Leseempfehlungen in Bibliotheken sind keine Seltenheit. Doch was gilt für eine Warnung? Ein Autor klagte gegen einen kritischen Einordnungshinweis und sieht das staatliche Neutralitätsprinzip als verletzt an. Jetzt entschied das VG Münster.
Der von der Stadtbücherei Münster in einem zur Ausleihe zur Verfügung gestellten Buch angebrachte Einordnungshinweis, das Buch sei "ein Werk mit umstrittenem Inhalt", verletzt Autoren nicht in seinen Grundrechten. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster im einstweiligen Rechtsschutz entschieden (Beschl. v. 11.04.2025, Az. 1 L 59/25).
Die Stadtbücherei versah zwei Bücher mit dem Hinweis. In der ersten Fassung lautete dieser, dass Inhalte der Werke “möglicherweise nicht mit den Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft vereinbar” seien. In der letzten Fassung lautet der Hinweis: "Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt. Dieses Exemplar wird aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit zur Verfügung gestellt." Betroffen sind laut einer Meldung der Fachstelle Öffentliche Bibliotheken NRW das Buch "Putin, Herr des Geschehens?" von Jacques Baud sowie "2024 – das andere Jahrbuch: verheimlicht, vertuscht, vergessen" von Gerhard Wisnewski. Nach LTO-Informationen verlangte der Autor Gerhard Wisnewski daraufhin die Entfernung sowie die zukünftige Unterlassung entsprechender Hinweise in seinen Büchern – ohne Erfolg.
Das VG Münster entschied: Der Einordnungshinweis ist von der gesetzlichen Aufgabenzuweisung für öffentliche Bibliotheken in NRW, denen unter anderem ein Bildungsauftrag zukomme, gedeckt. Es sei der Stadtbücherei grundlegend gestattet, zu den zur Ausleihe bereitgestellten Werken inhaltlich Stellung zu nehmen.
Wer loben darf, darf auch kritisieren
Dies gelte in positiver Hinsicht beispielsweise in Form von Empfehlungen sowie in negativer Hinsicht durch kritische Hinweise. Es wäre mit dem gesetzlichen Auftrag nicht vereinbar, so das VG weiter, "eine öffentliche Bibliothek darauf zu beschränken, Medien allein passiv zur Ausleihe bereit zu stellen".
Der Hinweis beeinträchtige den Autor nur "mittelbar-faktisch", entschied das VG. Soweit diese Beeinträchtigung in Intensität und in den Wirkungen nicht einem Grundrechtseingriff gleichstehe, sei auch keine besondere gesetzliche Grundlage für den Hinweis erforderlich.
Auch bestehe keine Neutralitätspflicht für Bibliotheken derart, wie sie von der Rechtsprechung bei Äußerungen von Hoheitsträgern über politische Parteien angenommen wird. Vielmehr müsse die Äußerung nur den Anforderungen des Sachlichkeitsgebots genügen. Dies sei hier der Fall. Denn im Buch würden mehrere gesicherte historische Ereignisse – unter anderem die bemannten Mondlandungen – negiert. Der warnende Einordnungshinweis stelle damit ein Werturteil dar, dass auf einem vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhe.
Wer historische Fakten leugnet, muss Kritik aushalten
Ferner sei auch die nur anlassbezogene Prüfung nach Beschwerde von Bibliotheksnutzern, ob Bücher mit solchen Hinweisen versehen werden müssen, nicht willkürlich, so das VG.
Der Hinweis sei schließlich auch nicht unverhältnismäßig. Ein Autor, der historische Fakten leugne, müsse aushalten, dass sich öffentliche Bibliotheken im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags in sachlicher Form kritisch mit einem solchen Werk auseinandersetzen, so das VG Münster.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Der von Romatka-Rechtsanwälten vertretene Autor kann binnen zwei Wochen Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Münster einlegen.
jb/LTO-Redaktion
Hinweis "Werk mit umstrittenen Inhalt" keine Grundrechtsverletzung: . In: Legal Tribune Online, 15.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57006 (abgerufen am: 28.04.2025 )
Infos zum Zitiervorschlag