Richter wollte Zeugin wegen Kopftuches nicht hören: Bevohrmundung im Gerichtssaal

31.03.2014

Einer Redensart zufolge kann man Menschen an der Nasenspitze ansehen, ob sie lügen. Einem Berliner Richter dient nach einem Bericht der taz ein anderes Körperteil zur Wahrheitsfindung: die Ohren. Allerdings nicht die eigenen, sondern die seiner Zeugen. Und weil man die unter einem Kopftuch bekanntlich nicht sieht, sollte eine Zeugin die religiöse Kopfbedeckung ablegen - oder ein Ordnungsgeld zahlen.

Der Bericht, von dem die taz vorsichthalber klarstellt, dass es sich nicht um einen verfrühten Aprilscherz handelt, beschreibt ein Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem Amtsgericht (AG) Tiergarten in Berlin vom vergangenen Dienstag. Dort habe der das Verfahren leitende Richter vor der Vernehmung einer Entlastungszeugin betont, dass diese ihr Kopftuch würde ablegen müssen. Zur Begründung seiner Forderung habe er laut einer bei dem Verfahren in den Zuschauerreihen anwesenden Anwältin erklärt, dass er die Ohren der Zeugin sehen müsse, "da er sonst nicht erkennen könne, ob sie die Wahrheit sage".

Letztlich sei das Problem nicht akut geworden, da der Richter das Verfahren bereits unabhängig von der Aussage der Zeugin eingestellt habe. Dennoch beabsichtige der Anwalt des Betroffenen* nun, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Richter einzulegen, der bereits im September vergangenen Jahres durch die Verhängung eines Kopftuchverbotes gegenüber einer Anwältin für Schlagzeilen gesorgt hatte.

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Kopftuchverboten beschäftigt die Justiz immer wieder. So urteilte das Verwaltungsgericht Düsseldorf noch vor wenigen Monaten, dass ein Kopftuch bei einer Verwaltungsbeamtin nicht zu beanstanden sei. Derweil bereitet das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung zu den Verfassungsbeschwerden einer Sozialpädagogin und einer Lehrerin vor, die wegen des Tragens von Kopftüchern Abmahnungen bzw. eine Kündigung erhalten hatten. Auch für Rechtsreferendare kann ein Kopftuchverbot gelten: So werden weibliche Referendare, die ihr Kopftuch nicht ablegen wollen, beispielsweise in Berlin vom Sitzungsdienst ausgeschlossen.

* Änderung vom 31.03.2014, 18:28: Hier wurden aus Klarstellungsgründen nachträglich die Begriffe Ordnungswidrigkeitsverfahren und Betroffener eingefügt.

cvl/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Richter wollte Zeugin wegen Kopftuches nicht hören: Bevohrmundung im Gerichtssaal . In: Legal Tribune Online, 31.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11502/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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