Wer als Richter an einem Amtsgericht sitzt, erlebt mitunter Dinge, die man sich nicht ausdenken kann. Dazu zählt sicherlich auch der Fall eines 34-Jährigen, der sich mit einer Pistole ein Wattestäbchen in den Kopf schoss.
Ein 34-Jähriger aus München hat sich mit einem Revolver ein Wattestäbchen in den Kopf geschossen. Das brachte ihm neben einer erheblichen Kopfverletzung auch eine strafrechtliche Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Waffenbesitzes in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15 Euro durch das Amtsgericht (AG) München ein (Urt. v. 07.08.2018, Az. 1116 Ds 117 Js 217523/17).
Die Anklage verhieß bei weitem nichts spektakuläres, vielmehr einen Allerweltsfall. Die Geschichte dahinter aber ist ungewöhnlich: Der Mann gab an, die Waffe, einen Revolver vom Kaliber vier Millimeter, in einer Mülltonne gefunden zu haben. Daraufhin habe er, gemeinsam mit einem Freund, die scharfen Patronen aus der Trommel entfernt und stattdessen ein halbes Wattestäbchen eingesetzt.
Mit dem so geladenen Revolver habe man dann Russisch Roulette gespielt - ein Spiel, bei dem ein mit nur einer Patrone geladener Revolver unter den Spielern herumgereicht wird, wobei jeder diesen einmal an den eigenen Kopf richten und abdrücken muss. Vor Beginn wird die Trommel gedreht, damit den Spielern nicht bekannt ist, in welcher Position sich die Patrone - beziehungsweise in diesem Fall das Wattestäbchen - befindet.
Allerdings, so gab der Mann an, habe man nur so getan, als würde man wirklich abdrücken. Etwa eine Stunde später, nachdem sein Freund sich verabschiedet habe, habe er sich aber dazu entschlossen, das Spiel noch einmal alleine zu versuchen. Er habe dazu nachgeschaut, in welcher Position sich das Stäbchen befand, und gesehen, dass es seitlich vom Lauf lag. Allerdings habe er sich anschließend beim Drehen der Trommel in der Richtung vertan.
So setze er den Revolver erneut an den eigenen Kopf, offenbar im Glauben, das Stäbchen könne sich nun nicht im Lauf befinden. Der Irrtum offenbarte sich aber, als es, laut seinen Angaben, "Pump" machte.
Richterin: "Wie kommt ein erwachsener Mensch auf so etwas?"
Nun kann auch ein Wattestäbchen, mit der Kraft eines Revolvers aus nächster Nähe abgeschossen, zu einem gefährlichen Projektil avancieren. So drang es durch die Schädeldecke des Mannes zwei Millimeter tief ins Gehirn ein und beförderte ihn somit ins Krankenhaus, wo ihm eine Titanschiene implantiert werden musste. Nach acht Tagen wurde er auf eigenen Wunsch wieder entlassen. Nach eigenen Angaben leidet er bis heute unter Schwindelattacken und hat einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt.
Die Richterin sah sich in der Verhandlung zu der Frage genötigt, wie ein erwachsener Mensch denn überhaupt auf so eine Idee kommen könne. Daraufhin erklärte der Mann schlicht, er sei drogensüchtig. Er habe schon im Alter von 13 Jahren Marihuana geraucht, später seien härtere Drogen hinzugekommen.
Gegenwärtig werde er substituiert, d. h. er bekommt auf ärztliche Verschreibung einen Ersatzstoff wie bspw. Methadon, um die Folgen des Drogenkonsums abzumildern. Die Sache sei ihm im Übrigen eine Lehre gewesen und er nehme inzwischen keine Drogen mehr, erklärte er.
mam/LTO-Redaktion
AG München zu Russischem (Wattestäbchen-)Roulette: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31101 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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