Kaum zu glauben: Wenige Wochen nach der Empörung über ein US-Gericht, welches den Penis eines Jugendlichen fotografieren lassen will, kommt eine deutsche Richterin mit einer ganz ähnlichen Entscheidung in die Presse. Ein angeblicher Exhibitionist beruft sich darauf, sein Penis habe nicht, wie angeklagt, aus der Hose gehangen – dafür sei er nämlich zu kurz. Das will die Richterin nun prüfen lassen.
Wer sich angesichts der Meldung über den Fall in Virgina über das amerikanische Rechtssystem empört hat, sollte besser nicht weiterlesen. Denn das Amtsgericht (AG) Leer hat sich die die Kollegen aus Übersee offenbar zum Vorbild genommen. Immerhin: Von zwangsweiser Viagra-Einflößung ist hier nicht die Rede, und der Angeklagte ist mit 54 Jahren auch solide in der Volljährigkeit angekommen. Dennoch sind die Parallelen frappierend: Hier wie dort soll einem noch minderjährigen Mädchen das beste Stück des Angeklagten präsentiert worden sein, und in beiden Fällen will das Gericht dieses zwecks Nachweis der Tat näher in Augenschein nehmen.
Der Mann, der sich in Leer verantworten muss (Az. 6a ds 265/14), soll im August 2013 als Paketzusteller an einem Haus in Moormerland (Niedersachsen) geklingelt haben. Dabei habe sein Penis deutlich sichtbar aus der Hose gehangen, erinnert sich die 16-Jährige, die die Sendung entgegennahm. "Ich habe etwas Fleischfarbenes gesehen", wird sie von der Ostfriesen-Zeitung zitiert, sie sei sich "ganz sicher", dass es sich dabei um das Genital des Angeklagten gehandelt habe. Die Mutter der Jugendlichen erklärte, ihre Tochter sei angesichts des unerwarteten Anblicks "aufgelöst" und "völlig angeekelt" gewesen. Man habe sogleich den Paketdienst über den Vorfall informiert und sei anschließend zur Polizei gegangen.
Penis zu kurz, um aus der Hose zu hängen?
Als wäre der Fall bis zu diesem Punkt nicht absurd genug, springt dem Angeklagten vor Gericht seine Frau als Entlastungszeugin bei: "Tschuldigung, Schatz – aber der Penis ist zu kurz, der kann nicht raushängen." Der Verteidiger des Mannes soll der Richterin Ulrike Andreesen sogar vorgeschlagen haben, sich davon selbst einen Eindruck zu verschaffen, doch diese lehnte dankend ab: "Das widerstrebt mir, ehrlich". Stattdessen solle nun die Rechtsmedizin in Oldenburg für Klärung sorgen.
Einen derartigen Fall habe sie zuvor auch noch nie erlebt, zitiert die Ostfriesen-Zeitung Andreesen. In einer Verhandlung Anfang August sei auch über die Möglichkeit einer Einstellung gesprochen worden, doch der Beklagte habe abgelehnt: "Da bleibt doch immer was hängen"…
cvl/LTO-Redaktion
AG Leer will Penis von Angeklagtem vermessen: . In: Legal Tribune Online, 22.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12973 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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