Dieses Mal bschäftigten Sie unter anderem unser Artikel zu den "pflegeleichten" Pflichtverteidigern und zum verurteilten Rechtsreferendar aus Leipzig. Aber auch in Sachen Legal Tech und Wirklichkeit gab es Leserbriefe.
Hier finden Sie eine kleine Auswahl von Leserbriefen, die uns in den vergangenen Tagen erreicht haben. Die Auswahl ist nicht repräsentativ für das Leserecho, das Sie weiterhin auch bei Facebook sowie Twitter finden. Wir nehmen ausdrücklich auch kritische Reaktion auf, konnten aber auch in dieser Woche vieles nicht berücksichtigen. Viele Zuschriften sind nicht rechtlicher Natur und/oder tragen nichts zur fachlichen Debatte bei. Einige Post konnten wir auch nicht veröffentlichen, weil Sie uns nicht mit Klarnamen geschrieben haben - schade. Unsere Leserbrief-Richtlinien finden Sie hier.
Auswahl von Pflichtverteidigern: Wenn sich Richter ihre "Lieblingsverteidiger" aussuchen
Bestellen manche Gerichte am liebsten "pflegeleichte" Pflichtverteidiger? Regeln bei der Auswahl gibt es jedenfalls nicht. Ein Gesetzentwurf könnte das nun ändern. Aber die Strafverteidiger haben offenbar eine "historische Chance" verpasst.
Von: Eike Fesefeldt, früher Land- und Amtsrichter und derzeit Staatsanwalt, Stuttgart
Kaum hatte ich mein Büro als Amtsrichter bezogen, das erste Bild an die Wand gehängt, meinen Blick aus dem Dachfenster des ehemaligen herzoglichen Schlosses, in dem das Gericht untergebracht ist, über die Kleinstadt wandern lassen, klingelte das Telefon und ich hörte die Urkundsbeamtin sagen, dass sich Herr Rechtsanwalt A. gerne persönlich bei mir vorstellen würde. Was er denn genau wollen würde, ich würde ihn ja gar nicht kennen, fragte ich. "Als ich beim Landgericht war, hat sich nie jemand bei mir vorgestellt." Das sei hier halt so. antwortete die Urkundsbeamtin. Kurz darauf stand der Herr Rechtsanwalt A. in meinem Büro, lobte meinen Vorgänger über alle Maßen und erwähnte mehrmals, dass er von diesem in aller Regelmäßigkeit als Pflichtverteidiger bestellt worden sei und ich doch bitte auch an ihn denken solle. Überhaupt komme man hier in der Kleinstadt immer blendend miteinander aus. Ich nickte nur gönnerhaft, dachte ich bis dahin tatsächlich, dass es eher eine lukrative Last darstellt, Kleinkriminelle als Pflichtverteidiger zu vertreten.
Natürlich existieren insbesondere an den Amtsgerichten Listen mit "liebsamen Pflichtverteidigern", wenn diese oftmals auch nirgends aushängen, viel eher nur in den Köpfen der Richter abgespeichert sind. Gleichfalls gibt es – zumindest in den Köpfen der Richter – auch Listen von Anwälten, die als "unliebsam" oder "querulatorisch" gelten. Ebenfalls wird es nicht selten passieren, dass Amtsrichter gar nicht mehr bei den betreffenden Verteidigern nachfragen, ob sie überhaupt Interesse an der oder Zeit für die Übernahme eines betreffenden Mandats haben. Stattdessen kritzelt der Amtsrichter schnell einen Beschluss über die Pflichtverteidigerbestellung und schickt die Akte ohne Vorwarnung an einen "seiner" Verteidiger.
Interessant ist aber, wie subjektiv die Wahrnehmung doch sein kann, wenn man von seinen "Lieblingsverteidigern" spricht. Da kann es vorkommen, dass derselbe Anwalt bei einem Gericht als extrem kooperativ bekannt, dann aber im nächsten Amtsgerichtsbezirk als Querulant verschrien ist und die Richterschaft hier nicht im Traum auf die Idee käme, diesen von Amts wegen als Pflichtverteidiger zu bestellen. Solche Listen müssen auch nicht abschließend sein. Mir sind Fälle bekannt, in denen sich junge VerteidigerInnen eventuell durch besonders viel Fleiß und Engagement "auszeichneten" und als Belohnung vom Amtsrichter in seine "Liste" aufgenommen wurden. Ich will aber auch nicht verhehlen, dass am Ende die Kooperationsbereitschaft mit dem Gericht den Ausschlag für weitere Bestellungen gegeben haben könnte.
Zurück zum Kleinstadtgericht: Auch aus der Sicht eines Staatsanwalts kann es befremdlich sein, morgens um kurz vor neun in den Saal eines kleinen Amtsgerichts zu kommen, sich nach dem üblichen Händeschütteln auf seinen Platz zu setzen und auf eine Friede- und Freudeatmosphäre zu stoßen, in der sich der Anwalt und Richter anscheinend bestens kennen und der gesamte Prozess schon eine "abgekartete Sache" zu sein scheint. Das wiederum zeigt noch eine andere Wirklichkeit. Für den Angeklagten muss es nicht immer das schlechteste sein, wenn der Anwalt einer dieser "Lieblingsverteidiger" des Richters ist. Viel mehr kann es für ihn von großem Vorteil sein, wenn der Verteidiger weiß, wie der Richter tickt, welchen Stellenwert er einzelnen Beweisen gibt und wie er bestimmte Vorwürfe in seiner Strafzumessung einstuft. Es kann auch durchaus sein, dass der Richter sein nötiges tun wird, damit ein Anwalt auch einer seiner "Lieblingsverteidiger" bleibt.
Nach Neonazi-Krawallen in Leipzig: Rechtsreferendar in Sachsen verurteilt
Am Mittwoch hat das Amtsgericht Leipzig einen 26-jährigen Referendar wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt. Der Mann leistet beim LG Chemnitz seinen Vorbereitungsdienst, seine juristische Karriere könnte bald ein Ende haben.
Von: Lasse Gehrke
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass der fragliche Rechtsreferendar Brian E. [Name von der Redaktion abgekürzt] auch vor Rechtskraft des Urteils des AG Leipzigs entlassen werden kann. Wie Sie in ihrem Artikel richtig benennen, richtet sich die Entlassung von Referendaren nach §§ 39, 34 SächsJAPO. Gemäß §§ 39 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. 34 Abs. 5 Nr. 1 SächsJAPO kann der Referendar auch entlassen werden, sofern "ein Ermittlungsverfahren oder ein Strafverfahren wegen des Verdachts einer vorsätzlich begangenen Tat anhängig ist,..."
Absatz 4 Satz 2 wiederum besagt, wie in ihrem Artikel angeführt, "Sie [die Zulassung zum Referendariat] ist in der Regel zu versagen, wenn der Bewerber wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt und die Strafe noch nicht getilgt worden ist."
Wenn das OLG Dresden als Begründung für seine Zulassung des Herrn E. unter Auflagen anführt, dass bis dato nur ein Ermittlungsverfahren geführt wurde, kann es seine Entscheidung ja nun überdenken und die Entlassung veranlassen.
Digitalisierung der Justiz: Wenn Legal-Tech-Start-Up auf Gerichtswirklichkeit trifft
"Sie sind so dagegen" – die diesjährige "Legal Evolution" zeigt, dass die noch junge Legal-Tech-Szene nicht versteht, dass die Digitalisierung der Justiz mehr ist als die Abbildung standardisierbarer Sachverhalte in Wenn-Dann-Bäumen.
Peter Bert, Rechtsanwalt & Solicitor (England & Wales), Frankfurt a.M.
Wenn sich Herr Köbler die Möglichkeit wünscht, Gerichtskosten elektronisch zu bezahlen und sich zitieren lässt: "In den USA funktioniert das per Paypal!", begeisterte sich der Darmstädter Gerichtspräsident. – dann kennt er seine eigenen Syteme nicht. Das geht – seit 2013! – auch in Hessen.
Leserbriefe an LTO: Pflichtverteidiger, Neonazi-Referendare und Legal Tech . In: Legal Tribune Online, 08.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32603/ (abgerufen am: 17.04.2024 )
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