Das BVerfG hat 13 Richtervorlagen von drei Amtsgerichten zum Cannabisverbot für unzulässig erklärt. Auch wenn es dabei streng "verfassungsrechtlich" argumentiert: Ein verheerendes politisches Signal sendet das Gericht gleichwohl.
Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Richtervorlagen, die die geltenden Cannabis-Verbotsvorschriften betreffen, war sehnlichst gewartet worden. Vor allem die sogenannte Cannabis-Community, also Menschen, die sich offen zu ihrem Cannabis-Konsum bekennen, hatten in das Gericht große Hoffnungen gesetzt. Angesichts des bekanntlich eher schleppenden Fortgangs des von der Ampel geplanten Legalisierungsvorhabens, hieß es von dieser Seite immer wieder: "Dann muss es eben Karlsruhe richten."
Seit heute wissen wir: Karlsruhe hat nichts gerichtet. Im Gegenteil. Mit dem am Dienstag veröffentlichten Beschluss baut die Kammer nichts neues, sondern konserviert vielmehr einen angestaubten Beschluss des BVerfG aus dem Jahr 1994. In diesem hatte es mit Bausch und Bogen jeglichen Liberalisierungsbestrebungen beim Cannabis seinerzeit eine Absage erteilt. "Ein Recht auf Rausch gibt es nicht", so das Gericht damals.
Die zuständige Kammer des Zweiten Senates im Jahr 2023 sieht das nun genauso – auch wenn sie das wegen des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabes, auf dessen Grundlage sie argumentiert, so direkt nicht aussprechen will. Die drei Amtsgerichte hätten eben juristisch nicht das nötige aufgefahren, um die Entscheidung von 1994 ins Wanken zu bringen. Immer wieder werfen die drei Richter:innen Dr. Sybille Kessal-Wulf, Prof. Astrid Wallrabenstein und Thomas Offenloch in ihrem Beschluss den Amtsrichter:innen aus Bernau, Münster und Pasewalk mehr oder weniger deutlich vor, sie hätten im Rahmen ihrer seitenlangen Vorlagen – allein die Vorlage des AG Bernau umfasst 140 Seiten – nicht präzise genug gearbeitet, ihre Ausführungen genügten nicht den Anforderungen an eine erneute Richtervorlage.
Belehrender Ton gegenüber Amtsrichtern
Sätze wie "Eine konkrete Normenkontrolle ist kein Mittel der allgemeinen Aufsicht über den Gesetzgeber" oder die Amtsgerichte gingen "von einem unzutreffenden Verständnis der Maßstäbe für eine verfassungsgerichtliche Überprüfung von Strafnormen aus", klingen arrogant, sie könnten genauso gut auch als Prüfer-Bemerkung neben der Klausur eines stets bemühten Jurastudenten stehen.
Auch wenn dieser belehrende und mitunter despektierlich-genervte Ton gegenüber den Kolleg:innen aus den Instanzgerichten aus anderen Beschlüssen bekannt ist: Der Beschluss vom 14. Juni wird darüber hinaus von einer bemerkenswert tiefen Ablehnung der Kammer gegenüber einer liberalen Cannabispolitik getragen. Es findet sich seitens der Kammer kein Ansatz eines Zweifels, ob die geltenden Cannabis-Prohibitionspolitik nicht vielleicht doch unverhältnismäßig ist und einer Korrektur bedarf.
Indem die Kammer an dieser Stelle komplett schweigt, sendet sie – vielleicht auch unbeabsichtigt – ein unmissverständliches politisches Signal aus. Es lautet: "Wir haben 1994 euren Kiffer-Träumen eine Absage erteilt und die Gründe dafür sind auch heute noch richtig. Basta."
Wasser auf die Mühlen der Legalisierungsgegner
In diesem Sinne ist der Karlsruher Beschluss Wasser auf die Mühlen der Legalisierungsgegner. Bei ihnen dürften die Sektkorken knallen. Und in jeder ihrer Reden zu Cannabis wird in den nächsten Monaten das BVerfG zitiert werden.
Die zuständigen Ampel-Politiker:innen indes, die aktuell am Cannabisgesetz basteln, sollten nun auch offensiv das BVerfG als Beleg für eine verstaubte Rechtsauffassung aufführen, die es durch Schaffung einer neuen Rechtslage zu überwinden gilt.
BVerfG erklärt Cannabis-Richtervorlagen für unzulässig: . In: Legal Tribune Online, 11.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52212 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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