Drei Fanprojekt-Mitarbeiter verweigerten nach einer Pyro-Aktion im Fußballstadion die Aussage. Sie wollten ihr Vertrauensverhältnis zu den Fans schützen. Das AG Karlsruhe verurteilte die Sozialarbeiter nun zu Geldstrafen.
Das Amtsgericht (AG) Karlsruhe hat drei Mitarbeiter des KSC-Fanprojekts wegen des Vorwurfs der versuchten Strafvereitelung gemäß § 258 Abs. 1, 4, 22, 23 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) in 21 Fällen zu Geldstrafen verurteilt (Urt. v. 28.10.2024, Az. 17 Cs 530 Js 45512/23). Nach einem Pyro-Vorfall beim Zweitligaspiel des Karlsruher SC gegen den FC St. Pauli im November 2022 hatten sich die drei Sozialarbeiter geweigert, in der Aufarbeitung als Zeugen auszusagen. Der Fall sorgte in den Fanprojekten bundesweit für Unruhe.
Bei der Pyro-Aktion im Karlsruher Wildparkstadion waren vor knapp zwei Jahren mehrere Menschen verletzt worden. Die Mitarbeiter des Fanprojekts waren im Rahmen der Ermittlungen darauf mehrfach zu verschiedenen Sachverhalten befragt worden, verweigerten aber ihre Aussage. Deshalb wurden jetzt jeweils 90 Tagessätze zu 90, 70 und 45 Euro verhängt. Die Staatsanwaltschaft hatte höhere Geldstrafen gefordert. Die Angeklagten kündigten an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Ihr Verhalten hatten sie damit begründet, dass sie bei ihrer Arbeit auf das Vertrauen der Fans angewiesen seien und dieses Vertrauensverhältnis schützen müssten.
Fanhilfen-Dachverband empört
Das Abbrennen von Pyrotechnik gehört, beispielsweise im Rahmen von größeren optischen Aktionen vor Spielbeginn oder nach Toren der eigenen Mannschaft, seit Jahrzehnten zum festen Bestandteil verschiedener etablierter Subkulturen innerhalb des Fußballs. Immer wieder hat es Annäherungsversuche zwischen den organisierten Fanszenen und den Verbänden gegeben, um das kontrollierte und somit noch sicherere Abbrennen von Pyrotechnik zu ermöglichen. Zuletzt wurde dieser Dialog abermals einseitig durch die Verbände abgebrochen. Nach den Versammlungsstättenverordnungen der Länder, nach § 24 der Sicherheitsrichtlinien des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) und den Stadionordnungen ist das Zünden von Pyrotechnik im Stadion grundsätzlich verboten.
Das Urteil sei "untragbar und in der Gesamtschau völlig absurd", teilte der Dachverband der Fanhilfen auf Anfrage der dpa mit. Die "gesellschaftlich gewünschte" Arbeit der Fanprojekt-Mitarbeitenden werde "gezielt kriminalisiert und somit unmöglich gemacht. Es braucht endlich ein Zeugnisverweigerungsrecht in der sozialen Arbeit".
Ein solches fordert auch der KSC. "Aus unserer Sicht haben die Sozialarbeiter ihren Beruf der Sozialarbeit so ausgeübt, wie es aus ihrer Perspektive der einzig richtige Weg ist", teilte der Club mit. Die Verurteilung der drei Fanprojekt-Mitarbeitenden bedauerte der Verein*.
Das Gericht sah es im vorliegenden Fall laut Mitteilung "als erwiesen an, dass die Angeklagten durch die Verweigerung der Aussage bei der Vernehmung durch den Ermittlungsrichter wissentlich versucht haben, die Strafverfolgung von an der Pyro-Aktion Beteiligten zu verzögern oder ganz zu verhindern". Sie seien zu Beginn der Vernehmung darauf hingewiesen worden, dass sie zur Aussage verpflichtet seien. Es sei ihnen auch bewusst gewesen, dass sie kein Aussageverweigerungsrecht wegen der Gefahr einer möglichen eigenen Strafverfolgung gehabt hätten, ebenso wenig wie ein Zeugnisverweigerungsrecht.
In der sozialen Arbeit gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen ein Zeugnisverweigerungsrecht. Die Bundesregierung hatte sich zuletzt gegen eine Reform ausgesprochen.
jb/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
* Anm. d. Red.: Vereinsstatement ergänzt am Tag der Veröffentlichung, 15:51 Uhr
Wegen Aussageverweigerung bei Pyro-Ermittlungen: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55733 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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