Landgericht Koblenz lehnt Vertragsanpassung ab: Pacta sunt ser­vanda – und zwar auch in Kri­sen­zeiten

07.03.2025

Corona-Pandemie und der Ukrainekrieg beeinflussen zwar die Weltwirtschaft, aber nicht einen Vertrag: Das LG Koblenz hat entschieden, dass der Käufer eines Grundstücks keine Vertragsanpassung wegen geopolitischer Krisen verlangen kann.

"Pacta sunt servanda" – Verträge sind zu einzuhalten, wie schon jeder Jurastudent nach den ersten Zivilrechtsvorlesungen weiß. Doch was passiert, wenn weltweite Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Ukrainekrieg die wirtschaftlichen Umstände verändern, auf deren Grundlage Verträge geschlossen werden? Genau mit dieser Frage musste sich das Landgericht (LG) Koblenz beschäftigen. 

Sein Ergebnis: Auch in Krisenzeiten bleibt ein Vertrag verbindlich, vor allem, wenn die Krise zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits absehbar war. Die nachträgliche Anpassung einer Baufrist, um die es in diesem Fall konkret geht, hat das Gericht aus diesem Grund abgelehnt (Urt. v. 11.12.2024, Az. 14 O 278/24).

Ein Vertrag, zwei Krisen – was jetzt?

Im Frühjahr 2020, als das Coronavirus gerade begann, die Welt auf den Kopf zu stellen, schloss der in diesem Fall beklagte Käufer mit der klagenden Verkäuferin einen Vertrag über den Kauf eines Grundstücks. Für den Preis von 226.440 Euro erwarb der Käufer nicht nur ein Stück Land, sondern verpflichtete sich auch, innerhalb von drei Jahren ein gewerbliches Gebäude darauf zu errichten.

Obwohl der Kaufpreis bezahlt und der Käufer im Grundbuch eingetragen worden war, blieb der Bau des geplanten Gebäudes jedoch aus. Nach Ablauf der vereinbarten Frist im Februar 2024 erklärte die klagende Verkäuferin den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Rückgabe des Grundstücks gemäß § 323 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). 

Der Käufer jedoch wollte das nicht hinnehmen. Er berief sich darauf, dass die Corona-Pandemie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, auf denen der Vertrag fuße, massiv verändert hätte. Das sei beim Vertragsabschluss noch nicht absehbar gewesen. Der Ukrainekrieg ab 2022 habe die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage dann weiter verschärft. Wären ihm die Entwicklungen bekannt gewesen, hätte er darauf gepocht, bei Vertragsabschluss eine längere Bebauungsfrist zu vereinbaren, so die Argumentation des Käufers. Darum hielt er eine Anpassung des Vertrages gemäß § 313 Abs. 1 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) für notwendig.

Wann nachträgliche Vertragsanpassungen möglich sind

Mit § 313 Abs. 1 BGB kennt das Gesetz die Möglichkeit einer Vertragsanpassung, wenn sich die Geschäftsgrundlage eines Vertrags erheblich verändert hat. Die "Störung der Geschäftsgrundlage" kann vorliegen, wenn sich die vertraglichen Bedingungen nach Vertragsabschluss so gravierend ändern, dass das Festhalten an den ursprünglichen Vereinbarungen für eine Partei unzumutbar wird. Diese Norm wurde in der Vergangenheit häufig im Zusammenhang mit unvorhersehbaren Ereignissen wie Naturkatastrophen oder anderen unvorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklungen angewandt. 

Der Grundgedanke dahinter: Wenn beide Parteien einen Vertrag abschließen, gehen sie von bestimmten äußeren Bedingungen aus. Wenn sich diese Bedingungen unvorhergesehen und erheblich verändern, kann eine Anpassung des Vertrags gerechtfertigt sein.

Corona-Folgen vorhersehbar, Krieg unternehmerisches Risiko

Das LG Koblenz bewertete die Lage in diesem konkreten Fall jedoch anders und lehnte eine Vertragsanpassung ab. Das Gericht stellte klar, dass ein Vertrag auch in Krisenzeiten bestand habe – insbesondere, wenn der Lauf der Krise zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits absehbar war. Das LG sah die wirtschaftlichen Veränderungen durch die Pandemie und den Ukrainekrieg nicht als ausreichend genug an, um eine Vertragsanpassung zu rechtfertigen. 

Zunächst einmal sei die Pandemie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im April 2020 bereits ein weltweites Thema gewesen, so das Gericht. Das Coronavirus sei als Pandemie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt worden und auch in den Medien war die Krise schon seit Monaten omnipräsent. Die politische und wirtschaftliche Unsicherheit sei unübersehbar gewesen, ebenso wie es bekannt gewesen sei, dass die Pandemie erhebliche wirtschaftliche Folgen haben würde. Das Gericht ging deshalb davon aus, dass dem beklagten Käufer bewusst war, dass er den Vertrag in einer unsicheren wirtschaftlichen Lage abschloss. Es konnte zu diesem Zeitpunkt laut Gericht nicht mehr von einer unvorhersehbaren Veränderung der Umstände gesprochen werden.

Auch der Ukrainekrieg, der 2022 begann und die ohnehin schwierige wirtschaftliche Lage weiter verschärfte, ändert laut Gericht nichts daran, dass diese Art von Unsicherheit ebenso in das unternehmerische Risiko des Käufers fiel. Das Gericht entschied, dass wirtschaftliche Schwankungen, wie sie durch die Pandemie und später den Ukrainekrieg verursacht wurden, in einem üblichen unternehmerischen Risikorahmen liegen und keine so schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen, dass eine Anpassung des Vertrages nach § 313 BGB gerechtfertigt wäre. 

Der Rücktritt der klagenden Verkäuferin vom Kaufvertrag sei damit wirksam.

xp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Landgericht Koblenz lehnt Vertragsanpassung ab: . In: Legal Tribune Online, 07.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56750 (abgerufen am: 18.03.2025 )

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