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55444

Folgen des BVerfG-Ausschuss-Urteils für Thüringen?: Das Par­la­ment hat es in der Hand

Kommentar von Dr. Markus Sehl

18.09.2024

Zweiter Senat BVerfG

 Foto: picture alliance/dpa | Uli Deck / LTO
 

Die Mehrheit entscheidet selbst darüber, wie sie ihre parlamentarische Arbeit organisiert – und wem sie dabei vertraut. Das Urteil des BVerfG enthält damit auch Aussagen, die ganz bald in Erfurt eine Rolle spielen könnten. 

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Am Ende gab es am Mittwoch in Karlsruhe kein Eis für die Zehntklässler eines rheinland-pfälzischen Gymnasiums. Die waren nur zu Besuch; Stephan Brandner, AfD-Rechtspolitiker war sozusagen eine der Hauptpersonen bei der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Brander hatte vorher den Schülerinnen und Schüler ein Eis in Aussicht gestellt. Für den Fall, dass das BVerfG ihm doch Recht geben würde. Der Zweite Senat entschied aber, dass die Abwahl Brandners als Vorsitzender des Rechtsausschusses 2019 nach einigen skandalösen Äußerungen in Ordnung ging. Und außerdem, dass der AfD-Fraktion kein Recht auf Vorsitzposten in den Ausschüssen zukomme. Oppositionsrechte werden dadurch nicht verkürzt, das ist dem BVerfG wichtig. Am Ende entscheidet im Ausschuss eben die Mehrheit, wer zum Vorsitzenden gewählt wird und wer nicht. 

Darin liegt die zentrale Botschaft des Urteils. Der Bundestag entscheidet selbst darüber, wie er seine parlamentarische Arbeit organisiert. Und der Posten des Ausschussvorsitzenden fällt in diesen organisatorischen Betriebsablauf. Regeln dazu werden in der Geschäftsordnung festgehalten, sie kann ausgelegt und geändert werden. Von? Genau, der Mehrheit. Als äußere verfassungsrechtliche Grenze gilt: Die Entscheidungen dürfen nicht willkürlich oder unsachlich ausfallen. Die Aussagen des BVerfG in dem 26-seitigen Urteil sind auch nicht gänzlich neu, sie sind vor allem eine Erinnerung in sehr klaren Worten.

Das Urteil von Mittwoch betrifft die Arbeit des Bundestags in Berlin. Aber es liest sich auch als eine Botschaft für den 26. September und die Folgetage in Erfurt. Dort tritt nach der Thüringenwahl dann zum ersten Mal der Landtag zusammen. Als einer der ersten Tagesordnungspunkte soll ein neuer Landtagspräsident gewählt werden. Dessen Rolle ist dem des Ausschussvorsitzenden gar nicht unähnlich. Er oder sie leitet Sitzungen, verwaltet und repräsentiert nach außen. Laut Geschäftsordnung darf die stärkste Fraktion einen Kandidaten vorschlagen – also die AfD. Wie es dann weitergeht, scheint nicht so klar. Was passiert, wenn der AfD-Kandidat nicht gewählt wird? Wer darf dann vorschlagen? Was ist, wenn Vorschläge anderer Fraktionen blockiert werden? Wer könnte klagen?

Wo es an Konsens fehlt, kommt es weiter auf Vertrauen an

Klar die Länder haben ihre eigenen Verfassungen und Verfassungsgerichte, ihre eigenen Geschäftsordnungen in den Landtagen, aber das Urteil aus Karlsruhe lässt sich auch als Botschaft lesen: Wenn sich Situationen ergeben, für die sich in der Geschäftsordnung keine Regeln finden, dann bleibt es dabei: Die Mehrheit hat es in der Hand. Sie entscheidet selbst über die Organisation in eigener Sache, wie sie Arbeits- Funktionsfähigkeit des Parlaments sicherstellen. Tradition und Praxis sind Tradition und Praxis, sie können in der Parlamentsarbeit geändert werden.

Lange Zeit mögen organisatorische Entscheidungen in Parlamenten im Bund und in den Ländern von einem Konsens der Fraktionen getragen worden sein. Regeln brauchte es nicht, auch weil es weniger Konfliktsituationen gab. Für Vorsitzendenposten wurden solche Kandidaten vorgeschlagen, die sich einer ganz breiten Zustimmung sichern sein konnten. Nun gehen auch Kandidaten ins Rennen, denen dieses Vertrauen in Überparteilichkeit und Sachlichkeit fehlt. Wo also das Konsensprinzip nicht mehr funktioniert, muss es eine andere Lösung geben. Die Botschaft aus Karlsruhe: Es bleibt immer die Wahl durch die Mehrheit. 

Denn vom bröckelnden Konsensprinzip lebt zumindest der Gedanke des "Vertrauens". Das Wort taucht in dem 26-Seiten langen Urteil immer wieder auf. Wo das Vertrauen fehlt, dass Absprachen eingehalten und umgesetzt werden, ist keine parlamentarische Arbeit denkbar. Auch diese Verantwortung legt das BVerfG in die Hände der Parlamentsmehrheit. 
 

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Folgen des BVerfG-Ausschuss-Urteils für Thüringen?: . In: Legal Tribune Online, 18.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55444 (abgerufen am: 15.05.2025 )

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