Als die Polizei bei einer Verkehrskontrolle ihre Bodycams aktiviert, zeichnet auch die Autofahrerin das Geschehen mit ihrem Handy auf. Prompt folgt die Beschlagnahme. Ob das rechtens war, wagt das Bundesverfassungsgericht zu bezweifeln.
Im März geriet eine Frau wegen ihres auffälligen Fahrverhaltens in eine Verkehrskontrolle durch mehrere Polizeibeamten. Im Verlauf der Kontrolle aktivierte einer der Polizeibeamten seine Bodycam. Dadurch sah sich die Frau veranlasst, das Geschehen ebenfalls aufzuzeichnen und hielt ihr Smartphone auf die Beamten.
Die Reaktion der Polizisten: Das Handy wurde auf telefonische Anordnung der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts einer Strafbarkeit der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Strafgesetzbuch (StGB) beschlagnahmt.
Wann und wie lange die Beschlagnahme eines Smartphones durch die Polizei rechtmäßig ist, muss immer genau geprüft werden. An der Rechtmäßigkeit hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun erhebliche Bedenken – eine Entscheidung in der Sache traf es aber nicht (Beschl. v. 09.07.2025, Az. 1 BvR 975/25).
BVerfG äußert sich trotz Unzulässigkeit der Beschwerde
Die Frau ging gegen die Beschlagnahme gerichtlich vor, blieb jedoch sowohl vor dem Amtsgericht Rosenheim als auch vor dem Landgericht (LG) Traunstein ohne Erfolg. Nach der Auffassung des LG Traunstein sei jedenfalls das von der Frau aufgezeichnete Video als Beweismittel für das weitere Ermittlungsverfahren von Bedeutung.
Auch mit ihrer Verfassungsbeschwerde, mit der sie unter anderem die Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 Grundgesetz (GG) und auf rechtliches Gehör geltend machte, drang sie nicht durch. Weil sie keine Gehörsrüge erhoben und so den Rechtsweg nicht vollständig erschöpft hatte, wurde die Beschwerde als unzulässig abgewiesen. In der Sache mussten die Karlsruher Richter somit nicht über die Beschlagnahme entscheiden.
Nichtsdestotrotz nahmen sie die Entscheidung zum Anlass, ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme kundzutun. Insbesondere sei die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme fraglich.
Ist das Filmen von Polizeieinsätzen überhaupt strafbar?
So unterliege bereits die Annahme der Fachgerichte, dass in der vorliegenden Konstellation ein Anfangsverdacht einer Straftat nach § 201 Abs. 1 StGB vorliege, zumindest gewissen Zweifeln. In der Literatur und Rechtsprechung gebe es gewichtige Argumente gegen die Strafbarkeit von Aufzeichnungen polizeilicher Maßnahmen. "Polizeiliche Maßnahmen dürfen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht dazu führen, dass Betroffene aus Furcht zulässige Aufnahmen und mit diesen nicht selten einhergehende Kritik an staatlichem Handeln unterlassen", heißt es in dem Beschluss.
Daneben betont das BVerfG das geringe staatliche Interesse an der zu diesem Zeitpunkt bereits seit über drei Monaten andauernden Beschlagnahme des Smartphones. Schon abstrakt weise § 201 Abs. 1 StGB eine nicht besonders hohe Strafdrohung auf. Es lägen auch genügend andere Beweismittel zum Tatnachweis vor – etwa die Polizeibeamten als Zeugen, die Bodycamaufzeichnungen und ein schriftliches Geständnis der Frau. Insofern sei die Beweisbedeutung des Smartphones und auch des auf dem Smartphone gespeicherten Videos selbst nicht besonders hoch.
Demgegenüber stünden durchaus gewichtige private Interessen der Frau aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Art. 14 Abs. 1 GG. "Smartphones haben heute einerseits eine besondere Bedeutung für das alltägliche Leben ihrer Nutzenden, andererseits ergibt sich aus ihrer Auswertung ein erhebliches Risiko für die Persönlichkeitsrechte der Nutzenden", so das BVerfG.
Zumindest in der vorliegenden Konstellation bestünden in der Zusammenschau verfassungsrechtliche Zweifel an der Beschlagnahme des Smartphones, resümierten die Karlsruher Richter.
lmb/LTO-Redaktion
"Für die persönliche Lebensführung unverzichtbar": . In: Legal Tribune Online, 05.09.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58088 (abgerufen am: 15.11.2025 )
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