Die besten Fälle sind nicht immer die, die bei den Bundesgerichten landen. Oder haben Sie schon einmal vom Apfelkönig oder dem Flensburger Fördetopf gehört? Wenn nicht, dann bitte hier entlang. Das OLG Hamm ist selbstverständlich auch dabei.
Was den Parteichefs ihre Basis ist, sind der Justiz die unteren Instanzen: Dort spielt sich das wahre Leben ab. Dessen Fälle dürften den Richtern regelmäßig den einen oder anderen Seufzer entlocken – auch wenn sie neutral sein müssen.
Sieben besonders kuriose Fälle, die bei Ihnen in diesem Jahr gut angekommen sind, wollen wir hier noch einmal präsentieren. Passend zur – hoffentlich auch für Sie – ruhigen und besinnlichen Weihnachtszeit und als Erinnerung daran, dass das Recht, mit dem wir täglich zu tun haben, auch unterhaltsam sein kann.
1/7: AG Bautzen: Einfach mal ein Feuer legen
Was tun, wenn der Nachbar nervt? Natürlich, man zündet ihn an. Beziehungsweise sein Haus. Das kann helfen, man muss unter Umständen aber mit Konsequenzen rechnen. So wie die Seniorin, die ein Feuer an der Bäckerei auf dem Nachbargrundstück legte, weil es dort ihrer Meinung nach nicht ordentlich und sauber genug zuging.
"Diese Unordnung hat mich rasend gemacht", gab die Frau vor Gericht zur Begründung an. Das konnte das Amtsgericht Bautzen nicht ganz so gut nachvollziehen und verhängte eine Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung. In dem Fall zu Tode kam zum Glück niemand, die ältere Dame entschuldigte sich bei den Geschädigten und soll den entstandenen Schaden bereits beglichen haben.
2/7: AG München: Aggressives Schneeschippen
Vermutlich (noch) weniger gut als die sächsische Seniorin und der angezündete Bäcker dürften sich zwei bayerische Häuslebauer verstehen. Die beiden stritten sich vor dem Amtsgericht München, weil der eine beim Schneeschippen hin und wieder eine Schaufel der weißen Pracht aufs Grundstück des anderen fallen ließ.
Besonders fatal: Einmal habe der Schippende dem vermeintlich Leidtragenden dabei sogar absichtlich tief in die Augen geschaut und ganz bewusst hämisch eine Schaufel voll Schnee über den Zaun geworfen. Letzterer verlangte deshalb Unterlassung mit dem Argument, durch den zusätzlichen Schnee verzögere sich im Frühjahr die Begrünung und es entstünden Schäden am Rasen.
Das Münchner Gericht konnte der beleidigte Bayer damit allerdings nicht überzeugen: Ein oder zwei Schaufeln Schnee auf dem Grundstück des anderen seien zwar geeignet, diesen zu provozieren und "das Verhältnis der Männer untereinander weiter zu verschlechtern." Allerdings sei der zusätzliche Schnee ja letztlich auch nur Wasser, das bei der ohnehin zugeschneiten Fläche keinen Unterschied mache.
3/7: AG Soltau: Immer Ärger mit dem Dschungelcamp
Vermutlich hätte die Richterin am Amtsgericht Soltau sich nicht unbedingt träumen lassen, dass sie einmal über das Dschungelcamp urteilen müsste. Aber die Zuneigung einer Mutter ging so weit, dass sie ihre Tochter, die als Kandidatin an der TV-Show teilnahm, nach Australien begleiteten wollte.
Das Problem: Die Schule der 47-jährigen Lehrerin hatte ihr keinen Urlaub für die Reise genehmigt. Sie ließ sich also gleich für mehrere Wochen krankschreiben – und kassierte dafür letztendlich eine Geldstrafe in Höhe von 9.800 Euro (140 Tagessätze à 70 Euro) vom Amtsgericht Soltau wegen Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses. Die Richterin sah ein "einigermaßen dreistes" Verhalten als erwiesen an, das "dem Berufsbild der Lehrer schade".
Da half auch das Argument der Dschungelcamp-Kandidatin nicht: Die sehr wohl erkrankte Mutter hätte sich in Australien besser erholen können als bei der "Kälte in Deutschland".
4/7: AG Cottbus: Game of Apple Thrones
Die brandenburgische Kleinstadt Guben geht mit der Zeit: Seit 2016 können sich dort auch Männer für das traditionelle Ehrenamt der Apfelkönigin zur Wahl stellen. Doch wieder war es eine Frau geworden - sehr zum Ärger eines 42-Jährigen, der das Amt selbst bekleiden wollte.
Da er glaubte, die Wahl sei manipuliert worden, rief er das Amtsgericht Cottbus an. Dieses aber sah in seinem Vorbringen nur eine "bloße Vermutung", sodass der Kandidat sich gezwungen sah, noch eins draufzulegen. Er führte das aus seiner Sicht schwerwiegende Argument ins Feld, dass die Gewinnerin 2016 gar keinen Führerschein habe - in einer so ländlichen Gegend aus seiner Sicht ein Ausschlussgrund.
Aber auch dieses vermeintlich schwere Kaliber ließ das Gericht unbeeindruckt, ein Führerschein sei gerade keine Voraussetzung für die Bewerbung als Apfelkönigin gewesen. Und während sich Gubens Bürgermeister Fred Mahro angesichts der medialen Aufmerksamkeit für den Fall schämte ("Dass sich die Justiz mit dieser Posse beschäftigen muss!"), ist wenigstens die Wahl zur Apfelkönigin 2017 vergleichsweise ruhig abgelaufen. Gewonnen hat übrigens erneut eine Frau.
5/7: OLG Hamm: Ein Sportwagen für den Erbverzicht
Viel Geld lassen, um noch mehr Geld zu sparen: Das dürfte wohl der Plan eines Vaters und Zahnarztes gewesen sein. Der versprach seinem gerade volljährig gewordenen Sohn einen schicken Sportwagen, wenn dieser dafür auf sein sonstiges Erbe verzichte. Der autoaffine Sprössling war begeistert, die beiden besiegelten den Deal beim Notar.
Später kehrte der Sohn zur getrennt vom Vater lebenden Mutter zurück, als ihm dämmerte, dass der Erbverzicht angesichts der väterlichen Tätigkeit kein so guter Deal gewesen sein könnte – zumal der Erhalt des schneidigen Vehikels noch an mehrere andere Bedingungen geknüpft war. Unter anderem darum sei die Vereinbarung auch sittenwidrig gewesen, entschied das Oberlandesgericht Hamm.
Ein "erhebliches Ungleichgewicht zu Lasten des Sohnes" erkannten die Richter. Den Sportwagen hätte er nämlich erst mit Vollendung des 25. Lebensjahres und dem bis dahin eintretenden Wertverlust erhalten – und auch nur, wenn er zuvor die Ausbildung und Meisterprüfung zum Zahntechniker mit "sehr gut" abgeschlossen hätte. Auch vom Timing des Beurkundungstermins nur wenige Tage nach dem 18. Geburtstag des jungen Mannes zeigten sich die Richter nicht begeistert.
6/7: OLG Schleswig-Holstein: Fiese Falle für Fußbekleidung
Hohe Schuhe und Gitterroste – eigentlich könnten wir an dieser Stelle auch schon aufhören. Die Ausführungen des OLG Schleswig-Holstein sind dann aber doch zu gut.
In dem Fall besuchte eine Frau ihre zur Miete wohnende Tochter. Das Gebäude, schon etwas in die Jahre gekommen, besaß ein vor der Haustür eingelassenes Gitterrost zum Fußabtreten. Die Gefahr, mit ihren Absätzen von 2,5 (H) x 1,5 (B) Zentimetern in den rautenförmigen Gitteröffnungen von jeweils 4 x 7,3 Zentimetern hängen zu bleiben, war recht groß – und realisierte sich umgehend. Für den durch den Sturz entstandenen Schaden hafte der Vermieter der besuchten Tochter aber nicht, entschied das Gericht. Auch wenn die Maße der Gitteröffnungen in der Tat für heutige Verhältnisse ungewöhnlich seien.
Denn schließlich begründe jedes Gitterrost die Gefahr, "mit solchen Damenschuhen" hängen zu bleiben. Gerade vor Wohnhäusern älteren Baujahrs müsse man auch heute noch mit entsprechenden Vorrichtungen rechnen und sich deswegen "angemessen" bewegen. Die Profitipps der Richter aus dem Norden: Seitlich am Gitter vorbeigehen oder den Schritt auf dieses nicht mit dem Absatz, sondern dem Fußballen tun. Gewusst wie!
7/7: OVG Berlin: No Snacks on a Plane
Vergessen Sie den Haakjöringsköd-Fall. Hier kommt - beziehungsweise fliegt - der Flensburger Fördetopf – oder eben auch nicht, wie das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin klarstellte. Nach langer Zeit steht damit endlich fest, dass 272 g Büffelmozzarella, 155 g Nordseekrabbensalat und 140 g "Flensburger Fördetopf" – ein Matjeshering in Mayonnaise – nichts im Handgepäck eines Fluggasts zu suchen hatten.
Bei der Sicherheitskontrolle nahm die nach reichlicher Diskussion hinzugezogene Bundespolizei dem später klagenden Mann seine deftigen Leckereien ab, bevor er schließlich ohne eigene Verpflegung den Flug antrat. Er wollte die Rechtswidrigkeit der Entsorgung seiner Snacks feststellen lassen, denn immerhin eigneten sich Käse und Fisch nicht zu Angriffen auf Personen oder zur Beschädigung von Flugzeugen, argumentierte er.
Wie schon das Verwaltungsgericht zeigte sich aber auch OVG Berlin am Ende unbarmherzig: Der Mann habe die hinreichend bestimmten Handgepäck-Vorgaben nicht eingehalten. "Derartige Mischungen von Flüssigkeiten und Feststoffen", die seine Speisen nun einmal darstellten, dürften allenfalls in den üblichen durchsichtigen Behältnissen mit einem Fassungsvermögen von nicht mehr als 100 Millilitern mitgeführt werden. Auch habe die Polizei richtig gehandelt, indem sie etwa den Krabbensalat nicht auf Flüssigsprengstoff geprüft habe – denn dazu sei sie überhaupt nicht verpflichtet gewesen.
Marcel Schneider, Unverhältnismäßig, provokant, haarsträubend: 7 kuriose Fälle 2017 . In: Legal Tribune Online, 23.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26173/ (abgerufen am: 11.12.2023 )
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