OLG verneint Befangenheit: Richter durfte buch­stäb­lich auf den Tisch hauen

von Joschka Buchholz und Marcel Schneider

10.10.2025

Von Richtern wird erwartet, dass sie ihre Prozesse souverän und mit der nötigen Würde führen. Eine Engelsgeduld müssen sie aber nicht haben, stellt das OLG München klar. In dem Fall hatte es der Anwalt der Beklagtenseite zu weit getrieben.

Erklärungen von Richtern, die sie mit einer "gewissen Deutlichkeit und Schärfe" aussprechen, begründen nicht ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München entschieden (Beschl. v. 26.09.2025, Az. 19 U 2796/24 e).

In dem Fall geht es um die Rückzahlung eines teuren Darlehens. Nach der mündlichen Verhandlung stellte die beklagte Partei zwei Ablehnungsgesuche (§ 44 ZPO). Der Vorsitzende Richter zeige "unbeherrschte Emotionen", indem er mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen habe, und spreche der Partei immer wieder implizit die Glaubwürdigkeit ab. Die Berichterstatterin habe sich zudem abwertend und parteiisch geäußert, indem sie Antworten vorwegnehme und der Partei unterstelle, "Spielchen" zu betreiben.

Das OLG entschied nun, dass die Befangenheitsanträge unbegründet seien.

Richter müssen keine "Engelsgeduld" an den Tag legen

Es legte erst einmal den Prüfungsmaßstab fest. So ist Befangenheit aus Sicht des Gerichts ein Zustand, "der eine vollkommen gerechte und von jeder falschen Rücksicht freie Entscheidung zur Sache beeinträchtigt".

Wichtig: Dabei ist nicht entscheidend, dass der Richter wirklich befangen ist. Es müsse vielmehr, so führt es das OLG unter Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung weiter aus, "schon der äußere Anschein von Befangenheit, der 'böse Schein' von Voreingenommenheit vermieden werden; auf die tatsächliche innere Haltung des Richters kommt es nicht an". Aus Sicht der ablehnenden Partei müsse nachvollziehbar ein vernünftiger und einigermaßen objektiver Grund bestehen, "der sie von ihrem Standpunkt aus vernünftigerweise befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden".

Unsachliches Verhalten von Richtern, etwa in Form von groben Fehlgriffen in der Wortwahl oder abfälligen, herabwürdigenden oder gar beleidigenden Äußerungen, kommt damit grundsätzlich als Ablehnungsgrund in Betracht. Doch "persönliche Spannungen und scharfe, etwa auch von starken Emotionen getragene Diskurse zwischen einem Richter und den Prozessbevollmächtigten" genügten für sich genommen noch nicht, schließlich sei der Streit gerade Wesenskern des kontradiktorischen Zivilverfahrens, stellt das OLG klar.

Konkret dürfe ein Richter "lebhaft sein, auch laut und deutlich sprechen und seiner Pflicht mit Eifer und Leidenschaft nachgehen", argumentiert das OLG unter Berufung auf einschlägige Kommentarliteratur. Zwar werde vom Richter "zu Recht mehr Disziplin erwartet als von den anderen Prozessbeteiligten". Er müsse aber auch nicht in jeder Situation eine "Engelsgeduld" aufbringen.

Unbedenklich ist eine richterliche Erklärung aus Sicht des OLG München auch dann, wenn diese "inhaltlich eine gewisse Deutlichkeit und Schärfe enthält, diese sich allerdings allein auf der Sachebene bewegt und keine persönliche Missachtung einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten ausdrückt". "Bloße Unmutsäußerungen des Richters" und erst recht "durch das Prozessgeschehen provozierte und damit verständliche Unmutsaufwallungen" führen laut OLG dabei nicht gleich die Besorgnis der Befangenheit herbei.

Beklagtenseite hat emotionale Reaktionen provoziert

Nachdem das OLG diesen Maßstab festgelegt hatte, ging es um die Frage, ob die beklagte Partei die jeweiligen Ablehnungsgründe glaubhaft machen kann. So sieht es § 44 Abs. 2 ZPO vor. In Ablehnungsfällen müssen die betroffenen Richter dienstlich Stellung nehmen (§ 44 Abs. 3 ZPO). Die dienstlichen Stellungnahmen, die sowohl der Vorsitzende als auch die Berichterstatterin abgegeben hatten, zog das OLG bei der Bewertung der Befangenheitsanträge hinzu.

So bestätigte der Vorsitzende, tatsächlich mit der flachen Hand auf den Richtertisch geschlagen zu haben. Damit habe er der Aufforderung Nachdruck verleihen wollen, dass die beklagte Partei und ihr Anwalt bitte die (Wahrheits-)Pflichten gemäß § 138 ZPO einhalten mögen. Grund dafür sei "ein überaus ungeordnetes Auftreten auf Beklagtenseite", obwohl das Gericht vorher mehrere Hinweise gegeben und Anordnungen erlassen hatte. Unter anderem habe die Beklagtenseite eine Ladungsverfügung nicht eingehalten, ohne das erklären zu können.

Die Berichterstatterin bestätigte in ihrer Stellungnahme ebenfalls, dass der Satz "Lassen Sie diese Spielchen" jedenfalls sinngemäß gefallen ist. Das habe aber einen Grund gehabt: So habe die Beklagtenseite etwa behauptet, sie habe Schriftsätze nicht erhalten, obwohl diese teilweise extra mit Postzustellungsurkunde an diese übermittelt worden waren, nachdem die Zustellung per besonderen elektronischen Anwaltspostfach mehrfach gescheitert war. Teilweise hätten Akten in dem Verfahren sogar an Privatadressen geschickt werden müssen, weil die Zustellung an die Kanzleiadresse nicht möglich gewesem sei. Diese Vorkommnisse hätten irgendwann einen Grad erreicht, der nicht mehr hinzunehmen gewesen sei.

Im Ergebnis war für das OLG die Sache klar. Für den in den Befangenheitsgesuchen geltend gemachten "klaren Verstoß gegen die Neutralitätspflicht" hatte es am Ende nur ein Wort übrig, das viele Juristen noch aus der Klausurenkorrektur im Jurastudium kennen dürften: "abwegig"!

Zitiervorschlag

OLG verneint Befangenheit: . In: Legal Tribune Online, 10.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58349 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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