Das Vereinsverbot ist eine der schärfsten Waffen der wehrhaften Demokratie. Warum es gegen Compact Bestand haben wird – und auch gegen die JA zum Einsatz kommen sollte, dazu Ex-Innenminister Gerhart Baum und Max Schulze.
Um es vorweg klar zu sagen: Die Entscheidung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Compact zu verbieten, verdient volle Unterstützung. Das Bundesinnenministerium (BMI) verteidigt die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung mit einem Mittel, das die Verfassungsväter und -mütter dafür vorgesehen haben. Unsere rechtsstaatliche Demokratie ist gegenüber kämpferisch-aggressiven Verfassungsfeinden nicht wehrlos und zum Zuschauen verdammt.
Das Vereinigungsverbot ist die schärfste Waffe unserer wehrhaften Demokratie gegen Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung - neben dem Parteiverbot. Während die Einleitung eines Parteiverbots in der Entscheidungsfreiheit der antragsberechtigten Verfassungsorgane des Bundes liegt – und neben juristischen auch politische Überlegungen eine Rolle spielen – sind Vereinigungsverbote bei Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen zwingend; solche Vereine sind nach dem Wortlaut des Grundgesetzes (Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz) verboten.
Vereinigungsverbot auch gegen die AfD-Jugendorganisation JA
Gegenüber dem Parteiverbot hat das Vereinigungsverbot aus Sicht einer effektiven Gefahrenabwehr zudem den Vorteil, dass seine Wirkung nicht erst durch gerichtliche Entscheidung, sondern – bei Anordnung der sofortigen Vollziehung – unmittelbar mit der Verbotsverfügung eintritt. Zahlreiche Netzwerke der Rechtsextremen und anderer Extremisten, etwa islamistische ("Religions"-)Vereinigungen, sind dabei, kontinuierlich in unsere Bürgergesellschaft hinein zu wuchern, Hass gegen das angebliche System und seine Repräsentanten zu schüren, sie zu bedrohen sowie zum gewaltsamen Systemsturz unserer rechtsstaatlichen Demokratie zu motivieren. Das schlägt sich auch in der ständigen Zunahme rechtsextremistischer und anderer politisch motivierter Straftaten nieder.
Kurzum: Die Bedeutung des Vereinigungsverbots als Ausdruck der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie ist bisher unterbelichtet – im Gegensatz zum Pateiverbot. Das BMI sollte auch nicht davor zurückschrecken, ein Verbot der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative für Deutschland" (JA) voranzutreiben, für die das Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 4 GG nicht gilt. Denn laut ihrer Bundessatzung begreift sich die JA als selbständiger Verein, der an Weisungen der Mutterpartei nicht gebunden ist. Vor allem aber tritt sie – wie alle anerkannten Jugendorganisationen der im Bundestag vertretenen Parteien – nicht selbst zu Wahlen an, kann mithin auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung keinen (direkten) Einfluss nehmen und auch nicht als Transmissionsriemen für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen, vgl. § 1 Abs. 2 PartG. Damit fehlt es am wesentlichen Grund für das Parteienprivileg.
Warum das Compact-Verbot vor Gericht halten wird
Das Compact-Vereinigungsverbot wird nach unserer Überzeugung einer (verfassungs-)gerichtlichen Überprüfung standhalten. Das Grundrecht, an dem sich ein Vereinigungsverbot messen lassen muss, ist in erster Linie die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG. Dadurch darf der Schutz anderer Grundrechte nicht unterlaufen werden; ein Vereinigungsverbot wäre mit den grundgesetzlichen Anforderungen etwa dann nicht zu vereinbaren, wenn es nur das Mittel wäre, Meinungsäußerungen oder Publikationen zu untersagen, die für sich genommen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genießen. So hat es das Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Senatsentscheidung zu Vereinsverboten 2018 noch einmal klargestellt.
Als Reaktion auf das Compact-Vereinigungsverbot sind in der informierten Fachöffentlichkeit wiederholt Zweifel an seiner Vereinbarkeit mit der Pressefreiheit artikuliert worden, etwa in der FAZ und bei LTO. Immerhin sei der (alleinige) Unternehmensgegenstand der COMPACT-Magazin GmbH die Herausgabe der Zeitschrift Compact-Magazin, mithin einer von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Pressepublikation. Presserecht sei Landeskompetenz, die Landespressegesetze sähen keine "Totalverbote" von Presseorganen und Medienunternehmen vor.
Diese Argumente greifen im Ergebnis nicht durch, wenngleich sich das BMI durch eine treffsichere Öffentlichkeitsarbeit seiner – mittlerweile im Netz kursierenden – Verbotsverfügung noch unangreifbarer hätte machen können. Dem BMI ist anzuraten, die das Vereinsverbot tragenden Passagen aus der Verbotsverfügung im (Eil-)Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht einzubringen und zu verdichten. In der Fachöffentlichkeit wurde zudem – zu recht – darauf hingewiesen, dass ein Verbot wie das gegen Compact auch in einer Kette von Vereinsverbot-Entscheidungen stehen dürfte, wie jedenfalls das Bundesverwaltungsgericht sie bisher gehalten hat.
Das Verbot ist gut begründet, aber schlecht kommuniziert
Denn die Bundesinnenministerin hat kein Presseorgan verboten, sondern eine GmbH, die nach dem Vereinsrecht als Vereinigung im Sinne des Art. 9 GG gilt. Nach dem Grundgesetz und seiner einfachrechtlichen Ausformung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 des Vereinsgesetzes sind Vereinigungen verboten, deren Zwecke oder deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Dafür reicht es nicht aus, Grundpfeiler der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung mit demokratischen Mitteln ablösen zu wollen. Das GG schützt selbst solche Freiheitsbetätigungen, die auf die friedliche Ablösung seiner Verfassungsordnung abzielen. Dass dieser Verbotsgrund bei Compact jedoch aufgrund vielfältiger kämpferisch-aggressiver Aktivitäten gegen die verfassungsmäßige Ordnung vorliegt, die zudem die Sphäre der geistigen Auseinandersetzung verlassen, macht die Verbotsbegründung – anders als die begleitende Öffentlichkeitsarbeit – deutlich. Es ist eine wachsende Aggressivität und die Tendenz zum Umsturz, die hier erkennbar werden und hohe Besorgnis auslösen. Für die Abwendung dieser Gefahren ist das Vereinigungsverbot da.
Die Aktivitäten der verbotenen Vereinigung zielen darauf ab, zu aggressivem Verhalten bis hin zum gewaltsamen "Systemsturz" zu motivieren. Sie erschöpfen sich nicht in bloßen Meinungs- und Presseäußerungen, sondern gehen über die Vernetzung mit Schlüsselfiguren der "Neuen Rechten", etwa den Vordenkern der "Remigrationspläne", bis zur Agitation in der harten rechtsextremen und gewaltbereiten Szene über. Mit zahlenden Mitgliedern des sog. "COMPACT-Clubs", zu denen Organisatoren der sog. Montagsdemos gehören, tauschen sich führende Vereinsmitglieder ausweislich der Verbotsbegründung über Umsturz- und Revolutionsideen sowie die Abschaffung von Parteien aus. Öffentlich wird damit geworben, dass Compact 2024 den Regierungssturz möglich macht.
Die Zuschauer sollen es den Vereinsmitgliedern nachmachen "und dem Staat seine Schergen ins Gesicht schleudern: Wir lehnen euch ab. Wir haben euch nicht gewählt und wir werden euch jagen!" Dabei liegt das Potential der sogenannten Follower der Compact-Magazin GmbH in den sozialen Netzwerken bei ca. 450.000; die Aufrufzahl ihrer Videos soll auf eine Millionen pro Tag angewachsen sein. Die Verbotsverfügung zeichnet den Brückenschlag zwischen den Compact-Publikationen, den weiteren Vereinsaktivitäten und dem sichtbaren Aktivismus auf der Straße nach; sie illustriert das Wirksamwerden der verfassungsfeindlichen Aktivitäten. Sie belegt ferner die wachsende Tendenz von Teilen der Vereinigung, ihrem nahen Umfeld und ihrer Adressaten, von Meinungen zu Aktionen überzugehen. Das BMI schreibt in den Gründen gar von dem Verfassungsschutz vorliegenden Erkenntnissen über Tötungspläne gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Denken wir in diesem Zusammenhang auch an die Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019, sowie den "Sturm auf den Reichstag" in Berlin im August 2020 oder an den auf das Kapitol in Washington im Jahr 2021. Vereine wie Compact legen dafür den Nährboden und schmieden Umsturzpläne. Es sind nicht nur Worte, sondern Taten, die daraus erwachsen (können), sie bilden den entscheidenden Anknüpfungspunkt für das Vereinsverbot. Ein solches Verbot kann auch vor Art. 5 GG Bestand haben. Denn der Schutz der Kommunikationsgrundrechte endet bekanntlich spätestens mit dem Verlassen der geistigen Auseinandersetzung. Und dort, wo Gewalt beginnt.
Gerhart Baum ist Politiker (FDP) und Rechtsanwalt, er war von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister. Max Schulze ist Doktorand an der Georg-August-Universität Göttingen und Referent im Bundesjustizministerium.
Schlecht kommuniziert, gut begründet: . In: Legal Tribune Online, 06.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55159 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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