LG sieht AGG-Verstoß: Bank wei­gert sich, Ex-Bun­des­richter eine Kre­dit­karte zu geben

11.12.2024

Eine Bank muss wegen Altersdiskriminierung 3.000 Euro Entschädigung an einen 88-Jährigen zahlen, weil sie diesem keine Kreditkarte gegeben hatte. Ob sie vorab wusste, dass der Senior ehemaliger Bundesrichter ist?

Eine Bank, die mit einem 88-jährigen Mann wegen "ungünstiger Rückzahlungsprognose" keinen Kreditkartenvertrag abschließen wollte, muss diesem 3.000 Euro Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zahlen. Das hat das Landgericht (LG) Kassel (Urt. v. 23.09.2024, Az. 4 S 139/23) entschieden und damit die Vorinstanz, zu deren Entscheidung LTO bereits berichtete, bestätigt.

Das Kuriose an dem Fall: Bei dem Mann handelt es sich um einen pensionierten Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG). In dieser Funktion bekommt er eine Pension von monatlich etwa 6.400 Euro. Trotzdem wollte die Bank mit ihm keinen Vertrag über eine Kreditkarte abschließen, wenngleich der Mann sogar einen Verfügungsrahmen von nur 2.500 Euro beantragt hatte.

Die Begründung der Bank: eine "ungünstige Rückzahlungsprognose". Wegen des hohen Alters des Mannes sei es wahrscheinlicher als bei jüngeren Kunden, dass der BAG-Richter a.D. bald sterbe. Der Aufwand für die Bank, einen etwaigen Rückforderungsanspruch aus dem Kreditkartenvertrag gegen die künftigen Erben des Mannes durchzusetzen, sei außerdem zu hoch.

Wie schon die Vorinstanz entschied nun das LG Kassel: Die Ablehnung der Bank ist ein Verstoß gegen AGG. Denn nach § 1 AGG dürfen Menschen u.a. wegen ihres Alters nicht benachteiligt werden. Dies gilt auch beim Abschluss zivilrechtlicher Verträge, geregelt in § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG. Diskriminiert der potenzielle Vertragspartner einen dennoch, muss er eine Entschädigung bezahlen (§ 21 Abs. 2 AGG).

Kreditkarte wichtig im Alltag

Zwar erkannte die Kammer die Vermeidung von Rückzahlungsausfällen als ein legitimes Ziel der Bank an. Dafür stünden aber mildere Mittel zur Verfügung, als pauschal mit älteren Menschen keinen Kreditkartenvertrag abzuschließen. Denn Rückzahlungsausfälle hingen weniger vom Alter und als von der Zahlungsfähigkeit eines Kunden ab. Das Gericht kam deshalb zu dem Schluss, dass eine Bonitätsprüfung vor Vertragsschluss ausreichen müsse. Und selbst bei einem erhöhten Ausfallrisiko sei beispielsweise eine Verfügungsbeschränkung ein milderes Mittel. In diesem Fall hatte der Ex-BAG-Richter sogar selbst einen Kreditrahmen von lediglich 2.500 Euro angestrebt.

Da die pauschale Ablehnung des 88-Jährigen damit einen AGG-Verstoß darstelle, sei eine AGG-Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro angemessen, bestätigt das LG Kassel die Vorinstanz. Das Verhalten der Bank habe "zu einer nicht unerheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers geführt", so das Urteil. In der Verweigerung einer Kreditkarte liege "in erheblichem Maße eine Beeinträchtigung der alltäglichen Lebensführung". Denn "eine Vielzahl von Rechtsgeschäften, insbesondere Reisen und Auslandszahlungen", setzten eine Kreditkarte voraus.

In einem Aspekt der Begründung, nicht aber des Ergebnisses, unterscheidet sich das Urteil aber von der Vorinstanz: Das Landgericht ließ unberücksichtigt, dass der Mann pensionierter Bundesrichter ist. Es sei nicht ersichtlich, "warum in einem gleich gelagerten Fall, bei dem der Betroffene über eine geringere berufliche Qualifikation verfügt, eine niederigere Entschädigungssumme angemessen sein sollte", wie die Vorinstanz befunden hatte. Letztlich seien Bundesrichter auch nur Menschen, so das LG.

jb/hes/ms/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG sieht AGG-Verstoß: . In: Legal Tribune Online, 11.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56081 (abgerufen am: 19.04.2025 )

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