Ein Kölner Amtsrichter hatte wohl keine Lust auf die Urteilsbegründung – und kopierte einfach das vollständige Sitzungsprotokoll unter den Tenor. Das LG Köln ist entsetzt und hat sein "Urteil" aufgehoben.
Ein Kölner Amtsrichter hat wegen eines "Urteils" einen ordentlichen Rüffel vom Landgericht (LG) Köln kassiert. Der Amtsrichter hatte über den Fall eines 52 Jahre alten LWK-Fahrers zu entscheiden. Dieser hatte mit seinem Auto unter Einfluss von Alkohol und Drogen ein anderes Fahrzeug auf einem Parkplatz gerammt und dabei einen Jugendlichen verletzt, der sich hinter dem parkenden Auto vor ihm versteckt hatte. Wegen fahrlässigen Vollrauschs hatte ihn der Amtsrichter zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt.
Das Urteil hat das LG, wie jetzt bekannt wurde, wieder aufgehoben (Urt. v. 28.07.2016, Az. 152 Ns 59/15). Die Begründung dafür dürfte aber selbst erfahrene Juristen erstaunen: Anstatt einer Urteilsbegründung ließ der Erstrichter lediglich die Anklageschrift und das vollständige Sitzungsprotokoll einschließlich sämtlicher Streichungen ablichten und die Kopien nach dem Tenor in das Urteil einfügen.
Urteil "schlicht eine Frechheit"
Die bloße Wiedergabe von Zeugenaussagen ersetze aber keine Beweiswürdigung, so das offenkundig entsetzte LG. Das rein mechanische Kopieren des Sitzungsprotokolls – noch dazu mit sämtlichen Streichungen – entbinde den Richter nicht davon, die von ihm erhobenen Beweise in ihrer Gesamtheit zu würdigen.
Damit aber noch nicht genug: Als angebliche Einlassung des Angeklagten ließ der Amtsrichter einen vom Verteidiger im Ermittlungsverfahren zur Akte gebrachten Schriftsatz vollständig in das Urteil hineinkopieren. Abgesehen davon, dass der überhaupt nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden war, handelte es sich bei der von ihm nicht übernommenen Erklärung seines Verteidigers gerade nicht um die Einlassung des Angeklagten.
Bei dem von dem Richter unterschriebenen Dokument handele es sich nicht um ein auch nur ansatzweise nach Maßgabe des § 267 Strafprozessordnung begründetes Urteil, sondern "schlicht um eine Frechheit", so die 2. Kleine Strafkammer des LG.
Bedenklich nah an Rechtsbeugung
Das Vorgehen des Erstrichters, "völlig sinnfrei zu großen Teilen überhaupt nicht in die Hauptverhandlung eingeführte Aktenteile in sein Urteil hineinkopieren zu lassen", werde nicht nur dem Angeklagten und dem Geschädigten sowie den Besonderheiten der abzuurteilenden Taten, sondern auch und gerade dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit in keiner Weise mehr gerecht. Die Fassung eines solchen "Scheinurteils" bleibe auch vor dem Hintergrund der hohen Arbeitsbelastung der Amtsgerichte unerklärlich. Sie sei schon mit Blick auf §§ 258a, 339 des Strafgesetzbuchs höchst bedenklich.
Vor diesem Hintergrund hob die Kammer das auch noch in der Sache (zugunsten des Angeklagten) grob fehlerhafte Urteil auf und schlug – insofern zu Gunsten des Angeklagten – die beim AG angefallenen Verfahrenskosten gemäß § 21 Gerichtskostengesetz nieder. Dafür wurde er wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr sowie des Vollrauschs aber zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt. Immerhin auf Bewährung.
acr/LTO-Redaktion
Richter bastelt Urteil am Kopierer: . In: Legal Tribune Online, 12.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21750 (abgerufen am: 09.10.2024 )
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