Was gelungene Selbstvermarktung ausmacht, sehen amerikanische Anwälte etwas anders als ihre deutschen Kollegen. Den teils großartigen, teils grauenhaften Werbevideos hatten wir bereits im Februar einen Beitrag gewidmet. Hier folgen fünf weitere, unter anderem mit dabei: eine Kultfigur aus Breaking Bad und ihr reales Pendant, weinende Männer an Videokonsolen und Hasstiraden an die künftige Ex-Frau.
Saul Goodman ist der Inbegriff des anwaltlichen Schmierlappens: Ein kleiner Krimineller in Nadelstreifen, der mehr auf dem Kerbholz hat als der Großteil seiner Kundschaft. Zu deren Verteidigung ist ihm jedes Mittel recht. Da werden Zeugen bestochen oder bedroht, Geldwäscher vermittelt und Alibis erfunden, wobei Saul häufig eher an einen Consigliere der Mafia als an einen Anwalt im eigentlichen Sinn erinnert. Das Halbseidene seiner Figur wird bereits beim ersten Anblick deutlich: Der Anzug steht ihm genauso schlecht wie die Seriosität, die er verkörpert, und irgendwie ahnt man, dass auf seinem Büroschreibtisch wohl eher die Sekretärin als Gerichtspost zum Liegen kommt.
Und da die Ganovenrolle nun einmal so verdammt gut zu ihm passt, spielt er sie öffentlich in zahlreichen Werbevideos. Darin erklärt er seiner künftigen Kundschaft beispielsweise, wie sie auch aus dem fadenscheinigsten Anlass noch einen Klagegrund herbeifabulieren kann, oder wieso sie ganz bestimmt nicht haftet, wenn der illegal im Garten gehaltene Tiger den Nachbarsjungen zerfleischt:
Goodmans Videos zählen sicherlich zum Besten, was in Sachen Anwaltswerbung je gedreht wurde. Doch Goodman ist eine reine Kunstfigur, erdacht von den Schreibern der Erfolgsserie Breaking Bad - und als solche nicht im ersten Beitrag zu ausgefallener Anwaltswerbung vertreten. Aber die Realität übertrifft die Satire dann doch noch, beispielsweise im Video Nr. 2, einem Werbeclip des durchaus realen Daniel Muessig.
Wer meint, schamlose Anwaltswerbung à la Saul Goodman sei für fiktive Gestalten reserviert, den belehrt Daniel Muessig eines besseren. Der Strafverteidiger aus Pittsburgh bewirbt seine Dienste im Auftrag von Verbrechern jeder Couleur so offensiv, dass sein Breaking-Bad-Kollege im Vergleich wie eine Gallionsfigur gelebter Berufsethik erscheint.
Der erste Teil von Muessigs Spot zeigt Drogendealer, Einbrecher, Schläger und sonstige Straftäter, die ungestört ihrem Handwerk nachgehen können – dank der Dienste von Muessig, dem sie ein lautstarkes "Thanks, Dan!" entgegenrufen. Und auch "Dan" selbst scheut keineswegs den Schulterschluss mit seiner Mandantschaft, versichert vielmehr, mit ihnen gedanklich ganz auf einer Wellenlänge zu liegen: "Glaubt mir, ich habe vielleicht eine Anwaltszulassung, aber ich denke wie ein Krimineller".
Ins Groteske überzeichnet ist nicht nur die Amoral, mit der Muessig zu arbeiten behauptet, sondern auch so ziemlich alles andere an dem Video. Hier die Schwarz-Weiß-Fotos bekannter Mafia-Paten, dort ins Bild fahrende Panzer, Boxhandschuhe und Dollarnoten. Dass Muessig die Echtheit seines Angebots mit dem animierten Schriftzug "Real Defense Attorney" in Erinnerung ruft, fällt da fast schon nicht mehr ins Gewicht.
Wegen kleiner Anlässe große Summen zu fordern ist eine gerade in Amerika weit verbreitete Unsitte. Als Musterfall gilt vielen die Millionenklage von Stella Liebeck, die sich an McDonald's-Kaffee verbrannt und die Fastfood-Kette anschließend vor Gericht gezerrt hatte. Dabei ist die amerikanische Judikatur reich an noch weitaus absurderen (Schadensersatz-)klagen.
Immerhin: Die Herren von Trolman, Glaser & Lichtman werden wohl eher nicht zu dieser unrühmlichen Sammlung beitragen. In einem ihrer Werbespots nehmen sie die überzogene Anspruchshaltung mancher Mandanten gekonnt auf die Schippe. Gezeigt wird ein tief verstörter Herr mittleren Alters, der soeben dabei war, den Highscore in einem Konsolenspiel zu knacken, bevor ein Stromausfall seinen Lauf jäh beendete. Als der enttäuschte Gamer sein Gesicht schluchzend in die Hände legt, folgt die Ansage der Anwälte: "If you've been injured, call us. But keep in mind… you really need to be injured."
Als Scheidungsanwalt kommt man ständig mit Mandanten in Kontakt, die sich in einer emotional schwierigen Lebensphase befinden. Entsprechend wichtig ist eine taktvolle und behutsame Wortwahl – sollte man meinen.
Offenbar geht es aber auch anders, wie die Kanzlei DivorceEZ beweist. In einer Werbebotschaft an Scheidungswillige wählt deren Gründer Steve Miller so deutliche Worte, wie sie vielen frustrierten Eheleuten selbst nach dem bittersten Streit nicht über die Lippen kommen. "Wenn Sie und Ihr Partner sich auf den Tod nicht ausstehen können und aus dem höllischen Joch, das Sie Ehe nennen, ausbrechen wollen, dann sind Sie bei uns richtig", erklärt er gleich zu Anfang und legt dann sekündlich eine neue Schippe drauf. Neben dem "Ungeziefer von Ehepartner" kommen auch die Konkurrenz ("Downtown-Drecksäcke im Dreiteiler") und die Gerichtsdiener ("Analphabeten im Gerichtsgebäude") alles andere als gut weg.
Das Resultat ist eine nicht unbedingt sympathische, aber jedenfalls unmissverständliche Ansage, die manchem aus dem Herzen sprechen wird. Geschadet hat sie ihrem Ersteller jedenfalls nicht: Das Video ist seit 2007 online und die Seite divorceez.com gibt es immer noch. Und Miller, der so boshaft Gift und Galle spuckt, ist seit über 20 Jahren verheiratet.
Vor der Kamera zu stehen ist nicht jedermanns Sache, auch nicht die von Roger Orlando. Eigentlich wäre das nicht weiter schlimm, Werbeclips werden schließlich nicht live ausgestrahlt. Aber Orlando fühlte sich in der Rolle offenbar so unwohl, dass er beschlossen hat, gleich den ersten Take zu nehmen. Vielleicht merkt's ja keiner…
Constantin Baron van Lijnden, Anwaltswerbung in den USA - Teil 2: Verbrecherpaten, Konsolenkummer, Rosenkriege . In: Legal Tribune Online, 10.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11662/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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