Leserbriefe an LTO: Ihre Kom­men­tare in KW 30

30.07.2018

Zum Artikel In eigener Sache: Warum wir bei LTO keine Kommentare mehr zulassen

Von: Roland Hoheisel-Gruler

Soweit ist es nun also gekommen. Noch gestern hatte ich meine Studierenden auf einen Ihrer Artikel aufmerksam gemacht: 4 Seiten redaktionell aufgearbeiteter Entscheidung standen weitere 11 Seiten an Kommentaren entgegen. Und man sieht, wenn man die LTO in letzter Zeit verfolgt hat, dass nicht nur Juristen - verschiedenster Couleur und auch unterschiedlichstem juristischem Nieveaus - hier unterwegs sind, sondern zunehmend auch Menschen, die sich - aus welchen Gründen auch immer - vom Rechtsstaat abgehängt sehen und jede sich bietende Gelegenheit annehmen, sich mehr oder minder passend zum Thema zu exhibitionieren. 

Gepflegte Debatte und sachliche Diskussion sieht anders aus. 

Ich habe gerne die Kommentarspalte genutzt (wenn auch nicht oft) - und zwar aus dem Teaser in twitter heraus. Jetzt steht aber zu befürchten, dass sich die tumben Hassprediger in den Kommentarspalten bei twitter & Co. breit machen. 

Ob es das dann besser macht? 

 

Von: Prof. Dr. Klaus F. Gäditz (von der Redaktion leicht gekürzt)

Mit großer Anerkennung habe ich soeben gelesen, dass Sie den mutigen Schritt gegangen sind, die (überflüssige) Kommentarfunktion abzustellen. Respekt! Danke!

Zufällig hatten wir vor zwei Wochen eine Tagung in Mannheim zu "Democracy in the Times of Digitization". Ich hatte genau diesen Vorschlag gemacht. Wer das Internet als politisches Kommunikationsmedium retten will, sollte keine Kommentarfunktion anbieten, zumal diese einer kleinen vertrollten Minderheit mit viel Freizeit und ein paar Dutzend Alias-Accounts die Möglichkeit verschafft, erst groß zu wirken. Auf der Tagung fand meine These ("Quality media could perhaps take the first step and abolish the silly interactive comment functions on their (often high quality) internet pages.") freilich (fast) keine Zustimmung... Gleichwohl denke ich, dass hierin die Zukunft seriöser internetbasierter Medien liegt. Nach einer Dekade, in der die Online-Blödelbarden und Trolle nicht nur eine in Teilen rechtsradikale Partei in die Parlamente gepresst haben, die mit den Formaten, Mythen und Verschwörungstheorien der Internetianer gekonnt spielt, sondern auch die gesellschaftliche Verrohung immer bizarrere Züge annimmt, ist die Zeit reif für demokratieadäquate Gegenstrategien.

 

Von: Alex Frericks 

Solch ein Schritt ist zwar einerseits schade, angesichts des immer rauer werdenden Tons und der Unsachlichkeit absolut richtig.

Ich fände es zwar schade, wenn Leserbriefe, die nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln, ausgefiltert würden - repräsentative, aber sachliche Vorträge der „anderen Meinung“ würde ich mir wünschen. Dennoch oder hoffentlich gerade deswegen ist diese Entscheidung absolut richtig.

Ich würde mir wünschen, dass viele andere Ihnen folgen.

Viel Glück - vielleicht geht die Phase der Polemik in 2-3 Jahren ja auch wieder auf Minimum zurück.

 

Von: Matthias Hänke

Ich bin selbst noch nicht lange Jurist, lese Ihre Artikel und Ihre Seite, meist auf Facebook, seit Anfang des Studiums und bis heute immer gerne. Umso enttäuschter bin ich von Ihrem Entschluss, die Kommentarfunktionen Ihrer Webseite zu deaktivieren, sowie es Ihre Kollegen von "Spiegel Online" augenscheinlich schon vor längerer Zeit gemacht haben. 

Ich nehme an, dass der Aufwand, auf mehreren Plattformen zu moderieren und auswerten zu müssen, was "Gut" und was "Böse" ist, sowohl personell als auch zeitlich (vielleicht sogar aus emotionalen Gründen?) nicht mehr zu stemmen ist. Dafür habe ich vollstes Verständnis.

Jeden Tag lese ich auf anderen verschiedenen "Facebook"- und Webseiten Kommentare der User und Leser der einschlägigen Angebote und immer mehr komme ich aufgrund dieser täglichen Lektüre zu der Ansicht, dass die Gesellschaft stetig verroht, und das wohlgemerkt nicht nur in verbaler Hinsicht.

Ich bin aber auch fest davon überzeugt, dass dieses Phänomen schon immer existiert und nunmehr erst jetzt aufgrund des Durchbruchs der für die breite Masse zur Verfügung stehenden sozialen Medien seine grässliche Fratze vollständig zur Geltung kommt.

Die Hintergründe der Erforderlichkeit solcher Maßnahmen, die Sie als Journalisten nun gezwungenermaßen auch durch das Recht ziehen mussten, sind mir durchaus bewusst.

Meine Befürchtung ist, dass sich diese Maßnahmen wie eine Art Kapitulation, ein Eingeständnis und einen Rückzug gegenüber den - nennen wir sie einfach mal so -"Hetzern" darstellen.

Ich bin Strafrechtler und Strafverteidiger, sowohl praktisch als auch theoretisch, mit Leidenschaft tätig und kenne für eine solche Situation, vor der Sie nun stehen (und die für mich nachvollziehbaren Schritte, die Kommentarfunktionen zu deaktivieren) nur den einen Weg, zu jedem einzelnen strafrechtlich relevanten Beitrag oder Kommentar den nötigen Strafantrag zu stellen. Ob dieser nun verfolgt wird oder nicht.

Im Sinne einer "Gefährderansprache", wie bei der Nachstellung möglich, dürfte es auf solche Personen doch durchaus einschüchternd wirken, wenn auf einmal die Polizei vor der Tür steht und die Nachbarn, Ehefrauen, Verwandtschaft, etc. davon Wind bekommen. Wie Sie sicher wissen, kann auch ein Brief von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft  diesbezüglich erfahrungsweise wahre Wunder bewirken.

Anders kann diesen hinter ihren Bildschirm geifernden Feiglingen nicht klar gemacht werden, dass sie sich im Internet nicht in rechtsfreien Räumen befinden und ihren Frust in solche Aktionen ohne jegliche Gegenwehr oder Reaktion absondern können.

Zu dieser Problematik hinzu kommt das ohnehin in der Bevölkerung schon missverstandene grundgesetzlich verankerte Zensurverbot. Zwar sind die Medien als "Vierte" enorm wichtige Gewalt im Staat nicht direkt hieran gebunden, doch bietet eine solche Deaktivierung, bzw. das Löschen von Kommentaren eine regelrechte Steilvorlage für Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und ähnliche Menschen, die ihren Saft aus gerade solchen Aktionen saugen.

Dies soll alles soll kein Tadel und auch keine Kritik an sich sein. Es sind nur meine Gedanken und meine Befürchtungen, wohin eine solche Deaktivierung von Kommentarfunktionen letztendlich führen kann.

Von: Carsten Kämpfert

Sie begründen die Schließung von Kommentaren wie folgt:"Die Kommentarfunktion, die ursprünglich dem offenen fachlichen und gesellschaftlichen Diskurs diente, wurde unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zunehmend missbraucht, um Hass zu verbreiten."

Es gibt nur Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt oder aber strafbar sind. Welchen Tatbestand erfüllt denn der "Hass" ?

Es ist nicht zu fassen, dass ein Rechtsportal sich auf solch verschwurbelnde Begrifflichkeit einlässt.

 

Von: Simon Gauseweg, Akademischer Mitarbeiter

Wenngleich mit den selben gemischten Gefühlen, die Sie in Ihrem Artikel zum Ausdruck bringen, möchte ich Sie dennoch zu der Entscheidung beglückwünschen, die Kommentarfunktion abgeschaltet zu haben.

In letzter Zeit habe ich unter bei LTO veröffentlichten Artikeln immer wieder die selben "üblichen Verdächtigen" gelesen, die zu wirklich jedem Thema die immer selbe Leier an jammerigem Rechtspopulismus absondern und ständig andere Meinungen und deren Vertreter herabwürdigen wollten. Ihre Aussage, dass Autoren nicht den Kontext für solche vorgeblichen "Auseinandersetzungen" (die in Wahrheit viel zu häufig gebetsmühlenartige Monologe von vor Argumenten tauber Hetzer waren) liefern wollen, trifft, zumindest was mich und meine bescheidenen Beiträge in der Vergangenheit betrifft, den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf. Während ich durchaus fachlich hilfreiche und thematisch weiterführende Kommentare unter meinen Artikeln vorfinden durfte, konnte ich die sachfremden Plattitüden der "üblichen Verdächtigen" zum Teil bereits beim Schreiben vor meinem inneren Auge lesen. Schlussendlich wählte ich auch für meine eigenen Beiträge den im Internet seit langem zum Sprichwort gewordenen Ansatz "never read the comments".

Die Kommentarfunktion zu schließen war daher zwar traurig, aber der aus meiner Sicht nur konsequente Schritt. Selbst wenn der Kommentarbereich möglicherweise "nur" eine Echokammer war und die eigentlich Adressaten der Frust- und Hassbotschaften jene am Ende vielleicht gar nicht wahrnahmen, so spricht das doch nur dafür, dass die Funktion ihren Zweck nicht erfüllte.

Was mich als sporadischen Autor und treuen Leser von LTO nun interessieren würde, ist, ob (und wie) geplant ist, das in den Leserbriefen enthaltene, hoffentlich nun wertvollere Feedback auch mit den Autoren der Beiträge zu teilen. Planen Sie Weiterleitungen oder Einbeziehungen von Autoren in die Leserbrief-Verteiler? 

(Anm. d. Red.: Zu dieser interessanten Frage haben wir bisher noch keine Entscheidung getroffen.)  

 

Zitiervorschlag

Leserbriefe an LTO: Ihre Kommentare in KW 30 . In: Legal Tribune Online, 30.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30017/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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