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KG spricht Linksextremisten nach 30 Jahren im Exil schuldig: Nach dem Urteil gab es Dosen­bier

08.04.2025

Peter Krauth und Thomas Walter

Die beiden Angeklagten am Tag der Urteilsverkündung. Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Mitte der Neunziger wollten Linksextremisten einen Berliner Gefängnisbau in die Luft sprengen. Durch Zufall flogen sie auf und tauchten jahrzehntelang unter – zum Prozess am KG kamen sie zurück.

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"Das K.O.M.I.T.E.E." – unter diesem Namen agierte vor 30 Jahren eine mittlerweile aufgelöste linksextremistische Gruppierung. Zwei ehemalige Mitglieder wurden vor dem Kammergericht (KG) nun wegen Verabredung zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion nach § 30 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) i.V.m. § 311 Abs. 1 StGB a.F. schuldig gesprochen und jeweils zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen von zwei Jahren verurteilt (Urt. v. 08.04.2025, Az. 2 St 2/24).

Nach dem Urteil gab es Umarmungen und Dosenbier. Peter Krauth und Thomas Walter sind mittlerweile beide über 60 Jahre alt, jahrzehntelang waren sie in Südamerika untergetaucht. Gemeinsam mit Bernhard Heidbreder, einem inzwischen verstorbenen Komplizen, hatten sie den Sprengstoffanschlag geplant. Ziel war in der Nacht vom 10. auf den 11. April 1995, also vor fast genau 30 Jahren, das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau. Durch die Aktion hätten sie die Abschiebung von Personen kurdischer Herkunft verhindern wollen, um dadurch den Kampf der PKK zu unterstützen.

Grinsen bei der Urteilsverkündung

Nur der "pure Zufall" habe die Explosion und Zerstörung des Gebäudes mit 120 Kilogramm Sprengstoff verhindert, so das KG bei der Urteilsverkündung am Dienstag. Als die Polizei vorbeikam, hätten die Männer "Hals über Kopf" die Flucht ergriffen und dabei "jede Menge Personaldokumente" wie Ausweise in den Autos gelassen und so ihre Anwesenheit bestätigt. Bei den Ausführungen lächelte der Vorsitzende Richter Gergor Herb etwas und auch einer der Angeklagten musste grinsen.

Die eher geringe Strafe sei trotz des geplanten schweren Anschlags angemessen, weil es letztlich beim Versuch geblieben sei, seit der Tat viel Zeit vergangen sei und weil die Täter zurückgekehrt seien und geständig gewesen seien, begründete das Gericht das Urteil.

Vorausgegangen war eine Verständigung zwischen den Prozessbeteiligten (§ 257c Strafprozessordnung (StPO)) am ersten Prozesstag, zu der auch die Rückkehr und die Geständnisse der beiden gehörten. Verteidigt wurden Krauth und Walter laut der taz unter anderem von Lukas Theune (akm Rechtsanwält*innen, Berlin), der aktuell auch das ehemalige RAF-Mitglied Daniela Klette verteidigt. "Die Vereinbarung ist, dass sie geständig sind und dafür ein geringes Strafmaß erhalten", so Theune gegenüber der taz.

Ein halbes Leben auf der Flucht

Ausführlich erläuterte der 2. Strafsenat des KG, warum die Tat auch nach 30 Jahren noch nicht verjährt sei: die Verjährungsfrist sei gemäß § 78c Abs. 1, 3 StGB u.a. wegen dem Erlass beantragter Haftbefehle immer wieder unterbrochen worden. Das nun verhängte Strafmaß einer Freiheitsstrafe mit Bewährung sei weder Zeichen einer "verfolgungswütigen Justiz" noch "unangebrachte Milde", sondern eine angemessene Reaktion.

Immerhin hätten die Täter ein "extrem hohes Maß an krimineller Energie" aufgebracht. Auf der anderen Seite läge die Tat drei Jahrzehnte zurück und das halbe Leben auf der Flucht in Südamerika und in Abgeschiedenheit von ihren Kontakten in der Heimat sei für die beiden Männer "kein Zuckerschlecken" gewesen, so der Herb. "Es war keine Konstellation, wo die Angeklagten es sich hätten 30 Jahre gut gehen lassen."

2014 war Komplize Heidbreder in Venezuela aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen worden, so die taz. Zur Auslieferung sei es wegen einer Weigerung seitens der venezolanischen Behörden jedoch nicht gekommen. Anfang 2022 hätten Krauth und Walter dann Asyl erhalten, ebenfalls in Venezuela. Im März 2025 waren sie dann in Erwartung des Prozesses gegen sie nach Deutschland zurückgekehrt.

KG hält Bewährung für angemessen

Die Rückkehr der Männer nach Deutschland zeige auch ihr Anerkenntnis der Tatsache, dass die Justiz den Fall klären wolle. Bei ihren Geständnissen habe zwar nicht die Reue im Mittelpunkt gestanden. Andererseits müsse man feststellen, dass nichts zerstört worden sei und die Hauptlast der Tat die Angeklagten selbst zu tragen hatten, so das Kammergericht.

Eine Aussetzung zur Bewährungs sei angemessen, weil die Prognose günstig sei, betonte der Herb. Beide Männer seien zudem in einem Alter, das nicht als förderlicher Faktor für weitere Kriminalitätsausübung spreche – leises zustimmendes Gelächter unter den grauhaarigen Besuchern im Zuschauerraum war die Antwort.

Mit den Worten "Ich bedanke mich bei Ihnen und wir wünschen alles Gute", beendete Herb den Prozess. Draußen vor dem Kammergericht wurden einige Dosen Bier geöffnet. Dann gingen Krauth und Walter mit Freunden in ein Café.

jb/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa

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KG spricht Linksextremisten nach 30 Jahren im Exil schuldig: . In: Legal Tribune Online, 08.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56961 (abgerufen am: 12.11.2025 )

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