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Legalisierung von Cannabis: Rückzug vor­pro­gram­miert

Kommentar von Hasso Suliak

27.10.2022

Gesundheitsminister Karl Lauterbach

Gesundheitsminister Karl Lauterbach lässt Vorhaben in Brüssel prüfen: Auf eine Cannabis-Legalisierung in Deutschland wird man wohl noch länger warten müssen. Bild: picture alliance/dpa | Britta Pedersen, Collage von LTO

Die Ampel macht ihr Legalisierungs-Versprechen beim Cannabis von der Zustimmung der EU abhängig. Im Koalitionsvertrag war davon noch keine Rede. Stattdessen wurden über Monate falsche Erwartungen geweckt. Beschämend, findet Hasso Suliak. 

Auf den ersten Blick hat die Ampel geliefert. Im Juli hatte der Bundesminister für Gesundheit, Karl Lauterbach (SPD), für Herbst Eckpunkte für eine kontrollierte Cannabis-Legalisierung angekündigt und am Mittwoch war es so weit. In der Bundespressekonferenz wedelte der bis vor kurzem noch entschiedene Legalisierungs-Gegner und gelernte Arzt mit einem zwölfseitigen Papier, das Millionen Cannabis-Konsument:innen in Deutschland im Prinzip erst einmal glücklich macht:

Cannabis und THC sollen aus dem Betäubungsmittelrecht gestrichen werden, Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm bleiben straffrei und zumindest für die über 21-jährigen soll es auch Gras mit höchstem THC-Gehalt zu kaufen geben. Und da eine Online-Abgabe an Privatpersonen erst einmal nicht vorgesehen ist, gibt es für diejenigen, denen der Weg zum Weed-Shop zu weit ist, auch eine Lösung: Bis zu drei weibliche, blühende Pflanzen zu Hause wären erlaubt. "Suche Wohnung mit Süd-Balkon" twitterte passend dazu ein Cannabis-Freund nach Lauterbachs PK.

Indes: Berechtigt ist die Vorfreude in der Cannabis-Community oder gar des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der die Pläne begrüßt, nicht. Denn erfolgreich "eingetütet" ist die Cannabis-Legalisierung längst nicht.

Nur wenn die anderen EU-Staaten mitmachen 

Schon den nächsten Schritt, den der Gesundheitsminister im Sommer noch für Dezember angekündigt hatte, wird es so bald nicht geben: Einen Referentenentwurf auf Grundlage des Eckpunktepapiers. Ob überhaupt jemals ein Gesetzentwurf kommt, steht in den Sternen bzw. hängt vom Goodwill der EU-Kommission und den anderen Mitgliedstaaten ab.

Nur wenn diese davon überzeugt werden können, dass freies Kiffen in Deutschland ein sinnvollerer Beitrag zum Gesundheit- und Jugendschutz im Umgang mit Drogen ist als das hier bisher europaweit geltende Verbot, wird sich die Bundesregierung überhaupt erst an die Arbeit machen, die komplizierte Materie in Gesetzesform zu gießen. Andernfalls, so Lauterbach, trete man "den Rückzug" an.

Und dieser scheint schon jetzt vorprogrammiert. "Ob Italien, Frankreich, Polen Österreich da mitmachen?", bezweifelte am Mittwoch der Augsburger Strafrechtler Prof. Michael Kubiciel. Viktor Orbans Ungarn erwähnte Kubiciel erst gar nicht.   

Bedenken nicht ernst genommen 

Um nicht missverstanden zu werden: Dass die Ampel ein EU-Vertragsverletzungsverfahren wie bei der Maut bei der Legalisierung von Cannabis vermeiden will, ist ihr selbstverständlich nicht vorzuwerfen. Dass ihr aber erst nach über einem Jahr auffällt, dass sich ihr Wahlversprechen vielleicht wegen der internationalen Rechtslage nicht realisieren lässt, ist unbegreiflich. "Der rechtliche Rahmen bietet begrenzte Optionen, das Koalitionsvorhaben umzusetzen", heißt jetzt im Eckpunktepapier. Oh ja, was für eine "Überraschung". 

Appelle von Juristen, auf EU-Ebene wegen genau dieses rechtlichen Rahmens nachzuverhandeln oder schon einmal Überzeugungsarbeit zu leisten, gab es von Anfang an. Abgetan wurden die Bedenken zumeist lapidar, wie z.B. vom Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung seinerzeit im LTO-Interview: "Es wird eine Lösung geben, da bin ich mir sicher."

Sicher ist indes nun gar nichts und (erst) seit Mittwoch kommuniziert es auch die Ampel so. Millionen von Cannabis-Konsumenten, die ein entschlossenes Vorgehen von SPD, Grünen und FDP erwartet hatten, können jetzt nur hoffen, dass die EU es mit ihrem eigenen Regelwerk und der Rechtsprechung des EuGH nicht so genau nimmt.  

Denn das Schengen Übereinkommen in Verbindung mit dem EU-Rahmenbeschluss 2004/757/JI spricht in puncto Cannabis-Verbot nach Meinung von Experten eine klare Sprache. Das betonte auch der EuGH. "Wie man vor diesem Hintergrund an eine Legalisierung im großen Stil denken kann, ist mir schleierhaft", wunderte sich Strafrechtler und Europarechtler Dr. Robin Hofmann bei LTO bereits im Mai.

Entkriminalisierung vorziehen 

Diejenigen, die Erwartungen an eine zeitnahe Cannabis-Legalisierung geknüpft hatten, sind jetzt zu Recht enttäuscht. Beschämend ist, dass es seitens der Ampel offenbar bisher auch keinerlei Anstrengungen gab, in Europa einmal "vorzufühlen". Längst hätte die Ampel den Austausch mit EU-Kommission und anderen Mitgliedstaaten suchen können, statt erst jetzt – wie Lauterbach am Mittwoch bekanntgab - damit anzufangen.

So langsam entsteht jedenfalls der Verdacht, dass sich die Ampel mit ihrem ausufernden Legalisierungsansatz ein Projekt aufgehalst hat, das sie angesichts der internationalen Dimension überfordert.  

Sie sollte daher erst einmal kleinere Brötchen backen und per einfachem Gesetz die Kriminalisierung der Konsument:innen beenden. Der Deutsche Anwaltverein forderte am Mittwoch, die Strafverfolgung umgehend auszusetzen. Die Fraktion Die Linke hat in dieser Wahlperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der sich auch mit einem Vorschlag der Organisation LEAP (Law Enforcement Against Prohibition) weitgehend deckt: 

Volljährigen wäre danach der Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis erlaubt – auch der Anbau und der Besitz von bis zu drei weiblichen, blühenden Cannabispflanzen für den Eigenbedarf. 

Der Vorschlag dürfte der Ampel irgendwoher bekannt vorkommen. Und zur Umsetzung bräuchte es nicht die EU. 

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Legalisierung von Cannabis: Rückzug vorprogrammiert . In: Legal Tribune Online, 27.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50011/ (abgerufen am: 28.09.2023 )

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