Ein deutscher Journalist kommt in Venezuela in Haft, doch seiner Meinung nach hat sich das Auswärtige Amt währenddessen nicht ausreichend um ihn gekümmert. Ob das so war oder nicht, muss sich das VG nochmal anschauen, meint das BVerfG.
Ein deutscher Journalist, der sich während einer viermonatigen Inhaftierung in Venezuela durch deutsche Behörden vernachlässigt fühlte, hatte nun mit seiner Verfassungsbeschwerde teilweise Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass das Verwaltungsgericht (VG) Berlin ihn in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verletzt hat und insoweit neu entscheiden muss (Beschl. v. 11.12.2024, Az. 1 BvR 1426/24).
In dem Verfahren geht es um Journalist Billy Six, der in der Vergangenheit unter anderem für die rechte Zeitschrift Junge Freiheit publizierte. Mitte November 2018 wurde er in Venezuela festgenommen und in eine Haftanstalt des venezolanischen Geheimdienstes in Caracas verbracht. Die ebenda ansässige deutsche Botschaft erhielt davon am selben Tag durch Dritte Kenntnis, der erste von insgesamt vier Haftbesuchen erfolgte gleichwohl erst Anfang Januar 2019. Mitte März erfolgte die Freilassung, woraufhin Billy Six schließlich Venezuala verließ.
2020 beantragte er verschiedene verwaltungsgerichtliche Feststellungen, die im Kern zum Inhalt haben, die Bundesrepublik habe ihm während seiner Haft weder hinreichenden diplomatischen Schutz noch ausreichende konsularische Betreuung gewährt. Das Auswärtige Amt (AA) habe weder öffentlich gegen seine Inhaftierung protestiert noch gegenüber der venezolanischen Regierung seine Freilassung gefordert, so Six. Wiederum meint das AA laut einem taz-Bericht, die Botschaft in Caracas habe Six "vom Bekanntwerden des Haftfalls bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise vom Flughafen Maiquetía Simón Bolívar eng konsularisch betreut".
Zu enge Interpretation der Wiederholungsgefahr
Die Klage blieb in den Instanzen ohne Erfolg, insbesondere wurde das Feststellungsinteresse verneint. Diesbezüglich wurde eine Wiederholungsgefahr mit der Begründung abgelehnt, dass eine hypothetische zukünftige Inhaftierung durch einen anderen Staat eine wesentliche Veränderung der Umstände darstelle und es daher nicht hinreichend bestimmbar sei, dass sich das AA bei einer erneuten Inhaftierung im Ausland in gleicher Weise verhalten würde – in der Vergangenheit war Six bereits unter anderem in den Jahren 2012/13 während des Bürgerkrieges in Syrien inhaftiert worden.
Diese enge Interpretation der Wiederholungsgefahr lässt den nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Rechtsschutz trotz womöglich drohender schwerer Grundrechtsgefährdungen der Sache nach leerlaufen, so nun die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG. Denn insoweit sei keine Prognose erforderlich, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen werden. Es reicht dem BVerfG daher, dass Six angab, auch künftig seine Tätigkeit als investigativer Journalist in Krisen- und Kriegsgebieten ausüben zu wollen. Auch bemängelte die Kammer die fehlende Prüfung der Verwaltungsgerichte, ob sich das AA bei einer erneuten Inhaftierung von Six im Ausland in der gleichen Weise verhalten würde.
Weiter könne das Feststellungsinteresse ebenso nicht damit begründet werden, so die Verwaltungsgerichte, dass über eine Klage von im Ausland inhaftierten Deutschen auf Gewährung weiteren diplomatischen Schutzes oder zusätzlicher konsularischer Betreuung typischerweise nicht noch während der Dauer der Inhaftierung in der Hauptsache entschieden werde. Hier geht es also um Fälle, in denen Grundrechtseingriffe tatsächlich typischerweise vor einer gerichtlichen Klärung in der Hauptsache überholt sind.
Klage aus der Haft heraus unrealistisch
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei bei der Inhaftierung eines deutschen Staatsangehörigen durch ein ausländisches Regime die direkte Belastung, die von mangelnder Unterstützung durch das AA ausgeht, auch regelmäßig auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Inhaftierte eine gerichtliche Hauptsacheentscheidung typischerweise kaum zu erlangen vermag, so das BVerfG. In solchen Fällen sei es gerade typisch, dass der Inhaftierte "während seiner Haftzeit regelmäßig nicht die Notwendigkeit dazu sieht, Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel zu erheben, das Auswärtige Amt zu einer stärkeren Unterstützung zu bewegen", so das BVerfG weiter. Denn während der Haft sei regelmäßig mangels hinreichender Informationen für den Inhaftierten gar nicht klar, welche konkreten Maßnahmen das AA zur Wahrung seiner Interessen ergreift.
Selbst wenn es ausnahmsweise zu einer Klageerhebung aus der Haft käme, sähe sich der Inhaftierte "in der Regel auch dem Dilemma ausgesetzt, das Auswärtige Amt um Unterstützung bei der Erhebung einer Klage bitten zu müssen, mit der er eben dieses zu einer größeren Unterstützung in seiner Sache anzuhalten versucht". Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts habe die mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht zu vereinbarende Konsequenz zur Folge, so das BVerfG abschließend, dass in diesen Fällen gerichtlicher Rechtschutz praktisch nicht zu erlangen und damit das Handeln des AA einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen wäre.
jb/LTO-Redaktion
Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerde vorm BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 30.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56469 (abgerufen am: 08.02.2025 )
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