Die Union plädiert für die Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes, CDU-Politiker Philipp Amthor rudert unglaubwürdig zurück. Das Gesetz muss bleiben, meint LTO-Chefredakteur Felix W. Zimmermann. Sonst droht die Rückkehr zur Mauschelei.
Die Dreistigkeit eine Forderung zu erheben und sie dann – frei nach dem Motto "Ceci n’est pas une pipe" – als das Gegenteil ihrer selbst zu verkaufen: Der CDU-Politiker und Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor besitzt sie. Nachdem geleakt wurde, dass die Union in den Koalitionsverhandlungen in der von Amthor geleiteten Arbeitsgruppe das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) in seiner jetzigen Form abschaffen will, gab der Politiker zu Protokoll: Bei der Kritik daran handele es sich um eine Märchenstunde. Es habe "mit der Realität leider gar nichts zu tun", dass "irgendwelche Informationsrechte beschnitten werden sollen", zitiert ihn der NDR.
Okay, also Aufatmen – alles ein Missverständnis? Interessierte Bürger:innen sollen weiter das prinzipielle Recht haben, etwa von Bundesministerien auf Anfrage behördliche Dokumente zu erhalten, auch um Missstände aufdecken zu können und den Staat zu kontrollieren? Mitnichten: Der Spiegel zitiert Amthor mit den Worten, dass ihm eine "Neujustierung" des IFG "unter dem Blickwinkel von Bürokratie und Arbeitsbelastung der öffentlichen Verwaltung" "durchaus diskutabel" erscheine. Eine Entlastung der Verwaltung kann es aber doch nur dann geben, wenn tatsächlich weniger Informationsansprüche der Bürger bestehen, weil nur dann die Verwaltung weniger Arbeit hat. Damit gesteht Amthor mittelbar nichts anderes ein, als dass er für eine Beschneidung von Informationsrechten plädiert, die er gleichzeitig als bar jeder Realität und Märchenstunde beschreibt. Das Argument der Belastung der Verwaltung ist ohnehin fadenscheinig, zumal Behörden Bürger:innen Aufwand in Rechnung stellen können.
Jedermann-Auskunft nicht so mächtig wie Presse-Auskunft
Auch Amthors Formulierung der "Neujustierung" spricht klar für seinen Willen, die Informationsfreiheit einschränken zu wollen. Genauso verhält es sich mit seiner Kritik daran, dass Auskunftsrechte der Allgemeinheit angeblich oft weiter reichen würden als die von Presse und Abgeordneten. Würde es Amthor um die stärkeren Informationsrechte von Presse und Abgeordneten gehen, müsste er ja nicht das Informationsfreiheitsgesetz abschaffen.
Inhaltlich ist der Einwand zudem falsch. Presserechtliche Auskunftsansprüche sind in zentralen Bereichen viel mächtiger als der Jedermann-Anspruch auf Auskunft aus dem IFG. Denn das IFG sieht sehr viele Ausnahmen vor, mit denen die Auskunftserteilung ohne jede Abwägung verweigert werden darf. Zum Beispiel Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen: Finden sich diese in Dokumenten, kann eine Behörde entsprechende IFG-Anfragen problemlos abweisen, während beim presserechtlichen Auskunftsanspruch mit Öffentlichkeitsinteressen abgewogen werden muss, wie etwa das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat. Außerdem kann die Presse Auskünfte von Behörden im Eilverfahren meist gerichtlich erzwingen, beim IFG-Anspruch ist dies in aller Regel nicht möglich. Allein einen Vorteil hat das IFG schon immer gegenüber dem presserechtlichen Auskunftsanspruch, nämlich den Zugriff auf ein Dokument selbst, statt nur eine bloße Auskunft.
Amthors Rache am IFG?
Dass ausgerechnet Amthor hier für eine Abschaffung / Neujustierung des IFG plädiert, ist dabei – wie zuerst t-online berichtete – besonders vielsagend. Nach t-online war der Spiegel über eine IFG-Anfrage an Dokumente gelangt, die zeigen, dass Amthor Lobbyarbeit für die New Yorker Firma Augustus Intelligence beim Bundeswirtschaftsministerium betrieb und später Aktienoptionen und einen Direktorenposten erhielt.
Ein exemplarischer Fall, der belegt, wie wichtig das IFG für Journalist:innen zur Aufdeckung von Missständen und Kontrolle des Staates ist. Behördliche Dokumente zeigen schwarz auf weiß, wenn der Einfluss der Industrie auf staatliche Behörden so groß ist, dass diese kritiklos Risikobewertungen übernehmen (Glyphosat). Sie decken schlampig verhandelte Regierungsverträge auf, bei denen Millionen öffentlicher Gelder verschwendet werden (Maut). Sie zeigen, wie der Staat versucht, Bürger nicht sachlich zu informieren, sondern gezielt zu lenken (Corona-Pandemie). Und sie machen sichtbar, wo Behörden tief verstrickt sind – in Menschenrechtsverletzungen (Frontex).
Inakzeptabler Rückschritt für Bürgerrechte
Aber es geht nicht nur um große Skandale, sondern um Vertrauen – in den Staat, in sein ordnungsgemäßes und rechtsstaatskonformes Verhalten, was zum Glück in Deutschland die Regel ist. Der IFG-Kontrollanspruch stärkt dieses Vertrauen und fördert die Demokratie. Ihn zurückzufahren wäre im internationalen Vergleich – etwa mit Blick auf Informationsrechte gegenüber der EU oder in den USA – völlig inakzeptabel. Es wäre ein gewaltiger Rückschritt für Transparenz und Bürgerrechte.
Besonders verstörend ist auch, dass der Unionsvorschlag zur Streichung des IFG unter der Überschrift "Stärkung der repräsentativen Demokratie" steht. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits 2011 entschieden, dass Informationsrechte der Bürger der repräsentativen Demokratie nicht widersprechen, worauf IFG-Experte Prof. Friedrich Schoch bei LTO hinweist. Vielmehr gelte laut Bundesverwaltungsgericht im Gegenteil, dass das Recht der Bürger auf Teilhabe an der politischen Willensbildung sich nicht auf Wahlen beschränkt, auch werde die parlamentarische Kontrolle der Regierung durch IFG-Recherchen in keiner Weise beeinträchtigt. Dafür spricht auch, dass Bürger erst durch umfassende Information über politische Vorgänge, tatsächliche freie Wahlentscheidungen treffen können.
Wir brauchen das Gegenteil
Der Vorschlag zur Abschaffung des IFG in seiner bisherigen Form durch Amthor und Co. ist nichts anderes als der plumpe und durchsichtige Versuch, sich in alte Zeiten zurück zu "beamen". Zeiten, in denen noch schön hinter verschlossenen Türen gemauschelt werden konnte, ohne sich vor unbequemen Anfragen von Bürger:innen und Journalist:innen Sorgen zu müssen.
Was wir angesichts der weltweiten Erosion von Rechtsstaatlichkeit und Aufblühen rechtsextremer Kräfte allerdings brauchen, ist das Gegenteil. Die Politik muss gerade in diesen Zeiten Vertrauen in demokratische Entscheidungen stärken und nicht schwächen. Alles andere freut nur diejenigen, die das demokratische System ohnehin verachten und überwinden wollen.
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Unions-Vorstoß zur Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56891 (abgerufen am: 22.05.2025 )
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