Weil sich eine Schöffin während der Hauptverhandlung offenbar private Notizen machte, stellte der Angeklagte einen Befangenheitsantrag. Zu Recht, wie nun das LG Dortmund entschied.
Eine Schöffin, die sich während der Hauptverhandlung über einen längeren Zeitraum private Notizen macht, ist wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Das Landgericht (LG) Dortmund sah ein entsprechendes Befangenheitsgesuch des Angeklagten als begründet an (Beschl. v. 08.11.2024, Az. 45 Ns 131/22). Zuerst berichtete Burhoff online Blog über den Fall.
Die Schöffin hatte sich während der strafrechtlichen Hauptverhandlungen offenbar immer wieder Notizen auf DIN-A4-Papier gemacht. Dieses Papier lag dann auch wieder an dem in Rede stehenden Hauptverhandlungstag vor ihr. Allerdings schrieb sie diesmal nicht auf das Papier, sondern nutzte ein DIN-A5-Notizbuch. Weil sie sich insoweit offenbar – wie bei einer Einkaufsliste – listenartige Notizen machte, wurde die Verteidigung stutzig. Auch habe sie das Notizbuch geschlossen, obwohl der Vorsitzende noch längst nicht mit der Verlesung von Chats fertig war. Deshalb entstand der Verdacht, dass sie der Hauptverhandlung nicht konzentriert folgte.
Soweit dies "eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Angeklagten zum Ausdruck bringe", sei die Besorgnis der Befangenheit begründet, so die Verteidigung.
Nach §§ 31 Abs. 1, 24 Abs. 2 Strafprozessordnung sind Schöffen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Maßgeblich ist dabei die Sicht eines vernünftigen Ablehnungsberechtigten.
"Kritzeleien als Konzentrationsstütze" nicht überzeugend
Die betroffene Schöffin hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme dazu ausgeführt, dass sie durchaus "Kritzeleien" angefertigt hätte, die nichts mit dem Verfahren zutun gehabt hätten. Dies habe aber nicht der Ablenkung, sondern gerade der Aufrechterhaltung der Konzentration gedient, meint die Frau. Diese Argumentation überzeugte das LG Dortmund aber letztlich nicht.
Der Vorsitzende hatte all dies bei der Verlesung der Chats zwar nicht mitbekommen, jedoch bestritt die Frau auch gar nicht, etwa 19 Minuten lang in ihr privates Notizbuch geschrieben zu haben. Aus der maßgeblichen Sicht des verständigen Angeklagten sei es deshalb durchaus nicht unwahrscheinlich, dass die Schöffin "über einen nicht nur kurzen Zeitraum der Beweisaufnahme mit verfahrensfremden Angelegenheiten beschäftigt war", so der Beschluss. Sie hatte zudem auf Nachfrage der Verteidigung gleich zugegeben, dass die Notizen nichts mit dem Verfahren zutun haben.
Die Hauptverhandlung wurde folglich ausgesetzt und muss von vorne beginnen.
jb/LTO-Redaktion
Landgericht Dortmund bejaht Besorgnis der Befangenheit: . In: Legal Tribune Online, 14.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55865 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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