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EuGH zur Bekämpfung rechtswidriger Inhalte im Internet: Staaten dürfen nur Online-Dienste im eigenen Land regu­lieren

09.11.2023

Das Bild zeigt das Google-Logo, was Implikationen für die Regulierung von Online-Diensten in Europa verdeutlicht.

Google, TikTok und Meta errungen vor dem EuGH einen Erfolg. Foto: picture alliance / NurPhoto | Artur Widak

Google, Meta und Tiktok haben vor dem EuGH einen Erfolg verbuchen können. Das österreichische Kommunikationsplattformengesetz verstoße gegen Unionsrecht, entschied der Gerichtshof.

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Ein Mitgliedstaat darf einer Online-Plattform, die ihre Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat hat, keine "generell-abstrakten Verpflichtungen" auferlegen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach einer Vorlage des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) entschieden (Urt. v. 9.11.2023, Az. C-376/22). Das nationale Vorgehen verstößt gegen das Unionsrecht.

Dem Vorabentscheidungsersuchen liegt ein Rechtsstreit zwischen Google Ireland, Meta Platforms Ireland und Tiktok und einer österreichischen Verwaltungsbehörde zugrunde. Streitpunkt: das österreichische Kommunikationsplattformengesetz. 2021 in Kraft getreten, verpflichtet es inländische und ausländische Kommunikationsplattformen, Melde- und Überprüfungsverfahren für potenziell rechtswidrige Inhalte einzurichten und dazu regelmäßig Transparenzberichte zu veröffentlichen. Die Kommunikationsbehörde KommAustria wacht über die Einhaltung dieser Bestimmungen durch die vom Gesetz erfassten Tech-Riesen. Bei Verstößen kann sie Geldstrafen in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro verhängen.

Online-Plattformen beklagen Unvereinbarbeit mit Unionsrecht

Die drei in Irland ansässige Online-Plattformen Google Ireland, Meta Platforms Ireland und TikTok hatten die Vorgaben nicht oder nur teilweise umgesetzt und waren vor Gericht gezogen. Sie meinen, dass das österreichische Gesetz gegen das Unionsrecht, konkret gegen die Richtlinie über Dienste der Informationsgesellschaft (Richtlinie 2000/31/EG), verstoße.

Dem stimmt der EuGH mit Verweis auf das Ziel der Richtlinie zu. Sie diene dazu, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen. Der der Richtlinie zugrunde liegende Grundsatz der Aufsicht im Herkunftsmitgliedstaat beseitige die Hürden, die die verschiedenen anwendbaren nationalen Regelungen darstellen.

Mitgliedstaat darf nicht "generell-abstrakt" regeln

Zwar könnten ausnahmsweise auch andere Mitgliedstaaten als der Herkunftsmitgliedstaat des Online-Dienstes tatsächlich Maßnahmen ergreifen, um die öffentliche Ordnung, den Schutz der öffentlichen Gesundheit, die öffentliche Sicherheit oder den Schutz der Verbraucher zu gewährleisten, so der EuGH. 

"Jedoch dürfen sie keine generell-abstrakten Maßnahmen ergreifen, die unterschiedslos für alle Anbieter einer Kategorie von Diensten der Informationsgesellschaft gelten," heißt es in der Pressemitteilung des EuGH. Unterschiedslos bedeute "ohne Unterschied zwischen in diesem Mitgliedstaat ansässigen Diensteanbietern und solchen, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind".

Könnten andere Mitgliedstaaten als der Herkunftsstaat solche generell-abstrakten Verpflichtungen erlassen, würde dies den Grundsatz der Aufsicht im Herkunftsmitgliedstaat anzweifeln, urteilte der EuGH. Zudem läge ein Eingriff in die Regelungskompetenz des Herkunftsmitgliedstaats (hier Irlands) vor. Ließe man dies zu, drohe, so der EuGH, ein Vertrauensverlust zwischen den Mitgliedstaaten. 

Ein Paukenschlag - auch für Deutschland?

Das Urteil aus Luxemburg betrifft nicht nur die österreichische Regelung. Das Verbot "generell-abstrakter" Regelungen für Plattformanbieter wird auch in Deutschland Wellen schlagen. "Es könnte auf andere Länder ausstrahlen und insgesamt die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten in dem Gebiet der Plattformregulierung unter einem neuen Licht erscheinen lassen", meint Dr. Benjamin Lück, Rechtsanwalt und Projektkoordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte.

Es dürfte zudem das Aus für einen Großteil des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bedeuten, so Lück. Zwar wurde das NetzDG für die sehr großen Online-Plattformen weitgehend durch den DSA abgelöst. "Das Urteil engt den Spielraum nationaler Gesetzgebung für die Zukunft erheblich ein," meint der Rechsanwalt. Zudem dürfte es aber vor allem auch Auswirkungen auf die Verfahren haben, die das Bundesamt für Justiz (BfJ) unter dem NetzDG gegen die Plattformen eingeleitet hat, insbesondere das jüngste Bußgeldverfahren gegen X/Twitter, befürchtet Lück.

Nun ist der österreichische Verwaltungsgerichtshof am Zug. Er hat den Rechtsstreit unter Zugrundelegung des EuGH-Urteils zu entscheiden. 

mw/LTO-Redaktion

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EuGH zur Bekämpfung rechtswidriger Inhalte im Internet: . In: Legal Tribune Online, 09.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53118 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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