Diese Woche beschäftigten Sie u.a. der Start des Anwaltspostfachs, die Singularzulassung der BGH-Anwälte und das Kirchenasyl. Aber auch der Anwalt der nicht mehr "unwürdigen" Assessorin hat uns geschrieben.
Hier finden Sie eine kleine Auswahl von Leserbriefen, die uns in der vergangenen Woche erreicht haben. Die Auswahl ist nicht repräsentativ für das Leserecho, das Sie weiterhin auch bei Facebook sowie Twitter finden. Wir nehmen ausdrücklich auch kritische Reaktion auf, konnten aber auch in dieser Woche das Allermeiste nicht berücksichtigen. Viele Zuschriften sind nicht rechtlicher Natur sind und/oder tragen nichts zur fachlichen Debatte bei. Einige Post konnten wir auch nicht veröffentlichen, weil Sie uns nicht mit Klarnamen geschrieben haben - schade, vielleicht überlegen Sie noch einmal, ob Ihre wertvollen Beiträge es nicht verdienen, auch veröffentlicht zu werden. Unsere Leserbrief-Richtlinien finden Sie hier.
Anwaltspostfach: Der Gegner weiß, ob Sie schon angemeldet sind
Das beA ist wieder online. Und es zeigt jedem Anwalt, welcher Kollege es noch nicht aktiviert hat. Das könnte Anwälte sogar dazu verpflichten, an das nicht aktive Postfach des Gegners zu versenden, wenn es dem Mandanteninteresse dient.
Von Dr. Nils Köster, Rechtsanwalt
Interessiert habe ich Ihren Artikel gelesen. Ich denke, dass die rechtliche Analyse aber zu kurz greift.
Für ein fristgebundenes Schreiben wird es regelmäßig des Zugangs bedürfen. Bei Briefen genügt das Einwerfen in den Briefkasten – sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Wenn ich jedoch schon positiv weiß, dass der Kollege die Post nicht abrufen kann, weil er nicht registriert ist, wird man meiner Meinung nach auch nicht von einem Zugang ausgehen können. Es wird schließlich bewusst ein Weg gewählt, bei dem den Kollegen die Post nicht erreicht.
Der Umstand, dass der "empfangende" Kollege nun eine Pflichtverletzung begeht, kann m.E. nicht ohne weiteres zu einer Zugangsfiktion nach Treu und Glauben führen. Daher könnte es bei der Sendung eines Briefes an ein nicht aktiviertes Anwaltspostfach durchaus auch am Zugang bzw. der Zugangsfiktion fehlen, was wiederum zu eine Pflichtverletzung des sendenden Kollegen führen könnte. Er wusste, dass kein tatsächlicher Zugang erfolgen würde. Wenn es so einfach ist festzustellen, ob das beA abgerufen werden kann, könnte man auch darüber nachdenken, ob ein Anwalt als Organ der Rechtspflege sogar dazu gehalten sein kann, die Zugangsmöglichkeit zu überprüfen, zumindest in der Anfangszeit.
Ich würde daher davon abraten, gezielt ein Postfach zu benutzen, bei dem ich weiß, dass eventuell kein Zugang erfolgt. Eine Verpflichtung, an ein nicht registriertes Postfach zu senden, sehe ich auf jeden Fall nicht.
Nach Beleidigung ihres Ausbilders im Referendariat: Die "unwürdige" Assessorin wird doch Anwältin
Nun also doch: Die Assessorin, die ihren Ausbilder im Referendariat beleidigte und dafür verurteilt wurde, darf Anwältin werden. Wegen "Unwürdigkeit" hatte ihr die RAK die Zulassung zunächst verweigert.
Von Eberhard Reinecke, Rechtsanwalt
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Prozessbevollmächtigter der Assessorin in den Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof und dem BGH – die Verfassungsbeschwerde wurde von der Assessorin selbst ohne anwaltliche Hilfe eingereicht – kann ich Ihren Bericht wie folgt ergänzen und kommentieren:
1. Die Zulassung zur Anwaltschaft ist nunmehr am 05.09.2018 erfolgt.
2. Das Bundesverfassungsgericht hatte ausdrücklich festgestellt, dass bereits die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer vom 15.05.2015 (neben dem Urteil des AGH) die Rechte der Assessorin verletzt. In den Gründen hatte das Bundesverfassungsgericht in den Randnoten 29 und 30 die Erforderlichkeit einer Abwägung mit Gemeinwohlinteressen hervorgehoben und dabei ausdrücklich festgehalten, dass "jedenfalls ohne weitere Feststellungen" ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit nicht festgestellt worden ist. Nach diesen klaren und eindeutigen Hinweisen des Bundesverfassungsgerichtes hätte man erwarten müssen, dass die Rechtsanwaltskammer entweder unverzüglich nach der Entscheidung der Assessorin das Angebot macht, das erst in der mündlichen Verhandlung am 31.08.2018 erfolgte, oder die Rechtsanwaltskammer die angeblich möglichen weiteren Feststellungen tatsächlich trifft und dem Anwaltsgerichtshof zur Entscheidung vorlegt. Beides geschah nicht.
3. Im Übrigen lag auch zum Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidung des AGH vom 30.10.2015 die Straftat knapp 5 Jahre zurück. Es ist äußerst bedauerlich, dass die Rechtsanwaltskammer Köln offenbar nicht verstanden hat, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eine Entscheidung für die freie Advokatur ist, sondern dass sie stattdessen versucht hat, die Zulassung der Assessorin möglichst lange hinauszuschieben und den Eindruck zu erwecken, als sei erst aufgrund des (weiteren) Wohlverhaltens der Assessorin im Zeitraum von Oktober 2015 bis August 2018 die Situation eingetreten, in der eine Zulassung möglich war.
Singularzulassung in Zivilsachen: Bleiben die BGH-Anwälte weiter unter sich?
In Deutschland gibt es rund 165.000 Anwälte. Beim BGH sind davon für Zivilsachen aktuell zugelassen: 41. Ob die Bundesregierung daran etwas ändern will, macht sie auch von der BRAK abhängig. Die könnte bald einen Vorschlag machen.
Von Manfred Hempfling
In diesem Artikel sind Sie leider deutlich zu kurz gesprungen, da Sie einen m.E. viel bedeutenderen Teil des Problems nicht beleuchten: Was ist denn mit den eigentlich Betroffenen, den Mandanten?
Mir als Mandant wäre es wichtig - gerade wenn es sich um Verfahren mit offenkundiger Bedeutung handelt, denn sonst wird der Weg zum BGH gar nicht eröffnet sein -, durch einen Anwalt vertreten zu werden, dem ich vertraue, von dem ich den Eindruck habe, dass er meine Interessen auch wahrnimmt und mich ehrlich berät etc. pp., also einen Anwalt, mit dem ich eine gemeinsame Sprache finde und mit dem die Chemie stimmt. Wenn ich hier, gewissermaßen mitten im Rennen, die Pferde wechseln muss, ist das ein potenzieller prozessualer Nachteil. Ist, um das Bild weiter zu benutzen, die Zahl der Pferde dann auch noch sehr übersichtlich - und ich brauche ja Spezialisten, was nutzt ein Springpferd, wenn ich ein Dressurpferd benötige - wird das sehr bedenklich, zumal die Gegenseite sich aus diesem mehr als übersichtlichen Pool ja auch bedienen wird, verschärft wird die Sache noch durch den Anwaltszwang.
Wir halten also fest:
Kernelement einer anwaltlichen Beauftragung ist das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt. Dieses wird durch die aktuelle Regelung gleich mehrfach massiv gestört: Ein Mandant ist nicht nur gezwungen, den Anwalt zu wechseln, wenn sein Verfahren vor dem BGH landet, nein, er hat zudem auch eine sehr eingeschränkte Auswahl an potenziellen Vertretern, welche durch räumliche Aspekte faktisch noch mehr eingeschränkt wird - das ist rechtsstaatlich höchst bedenklich.
Streit um Kirchenasyl: "Sabotage des Rechtsstaats"?
Im Kirchenasyl ist vieles strittig. Auch die Spielregeln scheinen den Beteiligten nicht ganz klar zu sein. Eine belastbare Rechtsgrundlage gibt es nicht. Marion Sendker über eine Tradition auf juristisch wackeligen Beinen.
Von Heiko Habbe, Jurist, Rechtsberater
Im Artikel bemüht die Autorin Miriam Sendker sich um einen umfassenden Überblick zum intensiv diskutierten Thema Kirchenasyl. Schade ist, dass ihr offenbar einige Informationen nicht vorgelegen haben.
Sonst wäre sie vermutlich nicht zu der Annahme gekommen, dass Art. 16a GG die Grundlage für das Kirchenasyl sei. Kirchenasyl hat - seit entsprechende Artikel im Codex Iuris Canonici eingangs des 20. Jahrhunderts abgeschafft wurden - keine gesetzliche Grundlage. Insbesondere nicht das Grundgesetz, das Staat und weltliche Ordnung bindet, aber nicht Rechtsgrundlage kirchlichen Handelns ist.
Kirchenasyl ist schlicht kirchliche Tradition und beansprucht ja auch gar nicht, irgendeinen rechtlichen Status zu vermitteln. Vielmehr handelt es sich um eine Initiative der einzelnen Kirchengemeinde und der in ihr versammelten Christinnen und Christen, den staatlichen Behörden eine Überprüfung ihres eigenen Handelns zu ermöglichen und so dem Rechtsstaat zur Geltung zu verhelfen in Verfahren, die leider nicht selten von einer gewissen Oberflächlichkeit geprägt sind. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass z. B. in Verfahren, die Überstellungen nach Bulgarien betreffen, in rund 2/3 der Fälle Gerichte den Eilrechtsschutzbegehren der Klägerinnen und Kläger entsprechen.
Mich überrascht auch, dass das "Verwaltungsgericht Koblenz", so der Artikel, "der Ausländerbehörde des Kreises einen Durchsuchungsbeschluss für kirchliche Räume" gegeben haben soll. Hier mag ich mich täuschen, weil ich auf diesem Rechtsgebiet nicht tätig bin. Aber m. W. ist der Durchsuchungsbeschluss Domäne der ordentlichen Gerichtsbarkeit, und ermächtigt wird die Polizei.
Dass bei einer formalen Betrachtung der Aufenthalt eines durch die Asylablehnung vollziehbar ausreisepflichtig gewordenen Ausländers im Kirchenasyl ein unerlaubter Aufenthalt ist, ist schlecht von der Hand zu weisen. Das OLG München hat allerdings, worauf die Autorin zutreffend hinweist, festgestellt, dass aus seiner Sicht jedenfalls während einer erneuten Überprüfung durch das BAMF die Abschiebung als ausgesetzt anzusehen sei und der Aufenthalt folglich nicht als strafbar anzusehen sei. Die strittigen Rechtsfragen jenseits eines solchen Zeitraums und jedenfalls hinsichtlich der Frage etwaiger akzessorischer Delikte reißt die Autorin im Grundsatz zutreffend an.
Eine "Verpflichtung" zum Verlassen des Kirchenasyls anzunehmen, wenn das BAMF einem Ersuchen um nochmalige Prüfung nicht entspricht, halte ich für ein Missverständnis des Kirchenasyls. Dieses ist ja, s. o., gerade kein behördliches Verfahren auf prozessual geregelter Grundlage. Der kirchlichen Tradition, solche Zufluchtsorte in Fällen zu gewähren, wo große individuelle Not wahrgenommen wird und eine christlich fundierte humanitäre Überzeugung dies gebietet, verbunden mit dem Ersuchen an die staatlichen Behörden um nochmalige Befassung, entspricht vielmehr - zumindest bislang - ein Respekt staatlicher Stellen vor sakralen Räumen, die nicht zwangsweise betreten werden. In diesem gegenseitigen Respektsverhältnis ist der eigentlich Betroffene Gast, nicht Subjekt eines Verfahrens.
Auch die Darstellung der Vereinbarung zwischen Kirchenleitungen und BAMF von 2015 entspricht nicht dem mir bekannten Stand. Die Vereinbarung, dem BAMF im Zusammenhang mit Kirchenasylfällen Dossiers zuzuleiten, ist freiwilliges Angebot der Kirchen und reagiert darauf, dass durch das BAMF pauschal bezweifelt wurde, dass überhaupt eine inhaltliche Prüfung der individuellen Notlage durch die jeweilige Gemeinde erfolge. In der Folgezeit wurde auf eine Vielzahl von Dossiers hin auch tatsächlich der Selbsteintritt durch das BAMF erklärt.
Dass dies sich umkehrte und die Ablehnungsquote stieg, ist nicht, wie die Autorin schreibt, den "denkbar hohen Hürden" zuzuschreiben, sondern korreliert deutlich mit einem Zuständigkeitswechsel innerhalb des BAMF. Auf Veranlassung der Beratungsfirma McKinsey wurde Mitte 2016 die Zuständigkeit für die Prüfung von Kirchenasyl-Dossiers aus dem Referat Qualitätssicherung in das Dublin-Referat verlagert. Es haben also dieselben Beschäftigten, die die Dublin-Entscheidungen veranlassen, über deren Revision zu entscheiden. Dass hier in der Tendenz eher geringe Bereitschaft zu einer nochmaligen intensiven Prüfung besteht, kann wenig überraschen (s. dazu Gastkommentar von Dieter Müller SJ in der "Tagespost": "Kirchenasyl - wie geht es weiter?").
Im Übrigen liegt die Ablehnungsquote von Dossiers nach mir vorliegenden Daten des BAMF nicht im Bereich von 80 %, sondern im Bereich von 40 % (2017: 239 von 600 eingereichten Dossiers), mit anderen Worten: auch das BAMF erkennt in einem erheblichen Anteil der Fälle das humanitäre Anliegen der Kirchengemeinden an.
Leserbriefe an LTO: Zum beA und BGH-Anwälten, zur "unwürdigen" Assesorin und zum Kirchenasyl . In: Legal Tribune Online, 08.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30825/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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