EU-Parlament will Begriffe wie "Veggie-Burger" verbieten: Konrad Ade­nauer würde sich im Grabe umdrehen

Kommentar von Dr. Felix W. Zimmermann

08.10.2025

Das EU-Parlament hat beschlossen, Begriffe wie "Veggie-Burger" zu verbieten, angeblich um Verbraucher zu schützen. In Wirklichkeit ist das aber nichts anderes als eine Sprachpolizei zugunsten der Fleischindustrie, meint Felix W. Zimmermann.

Vor einigen Jahren klagten viele über eine "linke Sprachpolizei", die den Menschen das Gendern aufoktroyieren würde. Die Zeiten haben sich geändert. Nun sind es konservative Kräfte, die sich zur Sprachpolizei aufschwingen, um politische Interessen durchzusetzen, und zwar nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Noch im Oktober 2020 hatte das EU-Parlament ein Verbot von Bezeichnungen wie "Veggie-Burger", "Veggie-Schnitzel" oder "Tofu-Wurst" abgelehnt (LTO berichtete). Heute wurde das Verbot mit Mehrheit beschlossen.

Offiziell geht es um Verbraucherschutz, tatsächlich aber um Macht über Sprache und Märkte. Die Fleischindustrie soll protegiert werden, um den Trend zu veganen Produkten umzukehren. Dies könnte durchaus gelingen, denn Käufer werden Schwierigkeiten haben, solche Fleischersatzprodukte im Supermarkt zu finden und als solche zu identifizieren, wenn sie plötzlich Veggie-Turm, Soja-Schnitte und Tofu-Stengel heißen.

Genau das ist auch das Kalkül der Fleischindustrie, die offenbar die konservativen Abgeordneten erfolgreich lobbyiert hat. Stimmen die EU-Mitgliedstaaten zu, wären die Folge rückläufige Umsätze für die Hersteller von pflanzlichen Lebensmitteln, mehr Fleischkonsum, damit mehr Tierleid und natürlich eine größere Umweltbelastung – im klaren Widerspruch zu den erklärten EU-Klimaschutzzielen.

Verwechslungsgefahr mit echten Fleischprodukten? So ein Quatsch!

Die offizielle Argumentation, es gehe darum, eine "echte Verwechslungsgefahr" zwischen Fleisch- und Veggieprodukten zu bannen, ist offensichtlich vorgeschoben. Tatsächlich zeigen Umfragen, dass eine solche Gefahr nicht besteht. Dafür dürften schon die jeweiligen Vorsilben "Tofu-", "Soja-" oder "Veggie-" sorgen, die für jeden "normal informierten Durchschnittsverbraucher" (von diesem Leitbild geht übrigens die EU selbst aus) klar machen, dass es sich gerade nicht um Fleisch handelt.

Würde wirklich Verwechslungsgefahr vorliegen, hätte die Fleischindustrie längst juristisch erfolgreich Verbote erwirkt. Denn mit dem Wettbewerbsrecht kann gegen die Irreführung von Konsumenten vorgegangen werden (§ 5 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG).

Insofern besteht auch ein gravierender Unterschied etwa zu "Milch", deren Bezeichnung nach einer EU-Verordnung schon seit 2013 nicht für Ersatzprodukte verwendet werden darf. Der EuGH entschied hier im Jahre 2017, dass durch klarstellende Zusätze eine Verwechslungsgefahr nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Auch diese Entscheidung kann man mit guten Gründen kritisieren. Für sie spricht aber immerhin, dass "Milch" nun mal die Flüssignahrung ist, die ein weibliches Tier oder eine Frau ihren Neugeborenen gibt. Die Begriffsverwendung für vegane Produkte kann damit, wenn man streng ist, als falsch oder irreführend bezeichnet werden.  

Das gleiche gilt für Produkte, die etymologisch sowie nach dem allgemeinen Sprachverständnis an Milch als Ausgangsprodukt anknüpfen, also Käse und Joghurt. Mit allen Bezeichnung verbindet der Verbraucher also Milch als Ausgangsprodukt.

Burger, Schnitzel und Wurst beschreiben eine Form

Ganz anders bei Burger, Wurst oder Schnitzel. Schon etymologisch stehen diese Begriffe nicht für Fleisch, sondern für die Form. "Schnitzel" kommt vom mittelhochdeutschen snitzen – schneiden – und heißt wörtlich "kleiner Schnitt". "Wurst" stammt von mitteldeutsch "worst" ab und steht für "das Gedrehte, Gewundene". Der Begriff "Burger" wiederum leitet sich nicht vom Fleisch, sondern bekanntlich vom "Hamburger", also der Herkunftsbezeichnung, ab.

Viel wichtiger als diese etymologischen Herleitungen ist jedoch schlicht, dass Konsumentinnen und Konsumenten seit Jahren – bei Wurst sogar seit Jahrzehnten – daran gewöhnt sind, dass auch vegane Produkte entsprechend heißen.

Noch ist das Verbot nicht beschlossen: Die EU-Mitgliedstaaten müssen mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Das heißt, erstens müssen mindestens 15 von 27 Mitgliedstaaten zustimmen und zweitens müssen die Befürworter dabei mindestens 65 Prozent der Bevölkerung vertreten (Art. 16 Abs. EU-Vertrag und Art. 238 Abs. lit. a Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union).

Gegen das Verbot gibt es auch eine klare Allianz großer Supermarktketten, von Verbraucherschützern und Umweltverbänden, sogar Burger King ist dagegen. Einzig die Fleischindustrie ist – wenig überraschend – für das Verbot.

Deutschland muss dagegen stimmen

Deutschland als einwohnerstarkes EU-Mitglied sollte seinen Einfluss geltend machen – nicht nur im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch im Sinne des Umweltschutzes und der heimischen Industrie. Denn Deutschland ist der größte Markt für pflanzliche Alternativprodukte in Europa und würde besonders darunter leiden.

Wenn schon diese Gründe nicht ausreichen, sollte gerade die unionsgeführte Bundesregierung Deutschlands an den ersten Kanzler dieser Republik denken, den CDU-Politiker Konrad Adenauer. Der hatte bereits 1916 die sogenannte Kölner Wurst, später auch Friedenswurst oder Adenauer-Wurst, erfunden – einen festen Belag aus Soja und Gewürzen als Fleischersatz. Hintergrund war die Fleischknappheit im Ersten Weltkrieg, der Adenauer als Kölner Oberbürgermeister mit Erfindungsgeist begegnete. Man darf vermuten, dass Adenauer über das heutige EU-Vorhaben milde gelächelt hätte – und dann wohl gefragt hätte, ob man im Jahr 2025 wirklich keine größeren Probleme habe, als ausgerechnet die Wurst zu verbieten, die er selbst schon vor über hundert Jahren erfunden hatte.

Zitiervorschlag

EU-Parlament will Begriffe wie "Veggie-Burger" verbieten: . In: Legal Tribune Online, 08.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58340 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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