter. Man dürfe diese Äußerungen nicht aus dem Kontext des Eheseminars nehmen, dessen Teilnehmer aus der St. Martini-Gemeinde stammten und die Aussagen hätten einordnen können. Zum Kontext gehöre auch, dass die als konservativ geltende Gemeinde mehrfach Störungen wie etwa einem "Kiss-In" von Homosexuellen während eines Gottesdienstes 2008 und auch Sachbeschädigungen erfahren habe.

Latzel selbst wollte sich nach dem Urteil nicht äußern. Er verwies auf ein noch laufendes Disziplinarverfahren gegen ihn bei seinem Arbeitgeber, der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK). Sein Anwalt Sascha Böttner sprach mit Blick auf das Urteil von einer "vernünftigen, objektiven juristischen Einordnung des Sachverhalts". Das Gericht sei zu dem treffenden Schluss gekommen, dass die Glaubensfreiheit in der Abwägung mit den Äußerungen seines Mandanten überwiege.

Demonstrantin: "Bibel höher bewertet als Grundrechte"

Das Disziplinarverfahren sei völlig unabhängig vom Strafverfahren, so Böttner. Aus seiner Sicht sei es aber "natürlich" nach dem Freispruch einzustellen. Die BEK teilte mit, man nehme das Urteil zur Kenntnis und respektiere den Ausgang des Berufungsverfahrens. Der Kirchenausschuss werde nun prüfen, welche Auswirkungen der Freispruch für das kirchengerichtliche Disziplinarverfahren habe.

"Es ist allerdings klar, dass nach dienstrechtlicher Einschätzung Ausgrenzung und Verunglimpfung von Personen durch einen Pfarrer nicht tragbar sind. Aus diesem Grund werden wir auch weiterhin regelmäßig Dienstgespräche mit Herrn Latzel führen", sagte BEK-Schriftführer Pastor Bernd Kuschnerus.

Vor dem Landgericht protestierten rund 60 Demonstrant:innen aus der homosexuellen und queeren Szene gegen das Urteil. Sie sei empört und wütend, sagte eine Teilnehmerin. Das Gericht habe die Bibel höher bewertet als die Grundrechte vieler Menschen. Dies sei ein Skandal.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft kann bis nächsten Freitag einen Revisionsantrag stellen.

dpa/jb/pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Freispruch des LG Bremen: Doch keine Volksverhetzung von Pastor Latzel . In: Legal Tribune Online, 20.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48510/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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