LG hält Fahrzeugkontrolle für ungerechtfertigt: Poli­zisten wegen Nöt­i­gung und Frei­heits­be­rau­bung ver­ur­teilt

14.02.2025

Eine nächtliche Polizeikontrolle führte zu schweren Vorwürfen und zwei Verurteilungen – allerdings für die beteiligten Polizisten. Einen Raubüberfall, den die Anklage den Beamten zur Last legte, sah das Gericht aber nicht.

Zwei Berliner Polizisten sind in einem Prozess um eine nächtliche Verkehrskontrolle zu jeweils neun Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt worden. Das Landgericht (LG) Berlin I sprach die Beamten der gemeinschaftlichen Nötigung im besonders schweren Fall (§ 240 Abs. 1, 4 Strafgesetzbuch (StGB)) sowie der Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) schuldig (Urt. v. 13.02.2025, Az. 506 KLs 14/24).

Eine von der Staatsanwaltschaft vorgeworfene Raubtat sei dabei nicht feststellbar gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Michael Mattern. "In zwanzig Verhandlungstagen ist jeder Stein umgedreht worden, viele Fragen sind offengeblieben".

Die Staatsanwaltschaft hatte den 49 beziehungsweise 45 Jahre alten Angeklagten vorgeworfen, im Juli 2024 gegen 23 Uhr einen Autofahrer auf der Berliner Stadtautobahn mit Blaulicht und Polizeikelle gestoppt zu haben. Dabei hätten sie den Mann in unverhältnismäßiger Weise mit Handschellen gefesselt, seinen Wagen durchsucht und einen Rucksack mit 55.000 bis 60.000 Euro erbeutet.

Kontrolle laut Gericht nicht gerechtfertigt

Fest steht laut Gerichtsurteil, dass der Autofahrer unter Einsatz von Blaulicht angehalten worden ist. Die beiden Angeklagten – ein Oberkommissar und ein Hauptkommissar – sollen gut befreundet gewesen sein und waren laut einer Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin außerhalb ihrer Dienstzeit, aber uniformiert und mit einem zivilen Dienstwagen unterwegs. Einer der Angeklagten soll seine Dienstwaffe sichtbar am Gürtel getragen haben. Weil der 63-jährige Autofahrer aus ihrer Sicht auffällig langsam gefahren sei, hätten die angeklagten Beamten ihn gestoppt, wie sie bei Gericht vortrugen.

Aus Sicht des Gerichts ist diese Kontrolle nicht gerechtfertigt gewesen. Der 63-Jährige habe sein Fahrzeug verlassen und sich mit angelegten Handschellen in den Polizeiwagen setzen müssen. Die Angeklagten aber hätten "nichts getan, was in irgendeiner Form das Geschehen hätte nachvollziehbar machen können". So sei etwa keine Halterabfrage erfolgt. Außerdem verbrachte der Autofahrer nach eigener Aussage etwa 30 Minuten in dem Polizeifahrzeug, ohne zu wissen, was los war. "Es war eine lange Zeit für eine Verkehrskontrolle, bei der nicht festgestellt wurde", so der Richter.

Gericht wurde “in vielfacher Weise angelogen“

Für eine Raubtat aber gebe es keine Beweise, so das Gericht. Den Ausführungen des 63-Jährigen, in seinem Auto habe sich ein Rucksack mit viel Geld befunden, sei nicht zu folgen, so das Gericht. Der angehaltene Fahrer hatte als Zeuge geschildert, dass er eine hohe Bargeldsumme für den Kauf von Geräten und Maschinen für seine Landschafts- und Gartenpflegefirma im Auto gehabt habe, die von den Polizisten mitgenommen worden sei. Weiterhin hatte er ausgesagt, dass die Polizisten ihm Handschellen angelegt hätten, ihm die Fesselung große Schmerzen bereitet habe und die Täter ihm einen "großen psychischen Schaden zugefügt" hätten.

Das Gericht sei "in vielfacher Weise angelogen worden – von mehreren Seiten", sagte Richter Mattern. Es bleibe nach fünfmonatigem Prozess ein "riesiges Fragezeichen, warum das Fahrzeug angehalten wurde."

Die Staatsanwältin hatte auf einen Schuldspruch wegen schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung plädiert und Haftstrafen von sechs Jahren und zwei Monaten beziehungsweise sechs Jahren beantragt. Die Verteidiger hatten jeweils auf Freispruch plädiert. "Der ganze Vorgang ist völlig frei erfunden", sagte einer der Anwälte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

dpa/mh/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG hält Fahrzeugkontrolle für ungerechtfertigt: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56596 (abgerufen am: 18.03.2025 )

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