Den Anwälten gehen die Renos aus – die Renos selbst wundert das nicht. Die BGH-Entscheidung zu Syndizi kann man auch ganz anders verstehen. Auch die profitable Pleite der FDP und das EuGH-Urteil zu Fotos aus dem Netz haben Sie kommentiert.
Hier finden Sie eine kleine Auswahl von Leserbriefen, die uns in der vergangenen Woche erreicht haben.
Die Auswahl ist nicht repräsentativ für das Leserecho. Wir nehmen ausdrücklich auch kritische Reaktioen auf, das ist schließlich der Sinn von Feedback. Unsere Leserbrief-Richtlinien finden Sie hier.
Juristisches Fachpersonal: Den Anwälten gehen die Renos aus
Für viele Rechtsanwälte dauert die Suche nach Fachpersonal für ihre Kanzlei immer länger. Ein Forschungsbericht des Soldan Instituts, der Ende des Jahres erscheint, soll Antworten geben. Jetzt wurden erste Zahlen veröffentlicht.
Von: Vera Niedermayr
Sehr geehrte Damen und Herren,
Mit großem Interesse habe ich den o.g. Bericht gelesen und kann über das "große Fragezeichen", weshalb hier Mangel herrscht, nur den Kopf schütteln.
Nach drei Jahren Ausbildung in einer Anwaltskanzlei und weiteren 14 Jahren als Rechtsanwaltsfachangestellte in einer Großkanzlei traue ich mich zu sagen, dass es mein Traumberuf war, den ich gelebt und geliebt habe, da er vielfältige Aufgaben und Selbständigkeit bietet. Fahrtkostenerstattung, VL und - wenn man noch einen alten Vertrag hat - Weihnachtsgeld sind in Verbindung mit netten Kollegen und wundervollen Chefs auch wirklich toll.
Weniger toll ist, wenn man sieht, dass nach dem Motto, "höher, schneller, weiter" gearbeitet wird. Heißt: sehr viel und immer mehr Arbeit bei gleichem oder sogar noch weniger Personal. Bezahlung individuell nach Kanzlei, da es keinen Tarifvertrag gibt. Ebenso sind Gehaltserhöhungen, Weihnachtsgeld und Urlaub Glücks- oder Verhandlungssache, je nachdem.
Eine frisch ausgelernte Fachkraft bleibt da selbstverständlich nicht lange, wenn irgendwo ein "lockerer" Job winkt oder noch besser sich eine schöne Stelle im öffentlichen Dienst auftut, mit klaren Bestimmungen und vielen Vorteilen wie z. B. Gleitzeit, 30 Urlaubstagen und Tariferhöhungen.
Es ist Galgenhumor, wenn sich die Herren Anwälte ernsthaft darüber wundern, dass Fachkräfte fehlen.
Von: Alice Dolfen
Kein Wunder, dass Anwälte sich über fehlende Fachkräfte beklagen, das liegt aber nicht nur daran, dass viele Anwälte nicht mehr ausbilden wollen, sondern auch daran, dass grundsätzlich zu schlecht bezahlt wird.
Viele Renos wechseln nach der Ausbildung lieber in die freie Wirtschaft oder in den öffentlichen Dienst, da sie dort besser bezahlt werden.
Ich spreche aus Erfahrung. Ich übe den Beruf schon seit 37 Jahren aus und muss noch neben dem Vollzeitjob einen Nebenjob verrichten, damit ich meinen Lebensunterhalt einigermaßen bestreiten kann.
Grundsatzentscheidung des BGH: Externe Datenschutzbeauftragte kann keine Syndikusanwältin sein
Wer angestellt als externer Datenschutzbeauftragter für Kunden des Arbeitgebers bestellt wird, bekommt keine Syndikusrechtsanwaltszulassung. Warum das laut BGH keine "Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers" sind, zeigt Martin W. Huff.
Von: Dr. Henning Löwe, LL.M., Rechtsanwalt, HGF RAK Hamburg, und Imke Mareile Wallner, Rechtsanwältin, Referentin RAK Hamburg
Die von Huff in LTO besprochene Entscheidung des BGH (Az. AnwZ (Brfg) 49/17) geht weiter, als Huff meint. Anders als von Huff eingeschätzt, hat die Entscheidung des BGH nicht nur Bedeutung für externe Datenschutzbeauftragte.
Was es bedeutet, in "Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers" tätig zu sein, war bisher umstritten. Der BGH hat nun am 02.07.2018 in seinem Urteil entschieden, was unter diesem Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist. Er stellt in seiner Entscheidung fest, dass in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers nur tätig wird, wer entweder eigene Rechte des Arbeitgebers wahrnimmt (§ 46 Abs. 5 S. 1 BRAO) oder aber im Sinne der abschließenden Regelung des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO tätig wird.
Anders als Huff in seinem Artikel meint, bleibt in der Entscheidung des BGH nicht offen, ob es Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers sind, wenn dieser Arbeitgeber über eine Rechtsberatungsbefugnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfügt und diese Rechtsberatung ein Rechtsanwalt für ihn übernimmt – und dieser somit eine Tätigkeit ausübt, die nicht von § 46 Abs. 5 BRAO erfasst ist.
Der BGH hat sich in seiner Entscheidung hierzu klar positioniert; er schreibt in Rn. 56, dass der Gang des Gesetzgebungsverfahrens und die Ausführungen der Gesetzesbegründung eindeutig dafür sprächen, dass § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BRAO eng auszulegen und daher eine solche Tätigkeit nicht erfasst sei.
Eine analoge Anwendung von § 46 Abs. 5 BRAO sei nicht zulässig (Rn. 58 ff.). Das Gesetz enthalte keine planwidrige Regelungslücke. Sowohl aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens als auch aus der Gesetzesbegründung zu § 46 BRAO ergebe sich eindeutig, dass der Gesetzgeber ausschließlich in den in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BRAO genannten besonderen Fällen der Drittberatung von einer Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers ausgehen wollte. Eine Ausweitung der Syndikusanwaltstätigkeit auf sonstige nach dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) zulässige rechtliche Beratungen von Kunden oder Mandanten des Arbeitgebers habe der Gesetzgeber insbesondere zur Sicherung der - von ihm als Kernelement angesehenen - fachlichen Unabhängigkeit (auch) des Syndikusrechtsanwalts verhindern wollen.
Auch für eine darüber hinausgehende verfassungskonforme Auslegung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG sei angesichts des Wortlauts der Norm und des klar erkennbar zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers kein Raum (vgl. Rn. 73).
Diese Beurteilung des BGH ist auch sachgerecht. Denn nur dort, wo die anwaltliche Unabhängigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 BRAO gewährleistet bleibt, darf auch eine Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) möglich sein. Richtigerweise heißt es hierzu in der Gesetzesbegründung (BT Drs. 18/5201, S. 30): "Die Beschränkung auf die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts für seinen Arbeitgeber in dessen Rechtsangelegenheiten ist erforderlich, um eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit durch das Einwirken fremder wirtschaftlicher Interessen zu verhindern (Fremdkapitalverbot). Dies bringt zum Ausdruck, dass an dem in § 59e BRAO geregelten Fremdbesitzverbot festgehalten wird.
Der BGH hat also bereits entschieden, dass die Beratung Dritter, die nicht unter die in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BRAO genannten Tatbestände fällt, auch dann keine Rechtsberatung Dritter ist, wenn diese Tätigkeit nach dem RDG erlaubt ist.
Bundestagsfraktion kann Forderung nicht begleichen: Eine profitable Pleite
Die "alte" FDP-Fraktion kann ausstehende Rechnungen einer Versorgungskasse in Millionenhöhe nicht zahlen, weil sie ihre Rücklagen verprasst hat. Ein Beispiel für klaffende Lücken im Recht der Fraktionsfinanzierung, meint Alexander Hobusch.
Von: Aras Abbasi, Jura-Student an der HHU
Der Autor verkennt meines Erachtens die Kernprobleme bezüglich der Uneinbringlichkeit der Forderung.
Zum einen wird jedem Jura-Studenten der Unterschied zwischen Partei und Fraktion klipp und klar erklärt: Die Fraktion ist nicht identisch mit der Partei und umgekehrt. Wenn der Autor schreibt, dass eine Fraktion die Rechtsnachfolge(!) einer der Partei zugehörigen Fraktion antreten könne, dann wird klar, dass die alte FDP-Fraktion wohl aufgrund des mangelnden Nachfolgers rechtlich untergegangen ist. Die Forderungen können also nicht ggü. der Partei FDP oder ggü. der neuen FDP-Fraktion geltend gemacht werden.
Zudem kann ich aus dem vom Autor angeführten § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur die Insolvenzunfähigkeit von Vermögen des Bundes und der Länder bzw. der entsprechenden Gebietskörperschaften herauslesen. Auch § 12 Abs. 1 Nr. 2 der InsO greift nicht, da es ja um eine Bundestagsfraktion und nicht um eine Landtagsfraktion geht.
Die Rechtsstellung der Fraktion ergibt sich aus § 46 des Abgeordnetengesetzes, woraus man herauslesen kann, dass diese eigenständige Vereinigungen und keine öffentliche Verwaltung darstellen. Daraus kann man schließen, dass diese eigenes Vermögen besitzen. Einfachgesetzlich scheint es somit keine Unzulässigkeit der Insolvenz für Bundestagsfraktionen zu geben.
Ob eine verfassungsrechtlich gebotene Unzulässigkeit eines Insolvenzverfahrens von Bundestagsfraktionen aufgrund der Nennung der Fraktionen in Artikel 53a I S. 2 GG - vergleichbar der womöglich verfassungsrechtlich gebotenen Unzulässigkeit von Insolvenzverfahren von Parteien aufgrund ihrer Nennung in Artikel 21 GG - problematisch wäre, wird vom Autor nicht geprüft.
Außerdem wird der FDP-Fraktion vorgeworfen, nicht vorgesorgt oder weitsichtig gehandelt zu haben. Der Autor stellt die FDP-Fraktion so dar, als hätte diese das Scheitern des Wiedereinzuges in den Bundestag als sehr sicher ansehen müssen. Die FDP-Fraktion saß von 1949 bis 2013 im Bundestag. Das sind ca. 64 Jahre Kontinuität. Zudem scheiterte die FDP sehr knapp am Einzug. Welcher Kassenwart hätte also aus Ex-post-Sicht Sicht den Wiedereinzug in den Bundestag bei der FDP bezweifelt?
Wenn der Autor dann noch schreibt, dass die betreffende Fraktion ihrer Buchführungspflicht nicht nachgekommen sei, so stellt sich mir die Frage, wie weit die Buchführungspflicht tatsächlich geht. Die Buchführungspflicht (vgl. § 238 HGB - drittes Buch, erster Abschnitt, erster Unterabschnitt "Buchführung. Inventar") umfasst streng genommen nicht die Pflicht, Rückstellungen ( § 249 HGB - drittes Buch, erster Abschnitt, zweiter Unterabschnitt "Eröffnungsbilanz. Jahresabschluß") oder gar Rücklagen zu bilden. Es wäre also eine Frage der Bilanzierungspflicht, die aber womöglich gar nicht für die Fraktionen verpflichtend ist.
Viel interessanter wäre es aber gewesen, zu untersuchen, was die vom Ältestenrat des Bundestages erlassenen Ausführungsbestimmungen zu Haushalts- und Wirtschaftsführung (siehe § 51 I AbgG) zu einem solchen Fall sagen und ob dahingehend ein Verstoß vorliegen würde.
All das wird nicht geklärt, obwohl das die staatsrechtlichen Aspekte gewesen wären, die man hätte näher erläutern können. Schade.
Von: Tobias de Raet, Rechtsanwalt
Das Verhalten der ehemaligen FDP-Fraktion gibt sicherlich Anlass zur Diskussion - juristisch und moralisch. Befremdlich finde ich allerdings, dass Sie einen Beitrag eines Autors veröffentlichen und nicht kenntlich machen, dass der Autor Vorsitzender der Jusos-Wuppertal sowie im Vorstand der SPD Wuppertal ist.
Antwort der Redaktion:
Die Kritik ist durchaus berechtigt, der Hinweis versehentlich unterblieben. Er wurde zwischenzeitlich nachgetragen.
EuGH zu frei zugänglichen Fotos im Internet: Verlinken ja, Hochladen nein
Das Foto in einem Schülerreferat schaffte es bis nach Luxemburg: Die Entscheidung des EuGH bringt aber nicht wie befürchtet das Ende der Exklusivität von Urheberrechten im Netz. Martin Gerecke zum Unterschied zwischen Linking und Upload.
Von: Bernd Paysan
Weder im Urteil noch im Kommentar wird der 9/2017 eingeführte § 60a UrhG erwähnt. Da es sich um einen Fall vor Inkrafttreten dieser Änderungen handelt, ist das beim Urteil ok (kann als Altfall behandelt werden), aber nicht für den Kommentar.
Denn es ging ja explizit um einen Schüler-Fall, und die Sondernutzungsrechte für Unterrichtszwecke sind da schon erwähnenswert; immerhin beinhalten diese eine öffentliche Zugänglichmachung an Dritte.
Damit könnte das Urteil durch die aktuelle Gesetzgebung bereits Makulatur sein, und nur bezüglich des alten § 52a anwendbar sein, der ja keine öffentliche Zugänglichmachung an Dritte beinhaltet.
Leserbriefe an LTO: Ihre Kommentare in KW 32 . In: Legal Tribune Online, 11.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30261/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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