Verwaltungsgerichte müssen zukünftig prüfen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Vielfaltsansprüche einhält. Die scheinbare Niederlage von ARD, ZDF und DLF ist das Beste, was den Sendern passieren kann, meint Felix W. Zimmermann.
Die Gegner des Rundfunkbeitrags jubeln am Mittwoch. Endlich ist das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerichtlich überprüfbar. Und der Sieg ist so nah. Schließlich ist doch offensichtlich, dass der Rundfunk die Vielfaltsanforderungen nicht einhält. Da sind Jan Böhmermann, Georg Restle und all die anderen "linksgrün-versifften" Redakteure – und das gesamte Programm ist völlig regierungsunkritisch. Nicht nur das: Der Rundfunk dient als Sprachrohr der "vorherrschenden staatlichen Meinungsmacht als Erfüllungsgehilfe", so die Beitragszahlerin, die heute vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Erfolg hatte.
Erfolg allerdings nicht in der Frage, wie es um die Vielfalt bestellt ist. Das BVerwG entschied, dass Gerichte nach Klagen von Bürgern gegen den Rundfunkbeitrag überprüfen müssen, ob der Rundfunk seinen Funktionsauftrag der Vielfaltssicherung verfehlt. Dies hatten die Vorinstanzen anders gesehen. Das BVerwG sendet damit im Kern die wichtige Botschaft aus: Der Rundfunk ist für die Bürgerinnen und Bürger da und kann daher gerichtlich von ihnen zur Rechenschaft gezogen werden.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk nimmt Angriffe hin
Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist diese vermeintliche Niederlage ein Geschenk. Bisher ist er dem Vorwurf der fehlenden Vielfalt nicht entschieden entgegengetreten. Und zwar weder mit einer Öffentlichkeitskampagne, in der er etwa eine audiovisuelle Collage seiner kritischen Berichterstattung präsentiert, noch dadurch, dass er gegen Diffamierungen und Unwahrheiten von Bloggern und anderen Medien rechtlich vorgeht. Stattdessen lassen die oft notorisch ängstlichen öffentlich-rechtlichen Sender selbst Lügen über sich ergehen.
Doch jetzt kommt die Vielfalt unweigerlich vor Gericht – womöglich in Form einer Klagewelle. Wie das Ergebnis solcher Klagen aus Sicht des BVerwG ausfallen dürfte, ist indes eindeutig: Es erscheine nach dem "bisherigen tatsächlichen Vorbringen derzeit überaus zweifelhaft", ob der Rundfunkbeitrag verfassungswidrig wäre. Übersetzt aus dem Juristendeutsch heißt das: Klagen sind aussichtslos.
Nachweis der Vielfalt wird nicht schwerfallen
Zu Recht. Denn das Programm ist kein Staatsrundfunk – erkennbar an den mannigfaltigen Auftritten von AfD-Politikern ebenso wie daran, dass das Gesamtprogramm – vom Morgenmagazin über die Politmagazine Frontal und Report Mainz bis zu Tagesthemen und heute-journal – regelmäßig sehr harte Regierungskritik übt. Und als Gegenpol zum "linken" Böhmermann gibt es den eher "rechten" Dieter Nuhr. Gleiches gilt für den Deutschlandfunk, der in Kommentaren regelmäßig mit dem Regierungshandeln streng ins Gericht geht und das Vielfaltsgebot tagtäglich redaktionell lebt.
Das BVerwG macht zudem klar: Maßstab für hinreichende Vielfalt ist nicht ein einzelner Sender oder gar eine einzelne Sendung, sondern ob das aus Hörfunk, Fernsehen und Telemedien bestehende Gesamtangebot aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite bei der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt erkennen lässt. Es wird für die Sender angesichts der breit gefächerten Angebote ein Leichtes sein, zu belegen, dass ihr Gesamtangebot keine solchen regelmäßigen Vielfaltsdefizite erkennen lässt, sondern grundsätzlich das Gegenteil der Fall ist.
Meinungsvielfalt wird gerichtlichen Stempel bekommen
Dass nach dem Urteil des BVerwG Vielfalt nun gerichtlich debattiert wird, hat nur Gutes. Den notorischen Kritikern des Rundfunkbeitrags wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk bald ein Urteil entgegenstrecken können, das die Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wenn nicht ausdrücklich bestätigt, jedenfalls aber nicht beanstandet. Zugleich tut es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gut, sich zu vergewissern, dass die Herstellung von Meinungsvielfalt – gerade in Zeiten von Social Media – sein vorrangiges und wichtigstes Ziel ist und dass es in diesem Bereich stets Verbesserungsmöglichkeiten gibt, wie jüngst in dem Fall einer NDR-Journalistin sichtbar geworden ist. Zudem ist es wichtig und ein Stück weit beruhigend, dass für einen zukünftig denkbaren Fall einer tatsächlichen Gleichschaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Machtübernahme einer extremistischen Partei jeder Bürger mit Aussicht auf Erfolg gegen den Rundfunkbeitrag vorgehen kann.
Gericht erlaubt Klagen gegen Rundfunkbeitrag: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58395 (abgerufen am: 07.11.2025 )
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