Wo Wirtschaftskanzleien wachsen wollen: Die Nachfrage bestimmt das Angebot

von Dr. Anja Hall

13.02.2015

2/2: Internationalisierung vorantreiben

Im Fokus der meisten Sozietäten, die LTO nach ihrem Ausblick für 2015 befragt hat, steht das grenzüberschreitende M&A-Geschäft: "Deutschland wird, da wirtschaftlich und politisch stabil, bevorzugtes Ziel von US-Investitionen sein", ist Dr. Ralf Thaeter, Managing Partner Deutschland von Herbert Smith Freehills (HSF), überzeugt. Auch Taylor Wessing setzt auf die USA: Die Kanzlei hat im Sommer 2014 zwei Repräsentationsbüros in Palo Alto und New York eröffnet. "Außerdem treiben wir unsere Markterschließung in Asien, vor allem Südostasien, massiv voran", sagt Managing Partner Dr. Andreas Meissner. Nach Asien zieht es  auch King & Wood Mallesons, die Anfang Februar angekündigt hat, einen Standort in Singapur zu eröffnen.

GvW Graf von Westphalen sieht neben dem M&A auch Midcap-Corporate als Wachstumsbereich und hat sich für 2015 vorgenommen, ihre Länderexpertise vor allem in China und der Türkei zu stärken. Die Kanzlei ist sowohl in Shanghai als auch in Istanbul mit eigenen Büros präsent. Die Internationalisierung wird nach Ansicht der GvW-Managing Partner Dr. Robert Theissen und Christof Kleinmann aber nicht nur dem Corporate- und M&A-Geschäft helfen - auch der Zoll- und Außenhandelspraxis der Kanzlei soll es Auftrieb geben.

Compliance und Wirtschaftsstrafrecht im Fokus

Ein weiteres Wachstumsgebiet, das nach Einschätzung vieler Managing Partner zunehmend einen internationalen Anstrich bekommt, ist Compliance. In den letzten Monaten gab es quer durch die Kanzleilandschaft mehrere Partnerwechsel – ein Anzeichen dafür, dass der Bereich auf der Strategie-Agenda der Sozietäten weit oben steht.

So gewann Noerr zum Februar den bisherigen Leiter der steuer- und wirtschaftsstrafrechtlichen Praxis von PwC Legal, Dentons verstärkte sich zum Jahresbeginn mit zwei Compliance-Experten von Mayer Brown, und Gleiss Lutz holte bereits im Herbst 2014 einen erfahrenen Staatsanwalt in ihre Compliance-Praxis. Deloitte Legal gewann einen Partner von Roxin Rechtsanwälte als neuen Leiter des Bereichs "White Collar Crime Prevention and Investigations".

Industrie 4.0 bringt neuen Beratungsbedarf

Einige Kanzleistrategen, mit denen LTO gesprochen hat, richten ihren Blick noch etwas weiter in die Zukunft. Unter dem Schlagwort "Industrie 4.0" kommen auf die produzierenden Unternehmen einige Fragestellungen zu, mit denen sich diese Mandantengruppe bislang nur wenig befassen musste: Industrie 4.0 ist ein Zukunftsprojekt in der Hightech-Strategie der Bundesregierung, mit dem die Informatisierung der Fertigungstechnik vorangetrieben werden soll. Das Ziel ist eine "Smart Factory": Eine Fabrik, in der Maschinen über IT-Systeme und das Internet der Dinge untereinander kommunizieren.

Denkbar ist beispielsweise, dass Lagerbestände automatisch überprüft werden. Sobald der Materialvorrat zur Neige geht, bestellt das System direkt beim Lieferanten Nachschub, ohne dass ein Lagermitarbeiter eingreifen muss. Wenn Geschäftsbeziehungen derart automatisiert werden, stellen sich einige rechtliche Fragen, etwa nach Datenschutz und Haftung.

Ob Transaktionsgeschäft oder ganz neue Beratungsfelder - die Kanzleien versuchen, nah am Puls der Mandanten zu sein und deren Bedürfnisse möglichst frühzeitig zu erahnen. Sie stärken Bereiche, die besonders nachgefragt werden. Am schnellsten geht das natürlich, indem man erfahrene Partner oder ganze Teams von Wettbewerbern holt. Doch die interne Aufstellung muss mit der Expansion Schritt halten, und ein Partnerzugang zahlt sich erst dann voll aus, wenn er gut integriert ist.

Für Andreas Meissner, Managing Partner von Taylor Wessing, sind die "internen Erneuerungsprozesse" deshalb ebenso wichtig wie die Expansion nach Asien und die USA. Die Kanzlei will künftig eine aktivere Geschäftspolitik betreiben und sich stärker auf bestimmte Mandanten und Mandate fokussieren. Auch das deutsche Management von Clifford Chance hat einige interne Maßnahmen angekündigt, über die es in den kommenden Wochen offiziell sprechen will. Es bleibt also spannend – auch abseits von großen M&A-Transaktionen.

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

Anja Hall, Wo Wirtschaftskanzleien wachsen wollen: Die Nachfrage bestimmt das Angebot . In: Legal Tribune Online, 13.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14680/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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