BayObLG sieht keine Relativierung des Holocausts: AfD-Poli­tiker vom Vor­wurf der Volks­ver­het­zung frei­ge­spro­chen

18.01.2024

In einem Video hatte AfD-Politiker Florian Jäger die Novemberpogrome von 1938 der Corona-Impfkampagne gegenübergestellt. Eindeutig zu verurteilen sei er aber nicht, so das BayObLG, weil die Aussage verschiedene Interpretationen zulasse.

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat den bayerischen AfD-Politiker Florian Jäger vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen (Beschl. v. 15.01.2024, Az. 207 StRR 440/23). Nach Auffassung des BayObLG haben die Vorinstanzen zwar erkannt, dass die Aussage des Politikers, um die es in diesem Fall ging, verschiedene Interpretationen zulässt. Die Gerichte hätten dies aber ohne nähere Begründung nicht beachtet und damit rechtsfehlerhaft entschieden.

Der Hintergrund des Falls: Jäger hatte 2021 auf seinem öffentlichen Facebook-Account ein Video veröffentlicht, in welchem er "Propaganda" gegen Menschen kritisierte, die sich nicht mit mRNA-Präparaten gegen Covid-19 behandeln lassen wollten. Um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, hatte er die Novemberpogrome von 1938 der Corona-Impfkampagne gegenübergestellt. Wie das zu interpretieren ist, entscheidet juristisch betrachtet darüber, ob sich der AfD-Mann strafbar gemacht hat oder nicht.

Der Umgang mit Ungeimpften sei vergleichbar mit den Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung 1938 bei den Novemberpogromen – so jedenfalls hatte das Amtsgericht (AG) Fürstenfeldbruck Jägers Aussage interpretiert und ihn deshalb wegen Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch (StGB)) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt. Das Landgericht (LG) München II bestätigte das Urteil des AG daraufhin.

Mehrere mögliche Interpretationen der Aussage nicht beachtet

Was weder das AG noch das LG nach Auffassung des BayObLG so richtig erkennen wollten: Jägers Aussage sei gar nicht zwingend so zu interpretieren, wie es die beiden Gerichte zuvor getan hatten. Es liegt laut BayObLG genauso nahe, dass der AfD-Politiker damit zum Ausdruck bringen wollte, dass von der Politik häufig einfache und populistische Lösungen und "Sündenböcke" gesucht würden. 1938 seien das die Juden gewesen, zur Corona-Zeit die Ungeimpften – so hätte man Jägers Aussage auch interpretieren können, befand das BayObLG.

Nimmt man an, dass Jäger seine Aussage so gemeinte hat, hätte er laut dem BayObLG weder den Holocaust geleugnet noch relativiert, sondern vielmehr aussagen wollen, dass die Juden an der damaligen wirtschaftlichen Situation im Reich genau so wenig schuld gewesen seien wie die Ungeimpften an der Pandemie. Strafbar sei eine solche Aussage – ganz im Gegensatz zur Interpretation, die die Vorinstanzen angenommen hatten – gerade nicht. 

Das LG habe sogar erkannt, dass man Jäger Aussage auch anders hätte verstehen können, so das BayObLG. Ausgeschlossen habe es diese Interpretationsmöglichkeit trotzdem, ohne das näher zu begründen. Vor diesem Hintergrund hat das BayObLG den AfD-Politiker freigesprochen. Rechtsmittel gegen diese Entscheidung gibt es nicht.

Der Senat betonte in in einer separaten Pressemitteilung ausdrücklich, dass eine Gleichsetzung von Maßnahmen gegen Ungeimpfte mit der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung bei den Novemberpogromen den Tatbestand der Volksverhetzung grundsätzlich erfülle.

Jäger selbst begrüßt das Urteil gegenüber LTO und kommentiert es so: "Der Haarschopf, an dem meine Verurteilung herbeigezogen wurde, war sehr, sehr dünn."

xp/LTO-Redaktion 

Zitiervorschlag

BayObLG sieht keine Relativierung des Holocausts: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53661 (abgerufen am: 02.12.2024 )

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