Druckversion
Sonntag, 15.06.2025, 05:01 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/legal-tech/l/lg-berlin-64-s-95-19-legal-tech-plattform-unternehmen-inkasso-lizenz-reichweite-miete
Fenster schließen
Artikel drucken
41464

LG Berlin zu Legal-Tech-Unternehmen: Wie weit reicht die Inkas­so­li­zenz?

29.04.2020

Taschenrechner, Miniaturhaus und Computer

© chinnarach - adobe.stock.com

Legal-Tech-Plattformen dürfen Mietern zwar dabei helfen, ihre zu viel gezahlte Miete zurückzufordern. Den vereinbarten Mietzins zu senken, geht aber zu weit, meint das LG Berlin.

Anzeige

Wie weit ist der Begriff der Inkassodienstleistung auszulegen? Das Landgericht (LG) Berlin hat am Mittwoch entschieden, dass es nicht mehr von der eigenständigen Inkassolizenz gedeckt sei, wenn der Mieter eine Legal-Tech-Plattform damit beauftragt, neben einer Zahlungszurückforderung auch eine Mietreduzierung durchzusetzen (Urt. v. 29.04.2020, Az. 64 S 95/19).

In dem Rechtsstreit hatte ein Berliner Mieter seine Vermieterin unter anderem darauf verklagt, seine überhöhten Monatsmieten zurückzuzahlen und ihm seine vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, weil dies Miete gegen die Mietpreisbremse verstoßen habe. Als das Amtsgericht (AG) Charlottenburg seine Klage abwies, trat er seine Ansprüche an ein Legal-Tech-Unternehmen ab, das diese durchsetzen sollte.

So weit, so gut. Schließlich hatte der Bundesgerichtshof (BGH) erst im November des vergangenen Jahres entschieden, dass dieses Geschäftsmodell von der Inkassolizenz gedeckt ist. Wertungswidersprüche zu den Anwälten, die solche Legal-Tech-Angebote nicht machen dürfen, sah der BGH nicht.

Die eigentliche Bedeutung des Berliner Urteils liegt aber darin, dass die 64. Zivilkammer in dem Fall nicht von einer eigenständigen Inkassodienstleistung ausgeht, wie sie auch im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vorgesehen ist. Und zwar, weil der Mieter die Plattform darüber hinaus beauftragt hat, seine vereinbarte Miete herabzusetzen.

"Nichts anderes als die Abwehr einer ungerechtfertigten Mieterhöhung"

Bei der Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende Richter zwar, dass die Kammer dem Urteil des BGH in Sachen Legal Tech folge. Dieser hatte den Begriff der Inkassotätigkeit weit ausgelegt, um neuen Berufsbildern nicht von vorne herein den Weg zu verstellen und den Bereich der Rechtsberufe und der freien Berufe zu entbürokratisieren und zu liberalisieren.  

Allerdings gehe die Plattform zu weit, wenn sie nicht nur die zu viel gezahlte Miete für die Vergangenheit zurückfordere, sondern auch die vertraglich vereinbarte Miete für die Zukunft anpassen lassen will, so die 64. Kammer am Berliner Landgericht, bei dem unterschiedliche Kammern die Legal-Tech-Dienstleistungen in Sachen Mietpreisbremse seit längerem unterschiedlich beurteilen. Dies sei nichts anderes als die Abwehr einer ungerechtfertigten Mieterhöhung, die auch nach der Gesetzesauslegung des BGH nicht mehr als Inkassodienstleistung im Sinne des RDG begriffen werden könne, entschieden die Berliner Richter.

In der Konsequenz heißt das, dass das Legal-Tech-Unternehmen auch keine Vergütung für seine Tätigkeit nach dem RVG beanspruchen kann – bei dem Berliner Mieter die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von ungefähr 534 Euro. Aus Sicht der Berliner Zivilkammer müsste der Gesetzgeber das RDG konkretisieren und klarstellen, ob auch solche weiter gehenden Tätigkeiten noch als zulässige Inkassodienstleistungen bewertet werden sollen. Das LG hat auch die Revision zum BGH zugelassen.  

mgö/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

LG Berlin zu Legal-Tech-Unternehmen: . In: Legal Tribune Online, 29.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41464 (abgerufen am: 15.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Zivil- und Zivilverfahrensrecht
    • Anwaltsberuf
    • Anwaltszulassung
    • Digitalisierung
    • Inkasso
    • Legal Tech
  • Gerichte
    • Landgericht Berlin
Eine Anwältin spricht leidenschaftlich über Mut und die Herausforderungen der Kritik an der Regierung. 12.06.2025
Anwaltsberuf

Die Anwältin, die nach den Trump-Deals kündigte:

"Ich weiß nicht, ob ich noch den Mut hätte, wenn Kritik an der Regie­rung ver­boten ist"

Skadden-Associate Rachel Cohen kündigte im März, nachdem mehrere Kanzleien Deals mit der Trump-Regierung gemacht hatten. Im Interview spricht sie über ihre Beweggründe, warum Trump Großkanzleien angreift und die Folgen für das Justizsystem.

Artikel lesen
Vorlesung in einem Hörsaal mit Laptops 12.06.2025
Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz in der juristischen Lehre:

Wie weit wir in Deut­sch­land sind

Künstliche Intelligenz ist überall ein Thema, im Jurastudium kommt derzeit aber noch wenig an. Welche Angebote die Unis bisher machen, warum insbesondere Jurastudierende noch zögerlich sind und wohin die Reise perspektivisch geht, skizziert Diana…

Artikel lesen
Stefan von Raumer beim Deutschen Anwaltstag in Berlin 11.06.2025
DAV

DAV-Präsident zu Deutschlands Position bei Zurückweisungen:

"Das ist der Beginn von Anar­chie"

Andere Staaten halten sich bei Zurückweisungen nicht an das EU-Recht, deshalb muss Deutschland das auch nicht tun – so hatte die Bundesregierung argumentiert. Dies sendet eine fatale Botschaft, findet DAV-Präsident Stefan von Raumer.

Artikel lesen
Ein Redner diskutiert die aktuellen Herausforderungen für die Anwaltschaft und Justiz beim Deutschen Anwaltstag 2025. 07.06.2025
Podcast

LTO-Rechtslage-Sonderfolge zum Deutschen Anwaltstag:

Es beginnt mit dem Angriff auf Anwalt­schaft und Justiz

Welche Folgen hat der Beschluss zu Grenz-Zurückweisungen? Wie soll Justiz und Anwaltschaft auf Angriffe reagieren? US-Großkanzlei-Anwältin erzählt über ihren Ausstieg wegen des Systems Trump. All dies in Folge 34 des Rechtslage-Podcasts. 

Artikel lesen
V.l.n.r.: Stefanie Hubig (SPD), Bundesministerin der Justiz, Constanze Geiert (CDU), Justizministerin von Sachsen, Georg Eisenreich (CSU), Justizminister von Bayern, und Anna Gallina (Bündnis 90/Die Grünen), Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz in H 06.06.2025
Politik

Frühjahrs-Justizministerkonferenz 2025 in Sachsen:

Das haben die Jus­tiz­mi­nister besch­lossen

Ein neuer Pakt für den Rechtsstaat, Mietrechtsänderungen für Opfer häuslicher Gewalt und die erleichtere Rückführung von NS-Raubkunst. Das und mehr hat die JuMiKo in Sachsen beschlossen. Zudem gab es eine Erklärung zu aktuellen Ereignissen.

Artikel lesen
Stefan von Raumer 05.06.2025
DAV

76. Deutscher Anwaltstag:

Anwalt­ve­rein will Unter­wan­de­rung durch Ext­re­misten ver­hin­dern

Auf dem Anwaltstag in Berlin erfüllen den Deutschen Anwaltsverein nicht nur die rechtspolitischen Pläne der neuen Bundesregierung mit großer Sorge. Auch die mögliche Unterwanderung der eigenen Zunft durch Extremisten treibt den Verband um.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Deutsche Rentenversicherung Bund
Ex­pert*in Re­gress Zen­tra­les For­de­rungs­ma­na­ge­ment (m/w/div)

Deutsche Rentenversicherung Bund , Ber­lin

Logo von DLA Piper UK LLP
Coun­sel (m/w/x) im Be­reich Fi­nan­ce / Ca­pi­tal Mar­kets

DLA Piper UK LLP , Frank­furt am Main

Logo von DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V.
Voll­ju­rist als Re­fe­rent (w/m/d)

DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. , Ber­lin

Logo von DLA Piper UK LLP
As­so­cia­te (m/w/x) im Be­reich M&A / Cor­po­ra­te

DLA Piper UK LLP , Ham­burg

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
RECHTS­AN­WÄL­TE (W/M/D) FÜR DAS BLD-PER­SO­NEN­SCHA­DEN­ZEN­TRUM

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Dort­mund

Logo von Stadt Wilhelmshaven
Voll­ju­rist*in (m/w/d) für die Lei­tung des Recht­sam­tes

Stadt Wilhelmshaven , Wil­helms­ha­ven

Logo von DLA Piper UK LLP
As­so­cia­te (m/w/x) im Be­reich Cor­po­ra­te/M&A

DLA Piper UK LLP , Mün­chen

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
RECHTS­AN­WÄL­TE (W/M/D) FÜR DAS BLD-PER­SO­NEN­SCHA­DEN­ZEN­TRUM

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Köln

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
ADR als Kostenfaktor – oder Wettbewerbsvorteil? Der ökonomische Blick auf Konfliktlösung

23.06.2025

Digital Dialog: Arbeitsrechtliche Restrukturierungsmaßnahmen

24.06.2025

Logo von Georg-August-Universität Göttingen
Kolloquium "Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Digitalisierung der Gerichtsbarkeiten"

23.06.2025

NomosWebinar: Cyber Resilience Act

25.06.2025

Alles nach Plan – Unternehmenssanierung durch Insolvenz- und Restrukturierungsplan (§ 15 FAO)

24.06.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH