Der Insolvenzverwalter von Wirecard will mit einer Klage Geld für die Gläubiger des ehemaligen Dax-Konzerns sichern. Das LG München I hat nun ein Urteil gefällt. Der Streit dürfte aber weitergehen.
Das Landgericht München I hat drei ehemalige Vorstandsmitglieder von Wirecard zur Zahlung von insgesamt 140 Millionen Euro Schadensersatz plus Zinsen verurteilt (Urt. v. 05.09.2024, Az.: 5 HK O 17452/21). Die 5. Kammer unter dem Vorsitz von Helmut Krenek geht davon aus, dass sie bei unternehmerischen Entscheidungen Pflichtverletzungen begangen haben und deswegen für den entstandenen Schaden haften müssen (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Aktiengesetz). Eine Klage gegen den früheren stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Stefan Klestil wurde dagegen abgewiesen.
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehen der ehemalige Vorstandsvorsitzende Markus Braun sowie die früheren Finanz- und Produktvorstände von Wirecard. Sie sollen nach Ansicht von Insolvenzverwalter Michael Jaffé bei der Vergabe eines unbesicherten Darlehens mit einem Volumen von 100 Millionen Euro sowie der Zeichnung einer Schuldverschreibung Pflichtverletzungen begangen haben.
Mit seiner Klage will Jaffé Geld für die Insolvenzmasse sichern. Die mündliche Verhandlung hatte am 22. Februar stattgefunden, das heute verkündete Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Prozessbeobachter rechnen mit einem Berufungsverfahren.
Ehemaliges Aufsichtsratsmitglied muss nicht zahlen
Mit einem Teil der Klage scheiterte Jaffé. Der ehemalige stellvertretende Aufsichtsratschef Stefan Klestil soll dem Urteil nach nicht zahlen. Zwar attestierte die Kammer auch ihm eine Verletzung seiner Aufsichtspflichten, dies führe aber nicht zu einer Haftung. Weil der Vorstand sich bereits in der Vergangenheit nicht an Vorgaben des Aufsichtsrates gehalten habe, sei nicht sicher, ob Maßnahmen des Aufsichtsrates in den beiden Fällen geholfen hätten.
Bei den drei Vorständen sah das Gericht dagegen eine klare Verantwortung, weil der Kredit nicht besichert gewesen sei und es vor der Zeichnung der Schuldverschreibungen keine gründliche finanzielle Prüfung gegeben habe. Bei Braun und dem Finanzvorstand leitete die Kammer eine Verantwortlichkeit direkt aus ihren Ressortzuständigkeiten ab. Bei der Produktvorständin argumentierte das Gericht, dass sie nach fragwürdigen Vorgehensweisen bei der Kreditvergabe hätte misstrauisch werden müssen. Die Pflichtverletzungen seien "jedenfalls fahrlässig" begangen worden.
Manager-Haftpflicht zahlt nicht bei Straftaten
Wie viel Geld der Insolvenzverwalter letztlich vereinnahmen kann, bleibt ungewiss. Die Manager haften zwar mit ihrem Privatvermögen, es ist fraglich, dass dieses für den in Rede stehenden Schadensersatz ausreicht. Wirecard hatte für die Vorstände und Aufsichtsräte auch eine Manager-Haftpflicht abgeschlossen, die die geforderte Summe decken könnte. Bei Straftaten von Managern greift diese aber nicht.
Braun steht, mit zwei anderen Managern, seit Dezember 2022 auch wegen Betrugsverdachts vor Gericht. Der ehemalige Vertriebsvorstand Jan Marsalek ist untergetaucht. Dem ehemaligen stellvertretenden Aufsichtsratschef Stefan Klestil werden keine Straftaten vorgeworfen. Klestils Anwälte zeigten sich nach der Entscheidung zufrieden. Ein Sprecher des Insolvenzverwalters wollte das Urteil nicht kommentieren.
dpa/sts/LTO-Redaktion
Pflichtverletzungen: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55348 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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