Französische Daten als Beweis in deutschen Strafverfahren: Ist das erlaubt? Eine der wichtigsten Fragen im Strafrecht der vergangenen Jahre hat das BVerfG geklärt, die Verwertung von Encrochat-Nachrichten ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach sogenannte Encrochat-Daten keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen, ist "verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden". Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden (Beschl. v. 01.11.2024, Az. 2 BvR 684/22).
In dem Fall ging es um eine Verfassungsbeschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer dagegen wehren wollte, dass in einem deutschen Strafverfahren Beweise verwertet worden sind, die in Frankreich gewonnen wurden. Die Verfassungsbeschwerde sei nicht substantiiert genug und damit unzulässig, so das BVerfG.
Eine seit Jahren umstrittene Frage
Im Frühjahr 2020 gelang es französischen und niederländischen Ermittlern, den Krypo-Messengerdienst Encrochat zu entschlüsseln. Mehr als 20 Millionen geheime Chat-Nachrichten wurden dabei abgeschöpft, es kam zu zahlreichen Festnahmen in ganz Europa. Meist ging es um Drogenhandel. Laut Europol waren allein bis Sommer 2023 über 6.500 Menschen festgenommen und fast 900 Millionen Euro beschlagnahmt worden. Zwar ist bekannt, dass die Ermittlungsbehörden im Rahmen der Entschlüsselung eine Überwachungssoftware aufspielten, die es erlaubt, die Kommunikation über Encrochat-Geräte quasi live mitzulesen. Die Details der Überwachungsmaßnahmen sind allerdings unbekannt, weil sie in Frankreich als Staatsgeheimnis eingestuft sind.
Seitdem wurde über die Verwertbarkeit der Daten aus Frankreich in Strafverfahren vor deutschen Gerichten gestritten. Erstmals entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im März 2022, dass für die Daten kein Beweisverwertungsverbot gelte (Beschl. v. 02.03.2022, Az. 5 StR 457/21). Kurz darauf kam die Sache auch zum BVerfG. In einer ersten Verfassungsbeschwerde ließ die 3. Kammer des Zweiten Senats die eigentliche Frage der Verfassungsmäßigkeit aber noch ausdrücklich offen. Nun aber äußerte die 1. Kammer des Zweiten Senats sich erstmals konkret zu dieser Frage: "Auf der Grundlage der vom Bundesgerichtshof festgestellten Verfahrenstatsachen" sei "eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers nicht ersichtlich".
BGH hat verfassungsrechtlich nichts falsch gemacht
Der Prüfungsmaßstab des BVerfG war insoweit das nationale Recht, konkret die deutschen Grundrechte. Davon ausgehend sei insbesondere eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht ersichtlich.
Denn selbst wenn Informationen rechtswidrig erlangt worden sein sollten, "besteht von Verfassungs wegen kein Rechtssatz, wonach die Verwertung der gewonnenen Informationen stets unzulässig wäre", so das BVerfG. An der ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach ein Beweisverwertungsverbot immer vom Einzelfall abhängt, insbesondere nach der Art der verletzten Vorschrift und dem Gewicht des Verstoßes, hat das BVerfG verfassungsrechtlich nichts auszusetzen.
"Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden", heißt es dazu in dem Beschluss weiter. Nach diesen Maßstäben sei an der Ablehnung eines Beweisverwertungsverbotes seitens des BGH verfassungsrechtlich nichts auszusetzen. Jedenfalls unterschreite der BGH "das verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit Gebotene" nicht.
Neben dem BVerfG war auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mit Encrochat befasst. Das Landgericht Berlin hatte bereits 2022 diesbezüglich 14 Fragen nach Luxemburg geschickt. Im Frühjahr 2024 kam dann die Antwort: Der EuGH gab umfassend grünes Licht hinsichtlich der Nutzung und Verwertbarket von EncroChat. Davon ausgehend sind derzeit noch weitere Verfassungsbeschwerden beim BVerfG anhängig, sodass das Kapitel Encrochat wohl noch nicht ganz beendet ist.
jb/LTO-Redaktion
BVerfG bestätigt den BGH: . In: Legal Tribune Online, 03.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56016 (abgerufen am: 23.01.2025 )
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