Ein Aktionskünstler muss rund 4.000 Euro dafür bezahlen, dass er das Familiengrab eines NS-Kriegsverbrechers beschädigt hat. Seine Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung hat das BVerfG nicht angenommen.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verfassungsbeschwerde eines Künstlers, der das Grab eines NS-Kriegsverbrechers beschädigt hat, nicht zur Entscheidung angenommen (Beschl. v. 30.03.2021). Der Entscheidung zugrunde liegt ein jahrelanger Streit um besagtes Grab auf der Fraueninsel im Chiemsee.
Vor dem Amtsgericht (AG) München war der Aktionskünstler Wolfram Kastner zur Zahlung von 4.088,34 Euro nebst Zinsen verurteilt worden. Er hatte das Familiengrab von NS-Kriegsverbrecher Alfred Jodl beschädigt. Dieser war in den Nürnberger Prozessen durch den Internationalen Militärgerichtshof wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet worden. Jodl selbst liegt in dem Grab auf der Insel nicht begraben. Name, Dienstgrad und Lebensdaten stehen aber als Grabinschrift auf einem steinernen Kreuz, allerdings wurden diese im vergangenen Jahr mit einer Platte abgedeckt.
In den Jahren 2015 und 2016 beschädigte Kastner das Grab, indem er ein Schild mit der Aufschrift "Keine Ehre dem Kriegsverbrecher" auf das Grabkreuz klebte, einen Buchstaben aus dem Namenszug ausbrach und das Grabkreuz zwei Mal mit roter Farbe bemalte. Nach einer Klage der Familie hatten ihn das AG sowie im Berufungsverfahren auch das Landgericht (LG) München I zur Übernahme der Reparatur- und Reinigungskosten verurteilt.
"Engagierter Künstler" zu sein, genügt nicht
Hiergegen erhob Kastner Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG. Diese wurde jedoch von der 2. Kammer des Ersten Senats nicht zur Entscheidung angenommen, wie nun bekannt wurde. Nach Auffassung der Kammer hat der Künstler nicht hinreichend substantiiert und schlüssig dargelegt, dass eine unmittelbare und gegenwärtige Verletzung in einem verfassungsbeschwerdefähigen Recht möglich erscheint. Auch hätten die Zivilgerichte in ihren Entscheidungen der Bedeutung und Tragweite der einschlägigen Grundrechte hinreichend Rechnung getragen.
Die Kammer nutzte den Nichtannahmebeschluss, um auch Ausführungen zur Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 1 Grundgesetz (GG) zu machen. So habe Kastner nicht hinreichend dargelegt, dass die von ihm an dem Grabmal durchgeführten Aktionen ein Kunstwerk darstellen. Es genüge nämlich nicht bloß, dass sich Kastner selbst als "engagierter Künstler" bezeichne. Vielmehr ist für die Kammer schon nicht erkennbar, dass eine freie schöpferische Gestaltung vorliegt, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur Anschauung gebracht würden. Daher liegt nach Auffassung der Kammer lediglich eine plakative Meinungsäußerung vor.
jb/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
Bundesverfassungsgericht: . In: Legal Tribune Online, 14.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44970 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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