Zusatzqualifikationen für Anwälte: Was ist sinn­voll, was hilft mir weiter?

von Ass. jur. Carmen Schön

08.03.2019

Zusatzausbildungen für Juristen gibt es wie Sand am Meer. Muss es aber immer die Fachanwaltschaft sein? Oder doch etwas Innovativeres? Carmen Schön gibt einen Überblick über die Optionen und erklärt, wie man sich richtig entscheidet.

Für Rechtsanwälte gibt es eine ganze Reihe möglicher Zusatzqualifikationen. Da sind zunächst die "Klassiker" wie Fachanwaltschaften und ein LL.M.-Studium. Arbeitsrechtler, Familienrechtler und Anwälte, die oft in Prozessen und Schiedsverfahren tätig sind, lassen sich häufig zum Mediator ausbilden. Nicht wenige Juristen erweitern auch ihre Sprachkenntnisse, um neben Englisch, das man in Wort und Schrift gut beherrschen sollte, eine oder mehrere weitere Fremdsprachen zu erlernen. Nicht zuletzt könnte man auch eine Promotion als Zusatzqualifikation bezeichnen.

So weit so gut. Doch wären nicht auch innovativere Fortbildungen für Juristen denkbar als immer das ewig Gleiche? Orientieren könnten Sie sich dabei beispielsweise an den Herausforderungen, denen ihre Arbeitgeber, die Kanzleien, tagtäglich gegenüberstehen.

Warum nicht auch in Technologie und Management fortbilden…

In aller Munde ist natürlich die Digitalisierung – Schlagwort Legal Tech. In der Tat könnte es für Sie sinnvoll sein, sich technische Kenntnisse anzueignen. Ein Informatikstudium mal so nebenbei dürfte für die meisten Anwälte wohl eher unrealistisch sein. Und ob jeder Jurist in Zukunft programmieren können muss, darüber gehen die Meinungen auch weit auseinander. Aber worüber weitgehend Einigkeit herrscht: Grundkenntnisse in der Informationstechnologie oder - konkreter - in Legal-Tech-Anwendungen sind sicher sinnvoll.

Wer gar nicht technikaffin ist, für den sind möglicherweise Zusatzausbildungen rund um Management-Themen eine Alternative. Denn Juristen sind meist keine Unternehmertypen und auch keine geborenen Manager. Zwar gibt es in vielen Kanzleien Soft-Skill-Seminare etwa zur Mitarbeiterführung oder zur Kommunikation. Aber wer vertiefte kaufmännische bzw. betriebswirtschaftliche Grundlagen für seine Tätigkeit gebrauchen kann, für den ist vielleicht ein Zusatzstudium zum Master of Business Administration (MBA) sinnvoll. Oder – wenn Grundkenntnisse ausreichen - auch nur einzelne Kurse, etwa bei einer Handelskammer.

Der Vorteil: Wenn Sie nicht nur juristisch, sondern auch betriebswirtschaftlich denken können, bekommen Sie ein besseres Verständnis für die eigene Arbeit in der Kanzlei. Nicht zuletzt erhöht es auch Ihr Verständnis für den Mandanten. Denn egal, was für eine Ausbildung er hat: In einem Unternehmen muss er jeden Tag unternehmerische Entscheidungen treffen.

… oder im Umgang mit Innovationen?

Ein weiterer Bereich, in dem sich eine Weiterbildung lohnen kann, ist alles, was den Umgang mit Veränderungen betrifft, auch bekannt unter dem Schlagwort Change Management. Denn es lässt sich vielerorts beobachten, dass Kanzleiführungen mit Veränderungen oft nicht richtig umgehen. Sei es, dass ein neues Feedback-System oder Coachings eingeführt werden, dass es neue Anforderungen an die Anwälte etwa in Bezug auf einen Business Case gibt oder dass sich eine Kanzlei auf eine Kultur und Werte verständigt. Damit solche großen und kleinen Veränderungen gelingen, müssen die Verantwortlichen die psychologischen Aspekte eines solchen Projekts verstehen und wissen, wie man es am besten angeht. Vielen ist das aber nicht bewusst.

Neben dem Umgang mit Veränderungen können Sie auch den Umgang mit Innovationen erlernen. Etwa indem Sie sich neue Arbeitsmethoden wie das Legal Design Thinking aneignen, die dabei helfen neue anwaltliche Beratungsprodukte zu kreieren. Oder Sie entscheiden sich für eine Weiterbildung zum Projektmanager, denn letztlich ist jedes Mandat ein Projekt. Für Anwälte, die häufig große und komplexe Mandate betreuen, kann es hilfreich sein zu erlernen, wie man solch ein Projekt strukturiert angeht.

Wie entscheide ich mich richtig?

Die Möglichkeiten für Juristen, Zusatzqualifikationen zu erwerben, sind also mehr als vielfältig. Um sich für die richtige Fortbildung zu entscheiden, sollten Sie sich zunächst daran orientieren, welche Anforderungen in Ihrem Job - außer Jura – an Sie gestellt werden: Welche Erwartungshaltung hat meine Kanzlei, welche haben meine Mandanten an mich? In welchen Feldern kann ich noch etwas dazulernen?

So können für Anwälte, die häufig bei Transaktionen beraten, BWL-Kenntnisse sinnvoll sein oder auch eine Weiterbildung zum Projektmanager. Arbeitsrechtler dagegen würden sich vielleicht eher für Fortbildungen in den Bereichen Psychologie, Mediation oder Kommunikation entscheiden.

Oder Sie denken strategisch in die Zukunft. Wenn Sie mittelfristig etwa den Wechsel in ein Unternehmen planen, dann fragen Sie sich: Welche Fähigkeiten benötige ich dort? Was fehlt mir noch? Weiterbildungen können letztlich auch dabei helfen, sich selbst darüber klar zu werden, wo die berufliche Reise hingehen soll. Wenn Sie sich unsicher sind: Suchen Sie sich Vorbilder und befragen Sie sie danach, welche Weiterbildung sie vorangebracht hat.

Muss ich alles selbst bezahlen?

Eine Zusatzausbildung gibt es in den seltensten Fällen kostenlos. Daher lohnt es sich immer anzufragen, ob die Kanzlei die Kosten für die Weiterbildung übernimmt oder sich zumindest daran beteiligt. Hier lässt sich erfahrungsgemäß viel aushandeln. Ein Zuschuss für Weiterbildungskosten könnte zum Beispiel Teil einer Incentivierung sein, etwa eines Bonus.

Auch eine "Freistellung" müssen Sie mit Ihrem Vorgesetzten besprechen, etwa wenn Sie zwei Tage pro Woche früher Feierabend machen wollen, um pünktlich bei Ihrem Kurs zu sein. Wollen Sie für einen längeren Zeitraum frei bekommen, stellt sich immer die Frage, welchen Mehrwert die Kanzlei von Ihrer Weiterbildung hat. Bei atypischen Ausbildungen ist es wahrscheinlich, dass sie nicht bereit sein wird, sich finanziell zu beteiligen und Sie freizustellen. Allerdings könnten Sie anbieten, nach Ihrer Fortbildung das erlernte Wissen intern weiterzugeben. So schaffen Sie eine Win-Win-Situation für sich und die Kanzlei. Und vielleicht kommt sie Ihnen in Ihren Fortbildungsplänen entgegen.

Die Volljuristin und ehemalige Rechtsabteilungsleiterin Carmen Schön berät und coacht Juristen, Führungskräfte und Anwaltskanzleien zu Themen wie Geschäftsaufbau, Führung, Auftritt und Wirkung.

Zitiervorschlag

Zusatzqualifikationen für Anwälte: . In: Legal Tribune Online, 08.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34279 (abgerufen am: 11.11.2024 )

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