Zehntausende Wirecard-Aktionäre haben im Insolvenzverfahren Forderungen angemeldet, die Aussichten sind mau. Dank des OLG München dürfen sie nun wieder hoffen – zumindest bis zum nächsten Urteil.
Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München können gut 50.000 Wirecard-Aktionäre weiter auf eine Entschädigung im Insolvenzverfahren hoffen. Der 5. Zivilsenat des OLG hat entschieden, dass die Aktionäre ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden können. Gegen den Insolvenzverwalter Michael Jaffé geklagt hatte die Vermögensverwaltung Union Investment, die von 2015 bis 2020 Wirecard-Aktien für 33 ihrer Kunden gekauft hatte. Abgeschlossen ist die Sache damit aber nicht, es handelt sich um ein Zwischenurteil.
In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) München I die Klage noch abgewiesen. (Urt. v. 23.11.2022, Az. 29 O 7754/21). Die Kammer entschied damals, dass “etwaig bestehende Schadenersatzansprüche der Klägerin nicht als Insolvenzforderungen im Rang des § 38 InsO zur Tabelle festgestellt werden können". Eine Einordnung der Ansprüche von Aktionären als Insolvenzforderung sei "mit den Grundwerten des Insolvenzrechts nicht vereinbar".
Insolvenzverwalter Jaffé will nun vor dem Bundesgerichtshof klären lassen, ob die Forderungen von Aktionären den gleichen Rang haben wie die Ansprüche von Gläubigern, denen ein insolventes Unternehmen Geld schuldet. Das bestätigte ein Sprecher Jaffés. Auch das OLG verweist in seinem Zwischenurteil darauf, dass bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist, ob Schadenersatzansprüche von Aktionären Insolvenzforderungen im Sinne der Insolvenzordnung sind.
Es geht um sehr viel Geld
Laut OLG haben etwa 50.000 Wirecard-Aktionäre Schadensersatzansprüche in Höhe von an die 8,5 Milliarden Euro angemeldet. Insgesamt fordern die Wirecard-Gläubiger 15,4 Milliarden Euro. Bislang hat Jaffé 650 Millionen Euro aus der Insolvenzmasse gesichert. Sofern nicht noch überraschend weitere Milliarden auftauchen, werden die Gläubiger also in jedem Fall nur einen kleinen Teil ihrer Forderungen bekommen.
Der Insolvenzverwalter sieht die Forderungen von Gläubigern als vorrangig. Wirecard schuldet sowohl kreditgebenden Banken als auch ehemaligen Angestellten viel Geld. Aktionäre hingegen haben zwar Kursverluste erlitten, dem Konzern aber weder Geld geliehen noch sonstige Leistungen erbracht, bei denen Wirecard die Zahlung schuldig geblieben wäre. Hätten die Aktionäre gleichrangige Ansprüche, bliebe für die Gläubiger sehr viel weniger Geld übrig, argumentiert Jaffé.
Der Kollaps des Dax-Konzerns im Sommer 2020 hatte neben dem Strafverfahren hunderte von Zivilklagen zur Folge. Bei einem Großteil dieser Klagen handelt es sich um Schadensersatzklagen früherer Wirecard-Aktionäre gegen den seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft sitzenden Ex-Vorstandschef Markus Braun und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die die mutmaßlich falschen Wirecard-Bilanzen testiert hatte.
dpa/sts/LTO-Redaktion
Nach Zwischenurteil des OLG München: . In: Legal Tribune Online, 25.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55503 (abgerufen am: 11.12.2024 )
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