Den Reiseveranstalter trifft grundsätzlich keine Schadensersatzpflicht, wenn die vom ihm zunächst ausgewählte Fluggesellschaft in Insolvenz geht. Das hat das Amtsgericht München heute entschieden.
Das Amtsgericht (AG) München hat die Klage eines Reisenden wegen Verspätung seines Fluges abgewiesen (Urt. v. 23.04.2021, Az. 158 C 23585/20). Der Mann und seine Ehefrau hatten gegen eine Reiseveranstalterin auf Zahlung von 800 Euro geklagt.
Das Ehepaar hatte im Herbst 2019 bei der Beklagten eine Pauschalreise für 2.508 Euro nach Ägypten gebucht. Zwei Wochen vor dem Hinflug ging jedoch die von der Reiseveranstalterin ausgewählte Fluggesellschaft in Insolvenz. Deshalb erfolgte der Flug mit einer anderen Fluggesellschaft und statt um 13:30 Uhr erst um 22:15 Uhr. Das Ehepaar kam daher erst um 06:00 Uhr in ihrem gebuchten Hotel in Marsa Alam an. Aufgrund der Strapazen habe seine Frau ein Kreislaufversagen erlitten und drei Tage lang ärztlich behandelt werden müssen, so der Kläger.
Die Reiseveranstalterin hatte dem Ehepaar vorgerichtlich bereits 100 Euro gezahlt. Dies genügte dem Kläger jedoch nicht: Er trug vor, dass ihm gemäß der EU-Verordnung 261/2004 ein Anspruch auf Zahlung von 800 Euro gegen die ursprünglich ausgewählte Fluggesellschaft zustehe. Aus der Unmöglichkeit des Anspruchs aufgrund der Insolvenz ergebe sich dabei ein Schadensersatzanspruch gegen die Reiseveranstalterin. Diese habe als professionelles Touristikunternehmen eine Fluglinie ausgewählt, die sich bekanntermaßen bereits in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe, so der Kläger.
Die Reiseveranstalterin trug wiederum vor, ihr seien die wirtschaftliche Verhältnisse der Fluggesellschaft nicht bekannt gewesen und diese habe ihre Flüge immer zuverlässig durchgeführt. Sie habe auch keine Pflicht, dafür zu sorgen, dass Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung gegen die befördernde Fluggesellschaft durchsetzbar seien. Hinsichtlich der Flugverzögerung sei es so, dass die ersten vier Stunden als bloße Unannehmlichkeit im Rahmen des Massentourismus entschädigungslos hinzunehmen seien. Hier komme eine Minderung erst ab der fünften Verzögerungsstunde in Betracht, sodass eigentlich lediglich 50,16 Euro geschuldet seien, so die Beklagte. Auch trug die Beklagte vor, es sei wohl von einer Vorerkrankung bei der Frau auszugehen, wodurch es zum Kreislaufversagen kam.
Richterin: Gesundheitszustand ist nicht Gegenstand des Reisevertrages
Die Richterin des AG München folgte in ihrem Urteil im Wesentlichen der Ansicht der Beklagten. In dem Pauschalreisevertrag war nur eine unverbindliche Abflugszeit abgegeben, wobei eine Verschiebung im Rahmen des Massentourismus in gewissem Umfang als bloße Unannehmlichkeit hinzunehmen sei. Erst bei einer Verzögerung von mehr als vier Stunden stehen dem Reisenden nach überwiegender Rechtsprechung gemäß § 651m Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Minderungsansprüche in Höhe von 5-Prozent für jede weitere Stunde zu. Mit der Zahlung von 100 Euro habe die Reiseveranstalterin diesen Anspruch hinreichend ausgeglichen.
Im Rahmen des Pauschalreisevertrags sei von dem Gesundheitszustand eines durchschinittlichen Reisenden auszugehen, weitergehende individuelle Erwägungen kommen hier nicht in Betracht. Die Richterin führte weiter aus, dass bereits Zweifel daran bestehen, ob die insolvente Fluggesellschaft überhaupt das ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinne der Fluggastrechteverordnung sei.
Foglich wurde die Klage abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
jb/LTO-Redaktion
AG München zu Pauschalreise: . In: Legal Tribune Online, 23.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44798 (abgerufen am: 14.12.2024 )
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