Zwei derart für den Rechtsstaat gewichtige Entscheidungen an einem Tag erlebt man selten: Sowohl der Beschluss des Bundestages zur Resilienz des BVerfG als auch das EuGH-Urteil mit Fokus auf die anwaltliche Unabhängigkeit sind erfreulich.
"Ein guter Tag für den Rechtsstaat". Diese Bewertung liest man immer wieder in Pressestatements, wenn es etwa darum geht, irgendein Gerichtsurteil aus Karlsruhe zu loben, das gerade eine Norm aus irgendeinem Polizeigesetz irgendeines Bundeslandes für verfassungswidrig erklärt hat. Oder auch, wenn der Bundestag die Rechtsstellung einer gesellschaftlichen Minderheit verbessert und an irgendeiner Stelle die Bürgerrechte nachgeschärft hat.
Ich frage mich: Wenn schon derartige Anlässe einen guten Tag für den Rechtsstaat bedeuten, was ist dann heute für einer?
Es ist ein Tag, an dem die Demokraten im Deutschen Bundestag es hinbekommen haben, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor seinen Feinden und denen des demokratischen Rechtsstaats zu schützen. Eine GG-Änderung wurde beschlossen, die es Autokraten, sollten sie eines Tages in Deutschland das Sagen haben, es hierzulande jedenfalls erheblich schwerer machen wird als ihren Gesinnungsfreunden in Polen oder Ungarn, das Land umzukrempeln. Der ehemalige Verfassungsrichter Peter Müller (CDU) wies heute im Deutschlandfunk zu Recht darauf hin: Wenn Autokraten an die Macht kommen, greifen sie als Erstes die Presse und die Verfassungsgerichte an.
Und das wissen zum Glück auch Müllers Parteifreunde im Bundestag. Insofern auch ein Dankeschön an die Union, die bei dem Thema zwar keinen Grund für "Alarmismus" sieht, die Grundgesetzänderung zur Resilienz des BVerfG aber aus Überzeugung mitträgt. Gut so.
Kein RB Leipzig in der Anwaltswelt
Freuen darf man sich heute aber auch über eine Gerichtsentscheidung aus Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit sehr klaren Worten das deutsche Fremdbesitzverbot an Anwaltskanzleien bestätigt. Als Fußballfan fühlt es sich an, als hätte der EuGH ein Konstrukt wie es RB Leipzig im Fußball ist, nun in der Anwaltswelt verboten. Was für ein Glück.
Investoren werden sich also auch künftig ein anderes Terrain für ihre Gewinnerzielungsabsichten suchen müssen. Anwaltskanzleien jedenfalls werden nicht dazu gehören. Denn, so die klare Botschaft des EuGH heute: Die Beteiligung reiner Finanzinvestoren an einer Anwaltsgesellschaft übt unnötigen Druck auf die Berufsträger aus und gefährdet damit auch ihre Unabhängigkeit.
Lässt man diese beiden Entscheidungen von heute sacken – die aus Berlin und die aus Luxemburg –, darf man tatsächlich mal von einem "guten Tag für den Rechtsstaat" sprechen. In Anbetracht des inflationären Gebrauchs dieser Floskel wohl sogar von einem sensationell guten Tag für den Rechtsstaat.
Fremdbesitz-Urteil und Resilienzbeschluss: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56158 (abgerufen am: 12.02.2025 )
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